Exerzitien mit P. Pius

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Wo ist euer Glaube

zum Evangelium am 12. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr B; Mk 4, 35 - 41

 

Evangelium

Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und der See gehorchen?

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

35An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren.

36Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn.

37Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann.

38Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?

39Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein.

40Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?

41Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?

 

 

 

Fahrten ins Heilige Land sind keine Seltenheit mehr. Vielleicht war auch von Ihnen schon einmal jemand dort. Dann war er oder sie bestimmt auch am See Genezareth, dem „Auge Gottes“, wie die Araber diesen See in Galiläa nennen. Ein herrlicher Anblick ist dieser See. Und eine Bootsfahrt darauf ein unvergessliches Ereignis.

 

Doch Idyllen können täuschen. Der See liegt 212 m unter dem Meeresspiegel. Unversehens können vom Hermongebirge – bei einem Höhenunterschied von 3.000 m – kalte Fallwinde auf die Tiefebene herabstürzen und auf das Unterdruckgebiet des Talkessels einbrechen.

Fast senkrecht stoßen dann diese Winde auf die Wasseroberfläche, peitschen die Wellen hoch, wühlen den See auf und verwandeln ihn in ein tosendes Meer. Immer wieder kommt es vor, dass dabei Menschen ums Leben kommen.

Das Tückische und Gefährliche bei diesen Stürmen ist, dass sie „plötzlich“ – wie aus heiterem Himmel – ausbrechen, aber ebenso schnell aufhören. Und alsbald liegt der See wieder ruhig da.

 

Das Evangelium berichtet wohl ein echtes Erlebnis der Jünger.

Doch Markus will den Lesern und Hörern seines Evangeliums damals – und damit auch uns heute – nicht nur ein Naturphänomen vor Augen stellen. Er will mehr aufzeigen und tieferliegendes rüberbringen.

Das Evangelium ist ja ein Glaubensbuch und auch die Erzählung vom Seesturm ist eine Glaubensgeschichte. Was will sie uns sagen?

 

Die meisten der Jünger waren gelernte Fischer, wetterfeste Gesellen, Männer vom Fach. Der See war ihr Metier.

Boote, Rudern, Wetterregeln. Da kannten sie sich aus.

Da konnte ihnen keiner so leicht etwas vormachen.

Sie kannten die Handgriffe. Sie wussten zu steuern und zu manövrieren.

 

Doch gegen diesen Sturm kommen sie nicht an. Sie wissen nicht mehr weiter. Sie sind mit ihrer Kunst und ihrer Weisheit am Ende.

Alle Erfahrung und alles Können nützt nichts mehr.

Der See, ihr tägliches Element, wächst ihnen über den Kopf.

Hilflos und machtlos sind sie fürchterlichen Naturgewalten ausgesetzt.

Hier gibt’s nichts mehr zu manövrieren. Die Männer haben Angst, panische Angst. Sie stehen Todesängste aus.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Kennen wir nicht auch in unserem Leben beides: Die ruhige See.

Alles läuft wie geschmiert. Wir kommen gut voran. Wir fühlen uns sicher. Wir steuern unser Lebensboot. Und wenn ein paar Klippen kommen und ein paar Wellen, ein paar dunkle Wolken am Horizont? Was soll’s?

Das machen wir schon. Das kriegen wir hin. Nur keine Angst!

Wir packen das. Wir managen das. Das wäre doch gelacht.

Alles im Griff. Man muss sich nur zu helfen wissen.

 

Aber dann – plötzlich, wie aus heiterem Himmel – etwas Schlimmes, ein Schicksalsschlag. Und ein Unglück kommt selten allein.

Eine unheilbare Krankheit, der Ehegatte stirbt, ein tragischer Verkehrsunfall, die Ehe ist zerrüttet, Depressionen nehmen überhand, eine Leidenschaft reißt einen fort, eine Sucht zieht einen runter.

Wir geraten in Krise. Ein „Sturm“ erhebt sich plötzlich über uns.

Abgrundtiefe Angst übermannt uns. Jede Sicherheit geht verloren.

Es ist, wie wenn man keinen Boden mehr unter den Füßen hat.

Alles gerät ins Wanken. Der Wind peitscht einem ins Gesicht.

Wir rudern uns ab. Wir strengen uns an, Wir legen uns ins Zeug.

Wir kämpfen bis zur Erschöpfung. Und kommen doch nicht weiter.

Das Wasser steht uns bis zum Hals.

