„Ein Tag im Leben
Jesu“ – so
könnte man den heutigen Abschnitt aus dem Markusevangelium
überschreiben. Ein sehr ausgefüllter und ereignisreicher Tag. Hätte es
damals schon einen Terminkalender gegeben, er wäre für diesen Tag aus
allen Nähten geplatzt.
Markus sagt es
treffend: „Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt.“ Und kurz
darauf: „Alle suchen dich!“
Am Morgen
lehrt Jesus in der Synagoge und befreit einen Mann aus dämonischer
Besessenheit. Dann geht er in das Haus des Simon Petrus und heilt dessen
schwerkranke Schwiegermutter.
Wie ein Lauffeuer
verbreitet sich die Kunde: Da ist einer, der helfen kann. Da ist einer
der vermag aufzurichten. Da ist einer der hat Wunderkräfte. Sogar
Dämonen weichen vor ihm.
Im Handumdrehen
sind jede Menge Kranke vor dem Haus. Und Leidende. Und Besessene. Und
Ausgebrannte. Und Kaputte. Und Hilflose. Jesus ist gesucht und gefragt.
Und früh am anderen
Morgen sind sie schon wieder da. – Jedoch vergebens. Er ist nicht hier.
Obwohl er wahnsinnigen Zulauf hat. Obwohl es doch so viel zu tun gäbe.
Ganz akut. Ganz aktuell. Jetzt sofort. Ein riesiger Handlungsbedarf!
So viele,
denen es nicht gut geht. So viele Kranke. Viele Besessene. Viele
Leidende. Viele Hilflose. Und einen, der helfen könnte. – Warum kommt er
seinem Ruf als Wunderheiler nicht nach? Warum entzieht er sich der
begeisterten Menge?
Petrus
und seine Gefährten suchen und finden ihn – draußen, vor der Stadt. Weit
weg von allem Trubel. Allein. In der Stille. Im Schweigen. Sie finden
ihn betend. Versunken. Als ob ihn die Welt und die Menschen und das
Leben nichts angingen.
Jesus
lässt sich von den Wünschen, Erwartungen und Ansprüchen der Leute
offenbar nicht völlig vereinnahmen. Er wahrt Distanz. Er möchte nicht
der große Zauberer sein, der von allen bejubelt wird. Es geht ihm nicht
um Erfolg und Beifall, auch nicht um Macht und Einfluss. Er sucht die
Ruhe. Aber er sucht sie nicht, um „seine Ruhe zu haben“, sondern er
sucht die Begegnung mit Gott, seinem Vater. Er betet.
Liebe Mitchristen!
Das ist etwas, das sich
im Leben Jesu immer wieder ereignet.
Er sucht Abstand. Er geht
in die Stille. In die Einsamkeit. Ins Gebet. Er sucht das Zwiegespräch
und die Gemeinschaft mit dem Vater. Daraus schöpft er Kraft. Hier findet
er Orientierung für seinen Auftrag. Hier vergewissert er sich seiner
Sendung.
Jesus
braucht diese Zeit. Und er nimmt sie sich immer wieder. Auch er kann
nicht nur geben und immer wieder geben. Er muss auch „auftanken“,
schöpfen und empfangen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Ob Jesus nicht auch und
gerade in dieser Hinsicht für uns „Lehrer und Meister“ sein
könnte? Ob wir nicht auch diesbezüglich auf ihn schauen, von ihm lernen
und ihn zum Vorbild nehmen könnten? Wir, die wir oft in er
Geschäftigkeit des Lebens und im Getriebe des Alltags unterzugehen
drohen. Wir, die wir oft ungeheurem und vielfältigem Druck – Zeitdruck,
Leistungsdruck... – ausgesetzt sind. Und dabei Gefahr laufen, unsere
eigene Mitte zu verlieren.
Fragen wir uns einmal:
-
Woraus schöpfen wir unsere Kraft?
