EVANGELIUM
Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab!
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Markus
In jener Zeit
38sagte
Johannes, einer der Zwölf, zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in
deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er
uns nicht nachfolgt.
39 Jesus
erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so
leicht schlecht von mir reden.
40Denn
wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
41Wer
euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört -
amen, ich sage euch: er wird nicht um seinen Lohn kommen.
42Wer
einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre
es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.
43Wenn
dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; es ist besser für dich,
verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu
kommen, in das nie erlöschende Feuer.
44/45Und
wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt, dann hau ihn ab; es ist besser
für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in
die Hölle geworfen zu werden.
46/47Und
wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser
für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in
die Hölle geworfen zu werden,
48wo
ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.
„Wo das Feuer nicht
erlischt…“
Es schwingt noch nach, hängt noch im Ohr, gellend sogar, dieser letzte
Satz des Evangeliums. – Evangelium – Frohe Botschaft?
„Wenn dich dein
Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus.“
–
Klingen so die Töne einer frohmachenden Botschaft?
„Wenn dich dein Fuß
zum Bösen verführt, dann hau ihn ab“
– Gute
Nachricht für leibfeindliche Selbstverstümmler?
„Wenn dich deine
Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab“
–
Verkündigung von einem gütigen, mitleidenden Gott, der keine anderen
Hände hat als die unsrigen?
„Wer einen von
diesen einfachen Gläubigen zum Bösen verführt, einen Mühlstein um den
Hals und ins Meer mit ihm!“
– Und das aus dem Munde dessen, der von Petrus siebenundsiebzigfaches
Verzeihen fordert?
Hart sind sie und
sperrig, diese Worte Jesu.
Keine Slogans einer
kuschelweichen und faserschonenden Werbeindustrie. Stolpersteine,
herausragend und herausfordernd.
Dabei hat das
Evangelium so freundlich begonnen:
„Wer nicht gegen uns
ist, ist für uns.“
Jesus zeigt sich
großzügig und weitherzig.
Aber dann schwingt das
Pendel um: von der Toleranz zur äußersten Radikalität. Jesus gebraucht
sehr drastische Bilder, Bilder, die uns erschrecken können.
„Wenn dich deine Hand
zum Bösen verführt, dann hau sie ab!“
Jesus
hat die verdorrte Hand eines Menschen geheilt. Er hat Lahme gesund
gemacht. Er hat Blinden das Auge geöffnet. Er weiß also um den Wert des
Leibes.
Er war auch nicht so
naiv, tatsächlich zu glauben, man könne das Böse sozusagen chirurgisch
beseitigen, indem man einen Körperteil entfernt. Auf so simple Weise
wird aus einem bösen Menschen kein guter Mensch.
Jesus
weiß so gut wie wir, dass die Neigung zum Bösen aus unserem Innern, aus
unserem „Herzen“ aufsteigt. Da liegt das Feld, wo das Gute und Böse
entspringt und sich entscheidet.
Dieses Evangelium
ist also keineswegs eine Aufforderung, sich selbst zu verstümmeln. Wie
töricht wäre das und überdies erfolglos.
Außerdem: Müssten wir dann nicht alle einäugig sein?
Müssten wir nicht alle
amputiert und als Krüppel herumlaufen?
Wären nicht alle
Mühlsteine ausverkauft, wo doch so viele Kleine und Geringgeschätzte
verführt und missbraucht werden?
Worum geht es?
Jesus spricht in Bildern. Sie sind nicht wörtlich gemeint. In bildhafter
Sprache, allerdings sehr drastisch und überdeutlich, weist er darauf
hin, dass das Reich Gottes Vorrang hat, vor allem anderen.
Für Jesus
gibt es nichts, absolut nichts, das wichtiger sein könnte als das
Gottesreich. Alles andere muss ihm gegenüber zurücktreten.
Es gibt Verluste, die das
Leben schwer machen. Es gibt aber einen Verlust, der das Leben sinnlos
macht und zerstört. Ein Auge zu verlieren ist schlimm, aber das ewige
Heil zu verlieren ist schlimmer.
Wer es riskiert, aus der
Liebe Gottes herauszufallen, riskiert mehr als Hand und Fuß oder Auge.
Er riskiert alles: seine Berufung, seine ewige Bestimmung. Alles ist
verloren, unser ganzes Engagement als Mensch und als Christ, wenn wir
als pure Egoisten leben und dem Bösen nicht widerstehen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Als wir das Evangelium
gehört haben, waren wir schockiert, vielleicht auch zornig und empört,
dass Jesus uns mit so makabren Vorstellungen wie Hand-Abhacken und
Auge-Ausreißen konfrontiert. Wenn uns das schon schockt und befremdet,
warum sind wir dann nicht noch viel mehr aufgeregt und empört, wenn es
um den einzig wirklichen Verlust geht, einen unwiederbringlichen und nie
zu verschmerzenden Verlust, den des ewigen Lebens?
Massive, harte, krasse
Bildworte
braucht Jesus heute im Evangelium. Aber er will uns damit gleichsam
aufrütteln, uns wachrütteln, uns aufwecken aus dem Schlaf der
Sicherheit.
Es ist nicht bequem
und harmlos,
ein Christ zu sein. Denn das Reich Gottes erträgt keine Halbheit.
Gefordert ist immer wieder neu die Unterscheidung der Geister. Gefordert
ist immer wieder die entschiedene Absage an das Böse und die
kompromisslose und radikale Hinwendung zum Guten, zu Gott.
Viel steht auf dem
Spiel, sehr viel!
Gott will, dass wir ewig leben.
Er will nicht unseren
Untergang und unser Verderben. Er will nicht unseren ewigen Tod. Er
will, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Aber dazu braucht
es auch unser Mittun, unseren vollen Einsatz, unsere ganze Hingabe. Wir
werden nicht alle automatisch, so mir nichts dir nichts, vor das
Himmelstor geschwemmt.
„Worauf es ankommt,
wenn ER kommt“,
das Kriterium schlechthin, ist die Liebe. Was wir einem der Geringsten
getan haben oder nicht getan haben, IHM haben wir es getan oder auch
nicht.
Im heutigen Evangelium
gibt Jesus seinen Jüngern, und damit auch uns, ein Beispiel wie einfach
es ist, seine Hände zum Guten zu gebrauchen. Jedesmal, wenn wir einen
Becher Wasser reichen, also eine Kleinigkeit, eine
Selbstverständlichkeit tun, sind wir auf dem rechten Weg, auf dem Weg
der Nachfolge. Ein freundliches Wort, ein Händedruck, ein Telefonanruf,
ein Besuch am Krankenbett, ein geduldiges Zuhören, nicht nachtragen,
verzeihen, usw.
Die kleinste Wohltat
ist nicht umsonst, sie hat Gewicht, sie zählt bei Gott und findet ihren
Lohn. Das finde ich sehr trostreich. Und es macht Mut, in diese Richtung
zu denken und zu handeln.
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