Schon zum dritten Mal spricht er davon, was ihn dort
erwartet: dass er ausgeliefert wird, dass er Leiden, Kreuz und Tod
entgegengeht und am dritten Tag auferstehen wird.
Jedes Mal reagieren die Jünger mit Unverständnis.
Das erste Mal stellt sich Petrus Jesus in den Weg und
macht ihm Vorwürfe. Aber es folgt eine scharfe Zurechtweisung.
Er hat nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen
wollen.
Das zweite Mal haben die Jünger nichts anderes im Kopf als
ihr Ansehen und ihre Wichtigkeit. Sie streiten um Größe, Macht und Rangfolge.
Jesus stellt ein Kind in ihre Mitte. Dann sagt er zu den Seinen: „Wer Erster
sein will, soll Letzter von allen werden.“
Als Jesus zum dritten Mal (im Evangelium von heute) seinen
Tod und seine Auferstehung ankündigt, da bitten ihn Jakobus und Johannes, die
Söhne des Zebedäus, um die besten Plätze im Reich Gottes – gleich links und
rechts von Jesus.
Das Evangelium erzählt, dass die anderen Jünger sich über die
Zebedäussöhne ärgern. Das ist verständlich.
Andererseits zeigt ihre Reaktion nur, dass sie selbst nicht viel
besser sind. Sie wollen ihren Vorteil dadurch wahren, dass die anderen keinen
haben.
Die Jünger haben anscheinend nichts verstanden vom Wort Jesu.
Sie haben nichts begriffen von seiner messianischen Sendung.
Ja, sie wollen aus der Sendung Jesu das Beste für sich
herausholen, notfalls auch auf Kosten anderer. Konkurrenzdenken, Geltungssucht,
Missgunst, Neid und eine große Blindheit bei denen, die als Freunde Jesu und
seine engsten Vertrauten gelten!
Doch haben wir Jesus verstanden?
Wissen wir, was es bedeutet, wenn Jesus sagt:
„Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der
Diener aller sein“?
Schütteln wir da nicht auch den Kopf?
Geht uns das nicht irgendwie gegen den Strich?
Was imponiert, was lockt, ist doch genau das Gegenteil:
Erfolg, Leistung, Karriere; Profit, Prestige und Positionen.
Macht übt auf uns Menschen eine starke Faszination aus.
Wir wollen Top sein, Spitze. Wir wollen den Ton angeben und die
erste Geige spielen.
Und nicht immer geht es fair zu beim Gerangel um die ersten
Plätze. Ich nenne nur das Stichwort „Mobbing“.
Man sieht im anderen den Rivalen, den Konkurrenten.
Eifersucht und Missgunst machen sich breit.
Rücksichtslosigkeit, Rachsucht, Gehässigkeit, ja Feindschaft sind
die Folgen.
Wer ist der Größte unter uns? Wer spielt die bedeutendste
Rolle? So stritten also auch schon die Jünger Jesu.
Ihr Streit um Rang und Ehre und die ersten Plätze steht in
krassem Gegensatz zu dem, worum es Jesus geht.
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu
lassen, sondern um zu dienen und in Liebe sein Leben hinzugeben.“
Bereits mit seiner Menschwerdung hat seine Erniedrigung begonnen.
Er ist „herabgestiegen“. Er hat sich „entäußert“. Er hielt nicht
fest an seinem Gottsein. Er kam auf Augenhöhe. Er wurde einer von uns. Er teilte
unser menschliches Los.
„Sein Leben war das eines Menschen“.
Bei der Taufe im Jordan stellt er, der Sündenlose, sich in die
Reihe der Sünder.
Dann in seinem öffentlichen Leben und Wirken, wendet er sich
besonders den Kleinen, Schwachen und Ausgestoßenen zu.
Er heilt Kranke, verzeiht Sünden und isst mit Zöllnern und
Sündern.
In der Fußwaschung gibt er den Jüngern ein unüberbietbares und
erschütterndes Beispiel des Dienens. „Begreift ihr, was ich euch getan habe?“
Wollt ihr den Weg gehen, den ich gehe?
Wagt ihr so zu leben, wie ich lebe?
Dann macht es nicht wie alle Welt.
Dann soll es bei euch anders sein als bei den Mächtigen.
Es ist schlimm, wenn es bei euch nicht anders zugeht als in der
Gesellschaft und in der Politik.
„Bei euch soll es anders sein!“
Es geht um eine innere Einstellung. Ob einer nur sich selbst
sucht, seine Ehre, seinen Ruhm, seine Macht – womöglich noch auf Kosten anderer
und auf dem Rücken anderer – oder ob er auch als „Erster“ noch Bruder und
Schwester zu sein vermag, sich noch bücken kann und – im Dasein für andere –
fähig ist zu Hingabe und Liebe.
Dag Hammarskjöld (ein bedeutender Politiker), Albert Schweitzer
(Chefarzt), Mutter Teresa (Ordensoberin), Helder Camara (Bischof) – sie sind
durchaus Diener aller geworden, obwohl sie große Persönlichkeiten waren und hohe
Ämter innehatten.
Sehen Sie, liebe Schwestern und Brüder: Es geht nicht einfach um
den letzten Platz um des letzten Platzes willen. Es geht auch nicht um die
Verdammung des ersten Platzes. Es geht vielmehr um das Motiv und um die
Geisteshaltung.
Ein Journalist sagte einmal zu Mutter Theresa:
„Ihre Arbeit würde ich nicht für eine Million Dollar machen“.
Da erwiderte sie: „Ich auch nicht!“
Im Glauben und in der Liebe zu Christus, also in unserer
Beziehung zum Gekreuzigten, werden Rangordnungen nebensächlich und das Ansehen
in den Augen der Menschen unwichtig. Vielmehr gilt: „Was der Mensch vor Gott
ist, das ist er und nicht mehr!“ (Franz von Assisi)
Bestimmend für den Rang und Wert eines Jüngers Jesu ist dann
nicht Herkunft und Begabung, nicht Stellung und Einfluss, nicht Macht und Ruhm,
sondern Hilfsbereitschaft, Solidarität: mit einem Wort: Liebe!
Jesus zeigt uns den Weg. Er will, dass wir mit ihm den Weg gehen.
Er ruft uns, ihm zu folgen, ihm, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu
lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“
Möge sein Wort uns die Richtung zeigen.
Möge sein Beispiel uns berühren und ermutigen.
Möge sein Geist uns beleben und beseelen.
Möge sein Licht uns erfüllen und seine Kraft uns stärken.