Woraus leben wir?
-
Und ganz konkret: Wie steht es bei
mir mit Stille, Schweigen, Beten, Meditation…?
-
Haben Besinnung und Gebet in meinem
Alltag einen festen und wichtigen Platz? Gibt es wenigstens Versuche
in diese Richtung?
-
Oder meine ich: So viel zu tun. So
viel Arbeit. So vieles, was mich beansprucht. So viele, die etwas
von mir wollen… Still werden? Dasein vor Gott? Verweilen in seiner
Gegenwart? Beten? – Dafür bleibt mir keine Zeit.
Eine
andere Frage:
-
Auf Kosten wovon vermindere ich
immer wieder die Zeit für das Gebet, die Stille, die Schriftlesung,
die Meditation, den Gottesdienst?
-
Ist es nicht unsere hektische
Betriebsamkeit, unser ruheloser Aktivismus? Sind wir nicht oft total
in Anspruch und in Beschlag genommen von vielen Pflichten, Aufgaben
und Terminen, oft über den Feierabend hinaus?
-
Und was bleibt auf der Strecke? Die
Besinnung, das Ausruhen bei Gott, das Atemholen der Seele. Nicht
wahr, das kommt am ehesten zu kurz. Daran wird am schnellsten
abgezwackt und manchmal fällt es ganz aus.
Jesus
sagt: „Euch soll es zuerst um das Reich Gottes gehen.“ Es gilt immer
wieder das „Eine Notwendige“ zu suchen und es nicht zu versäumen.
Liebe Mitchristen!
Die Gefahr ist groß, –
unter den Erwartungen der Umgebung und der Konkurrenz von allen Seiten –
sich nur noch von außen leiten zu lassen, nur noch Berufs- und
Erfolgsmensch zu sein.
Die Gefahr ist groß, mehr
gelebt zu werden, als selbst zu leben. Und oft merkt man nicht einmal,
dass man bei allem Machen, Schaffen und Leisten sich selbst verliert und
auf der Strecke bleibt. Man kreist zwar um sich, ist voll von tausend
Absichten, Zielen und Plänen, kommt aber nicht mehr zu sich.
Ich bin überzeugt:
auch die Hauptamtlichen in der Kirche und wir Ordenschristen können noch
so viel und noch so Großartiges tun und bringen und leisten – auf
pastoralem, caritativem und sozialem Gebiet, wir können noch so viel
bewirken und auf die Beine stellen. – Das alles ist jedoch wenig, wenn
die Menschen uns nur als Macher, Manager, Organisatoren erleben, als
Menschen, die keine Zeit haben, die ständig auf die Uhr schauen, immer
auf dem Sprung, ständig auf Trab, immer in action, gehetzt und
gestresst.
Das äußere Wirken, unser
Schaffen und Machen ist wenig, wenn die Menschen nicht spüren: Da lebt
jemand mit Leib und Seele seine Berufung. Da ist einer Feuer und Flamme.
Er hat eine leidenschaftliche Liebe zu Gott, wie Gott eine unbändige
Liebe zu uns hat. Da ist jemand, der nicht aus rissigen Zisternen,
sondern aus tieferen Quellen schöpft und aus einer tiefen Verbundenheit
mit dem lebt, der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Gott kann nur dann durch
uns in die Welt hineinwirken, wenn wir immer wieder unsere
Geschäftigkeit unterbrechen, innehalten und uns seinem Geist öffnen. –
Es ist heilsam und gut, sich immer wieder auszustrecken nach oben, uns
zu öffnen für die Gaben und Gnaden Gottes, für seinen Leben spendenden
Geist, uns durchdringen und erfüllen zu lassen von seiner Freude und
seinem Frieden, von seinem Licht und seiner Kraft.
Vergessen wir es
nicht:
Nur der Beschenkte kann ein Schenkender sein und nur der Gesegnete ein
Segnender.