EVANGELIUM
Er wird die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Markus
In jener Zeit
sprach Jesus zu seinen Jüngern:
24 In
jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond
wird nicht mehr scheinen;
25 die
Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert
werden.
26 Dann
wird man den Menschensohn in Wolken
kommen sehen, mit großer Macht und Herrlichkeit.
27 Und
er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier
Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.
28 Lernt
etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden
und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist.
29 So erkennt
auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass das
er nahe vor der Tür
ist.
30Amen,
ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht.
31Himmel
und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
32Doch
jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht
einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Das
Kirchenjahr neigt sich dem Ende zu. In zwei Wochen ist
bereits 1. Advent. – Und immer, wenn ein Kirchenjahr dem
Ende entgegen geht, dann hören wir im Gottesdienst
Texte, die vom Ende sprechen. Und jedes Jahr neu wecken
diese Texte in uns ein Unbehagen, jedenfalls bei mir.
Steht uns ein Ende mit Schrecken
bevor? Wird Gott am Ende der Zeit wirklich die Schöpfung zerstören? Wenn Himmel
und Erde vergehen: Wer kann dann gerettet werden? Und wer wird für immer
vernichtet?
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Unbehagen bei diesen Texten
mag auch daher rühren, dass die apokalyptischen Bilder in der Vergangenheit viel
zu oft als Horrorvisionen verkündet wurden und damit Ängste geschürt und Angst
eingejagt wurde. Dabei wollen sie gar keine Angst machen, sondern eigentlich und
im Grunde genommen wollen sie Hoffnung stiften – auch wenn wir uns heute
schwertun, sie auf diese Weise zu sehen und als Hoffnung stiftend zu verstehen.
Liebe Mitchristen!
Die drastischen Bilder vom Ende
der Schöpfung entstanden in einer Zeit, in der sich das jüdische Volk in seiner
Existenz bedroht sah. – Antiochus, ein hellenistischer Herrscher, hatte die
Ausübung der jüdischen Religion unter Todesstrafe gestellt. Unter den gläubigen
Juden ließ er grausame Morde verüben und zwang sie, statt Jahwe den griechischen
Gott Zeus anzubeten. Die Menschen fühlten sich seiner Willkür so ohnmächtig
ausgeliefert, dass sie für sich keine Hoffnung auf Rettung mehr sahen.
Trotzdem hielten sie an Ihrem
Glauben an Gott fest. Sie waren überzeugt: ER wird aller Drangsal ein Ende
bereiten. ER wird den ganzen Kosmos und mit ihm alle Mächte des Bösen
vernichten, damit eine neue Welt entstehen kann. Gottes Welt, in der Antiochus
und all die Missetäter der Geschichte keinen Platz mehr haben. Eine Welt, in der
die Opfer der Geschichte endlich Gerechtigkeit erfahren und ewiges Leben bei
Gott.
Auch Jesus und die frühen Christen
standen unter dem Einfluss dieser apokalyptischen Vorstellungen. Zwar hatte sich
Grundlegendes verändert: Mit Jesus war Gott selbst in die Welt gekommen. Mit
Jesus war die neue Welt Gottes mitten im Hier und Jetzt schon angebrochen.
Dennoch gab es noch immer Not, Drangsal Gewalt. – Jesus erlebte dies am eigenen
Leib. Und auch die frühen Christen erfuhren Verfolgung und Bedrohung wie einst
das Volk Israel.
Auch für uns heute ist täglich
erfahrbar: Machtspiele, Gewalt und Ungerechtigkeit prägen die Welt. – in der
Ukraine, im Nahen Osten, im neuen erstarkenden Rechtsextremismus… Ja, Gottes
Reich mag angebrochen sein. Doch seine Vollendung steht immer noch aus.
Wie die ersten Christusgläubigen
setzen auch wir darauf, dass Jesus, der Menschensohn, wiederkommen wird, um das
zu vollenden, was mit ihm zu wachsen begonnen hat.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Vision vom Ende ist kein
Schreckenszenario. Sie kündet von einer Hoffnung, die sich auch von den
lebenswidrigsten Umständen und düsteren Mächten nicht austreiben lässt. – Jesu
wählt für diese Hoffnung ein wunderschönes Bild: Mit dem Ende der Welt ist es
wie mit einem Feigenbaum, dessen Zweige nach dem Winter saftig werden und
Blätter treiben. Wenn der Menschensohn kommt, wird die Winterzeit ein Ende
haben. In der Welt, in der Kirche, in den privaten Beziehungen. Neues Leben wird
hervorbrechen und bunte Blüten treiben. Sommer wird sein. – Es geht darum, dass
wir uns diese Hoffnung nicht austreiben lassen.
|