 

„Kümmert es dich nicht, dass wir hier zugrunde gehen“, fragen fassungslos und verzweifelt die Jünger.

Es ist kein frommes Gebet. Darin liegt ein Vorwurf.

Es ist ein Klageruf, ein Hilfeschrei. Aber das bringt die Wende.

 

Wenn unser Leben eine kleine Nussschale geworden ist, hin und hergeworfen von Wellen, bedroht vom Kentern, Angst vor dem Untergehen, tun wir dann das, was die Jünger getan haben?

Sie tun es nicht selbstsicher und überlegen. Sie gestehen sich ihre Angst ein. Sie lassen sie zu und lassen sie heraus.

Die Jünger kommen mit ihrer Angst und Not zum Herrn.

Sie wenden sich an ihn, suchen Zuflucht bei ihm, Hilfe und Rettung.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Das abgrundtiefe Meer und die wilden Stürme sind Bilder für unser Leben, Bilder für die Abgründe, die auch in unserem Leben lauern, Bilder für Ausweglosigkeit und Verzweiflung.

In solchen Situationen dürfen wir tun, was die Jünger getan haben:

zu Jesus gehen, uns an ihn wenden. Er ist bei uns, wenn wir in Not sind und seiner bedürfen. Alle Bedrängnis, alle Angst und Sorge darf Ausdruck finden, darf zu ihm hingetragen und ihm anempfohlen werden.

Wenn wir das tun, dann fangen wir an, nicht mehr bloß auf uns selbst zu bauen, auf die eigene Kraft und das eigene Können, sondern uns ihm anzuvertrauen. Und das Wunder der Rettung beginnt.

 

Liebe Mitchristen!

Christsein heißt nicht, bewahrt werden vor dem Sturm, bewahrt vor Angst und Gefahr, verschont bleiben von Leid und Trauer.

Nein, damit ist zu rechnen: Sturm auf dem See, Stürme in der Kirche, Stürme des Lebens. Das gibt es. Selbst der stärkste Glaube bewahrt nicht davor. – Christsein heißt, wir sind nicht allein im Sturm. Wir sind bewahrt in der Angst. – Denn das Entscheidende ist: Der Herr ist bei uns. So wirklich wie die Stürme, denen wir ausgesetzt sind, so wirklich ist der Herr bei uns.

An die Jünger im Boot, an die Gemeinde des Markus in der Zeit der Verfolgung, an die Kirche heute – 50 Jahre nach dem Konzil – in einer säkularisierten Gesellschaft, bleibt am Schluss die Frage Jesu:

„Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“

Es ist vor allem auch die Frage an Sie und mich ganz persönlich in unserer Not, wenn Unheil droht, die Frage an uns in unserem schwankenden Lebensboot:

„Warum hast du solche Angst? Hast du noch keinen Glauben?“

 

Glaube ist hier das unerschütterliche Vertrauen auf Jesus.

In den „Stürmen“ des Lebens vergessen wir oft, dass er bei uns ist, dass er „Herr“ ist und allen feindlichen Gewalten gebieten kann.

Glaube ist hier die unbedingte Gewissheit, dass Jesus zu retten vermag, selbst wenn er schläft, selbst wenn er sich nicht zu kümmern scheint.

Glaube ist die feste Zuversicht, dass man mit Jesus nicht zugrunde gehen kann, selbst im Tod nicht.

 

Im Psalm 27 kommt dieser Glaube, dieses Gottvertrauen folgenderma­ßen zum Ausdruck:

„Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens, vor wem sollte mir bangen?“

Und im Psalm 23 heißt es: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht. Ich fürchte kein Unheil. Du bist bei mir.“

 

Der Jesuitenpater Alfred Delp hat aus dem Gestapogefängnis – mit gefesselten Händen und auf die Vollstreckung seines Todesurteils wartend – folgendes Wort als Kassiber auf einen Zettel geschrieben:

„Wir können dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern weil Gott es mit uns lebt.“

 

Ein persönliches Glaubensbekenntnis. Es zeigt, dass Gott für Pater Delp der tragende Grund und letzte Halt seines Lebens war.

Sein Schicksal – er entging ja nicht dem Henker, er entging nicht dem Tod – zeigt, dass Jesu rettende Macht nicht unbedingt darin besteht, jede Gefahr und Not vor uns zu beseitigen und uns zu bewahren vor Leid und Not und Tod, sondern dass er einfach bei uns, dass er der „Gott-mit-uns“ ist und uns nicht preisgibt, selbst wenn wir äußerlich erliegen. „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt!“

 

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