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Evangelium 
						Wer ist 
						denn dieser, dass ihm sogar der Wind und der See 
						gehorchen? 
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Aus dem heiligen Evangelium nach 
Markus 
35An 
jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen 
ans andere Ufer hinüberfahren. 
36Sie 
schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und 
andere Boote begleiteten ihn. 
37Plötzlich 
erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass 
es sich mit Wasser zu füllen begann. 
38Er 
aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und 
riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? 
39Da 
stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der 
Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. 
40Er 
sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? 
41Da 
ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass 
ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?       
Fahrten ins Heilige Land sind 
keine Seltenheit mehr. Vielleicht war auch von Ihnen schon einmal jemand dort. 
Dann war er oder sie bestimmt auch am See Genezareth, dem „Auge Gottes“, 
wie die Araber diesen See in Galiläa nennen. Ein herrlicher Anblick ist dieser 
See. Und eine Bootsfahrt darauf ein unvergessliches Ereignis.  
  
Doch Idyllen können täuschen. Der 
See liegt 212 m unter dem Meeresspiegel. Unversehens können vom Hermongebirge – 
bei einem Höhenunterschied von 3.000 m – kalte Fallwinde auf die Tiefebene 
herabstürzen und auf das Unterdruckgebiet des Talkessels einbrechen.  
Fast senkrecht stoßen dann diese 
Winde auf die Wasseroberfläche, peitschen die Wellen hoch, wühlen den See auf 
und verwandeln ihn in ein tosendes Meer. Immer wieder kommt es vor, dass dabei 
Menschen ums Leben kommen. 
Das Tückische und Gefährliche bei 
diesen Stürmen ist, dass sie „plötzlich“ – wie aus heiterem Himmel – ausbrechen, 
aber ebenso schnell aufhören. Und alsbald liegt der See wieder ruhig da. 
 
  
Das Evangelium berichtet wohl ein 
echtes Erlebnis der Jünger.  
Doch Markus will den Lesern und 
Hörern seines Evangeliums damals – und damit auch uns heute – nicht nur ein 
Naturphänomen vor Augen stellen. Er will mehr aufzeigen und tieferliegendes 
rüberbringen.  
Das Evangelium ist ja ein 
Glaubensbuch und auch die Erzählung vom Seesturm ist eine Glaubensgeschichte. 
Was will sie uns sagen? 
  
Die meisten der Jünger waren 
gelernte Fischer, wetterfeste Gesellen, Männer vom Fach. Der See war ihr Metier.
 
Boote, Rudern, Wetterregeln. Da 
kannten sie sich aus.  
Da konnte ihnen keiner so leicht 
etwas vormachen.  
Sie kannten die Handgriffe. Sie 
wussten zu steuern und zu manövrieren.  
  
Doch gegen diesen Sturm kommen sie 
nicht an. Sie wissen nicht mehr weiter. Sie sind mit ihrer Kunst und ihrer 
Weisheit am Ende.  
Alle Erfahrung und alles Können 
nützt nichts mehr.  
Der See, ihr tägliches Element, 
wächst ihnen über den Kopf.  
Hilflos und machtlos sind sie 
fürchterlichen Naturgewalten ausgesetzt.  
Hier gibt’s nichts mehr zu 
manövrieren. Die Männer haben Angst, panische Angst. Sie stehen Todesängste aus.
 
  
Liebe Schwestern und Brüder! 
Kennen wir nicht auch in unserem 
Leben beides: Die ruhige See.  
Alles läuft wie geschmiert. Wir 
kommen gut voran. Wir fühlen uns sicher. Wir steuern unser Lebensboot. Und wenn 
ein paar Klippen kommen und ein paar Wellen, ein paar dunkle Wolken am Horizont? 
Was soll’s?  
Das machen wir schon. Das kriegen 
wir hin. Nur keine Angst!  
Wir packen das. Wir managen das. 
Das wäre doch gelacht.  
Alles im Griff. Man muss sich nur 
zu helfen wissen.  
  
Aber dann – plötzlich, wie aus 
heiterem Himmel – etwas Schlimmes, ein Schicksalsschlag. Und ein Unglück kommt 
selten allein.  
Eine unheilbare Krankheit, der 
Ehegatte stirbt, ein tragischer Verkehrsunfall, die Ehe ist zerrüttet, 
Depressionen nehmen überhand, eine Leidenschaft reißt einen fort, eine Sucht 
zieht einen runter.  
Wir geraten in Krise. Ein 
„Sturm“ erhebt sich plötzlich über uns.  
Abgrundtiefe Angst übermannt uns. 
Jede Sicherheit geht verloren. 
Es ist, wie wenn man keinen Boden 
mehr unter den Füßen hat.  
Alles gerät ins Wanken. Der Wind 
peitscht einem ins Gesicht.  
Wir rudern uns ab. Wir strengen 
uns an, Wir legen uns ins Zeug.  
Wir kämpfen bis zur Erschöpfung. 
Und kommen doch nicht weiter.  
Das Wasser steht uns bis zum Hals.
 
  
„Kümmert es dich nicht, dass 
wir hier zugrunde gehen“, fragen fassungslos und verzweifelt die Jünger. 
Es ist kein frommes Gebet. Darin 
liegt ein Vorwurf.  
Es ist ein Klageruf, ein 
Hilfeschrei. Aber das bringt die Wende.  
  
Wenn unser Leben eine kleine 
Nussschale geworden ist, hin und hergeworfen von Wellen, bedroht vom Kentern, 
Angst vor dem Untergehen, tun wir dann das, was die Jünger getan haben? 
 
Sie tun es nicht selbstsicher und 
überlegen. Sie gestehen sich ihre Angst ein. Sie lassen sie zu und lassen sie 
heraus.  
Die Jünger kommen mit ihrer Angst 
und Not zum Herrn.  
Sie wenden sich an ihn, suchen 
Zuflucht bei ihm, Hilfe und Rettung.  
  
Liebe Schwestern und Brüder! 
Das abgrundtiefe Meer und die 
wilden Stürme sind Bilder für unser Leben, Bilder für die Abgründe, die auch in 
unserem Leben lauern, Bilder für Ausweglosigkeit und Verzweiflung. 
In solchen Situationen dürfen wir 
tun, was die Jünger getan haben:  
zu Jesus gehen, uns an ihn wenden. 
Er ist bei uns, wenn wir in Not sind und seiner bedürfen. Alle Bedrängnis, alle 
Angst und Sorge darf Ausdruck finden, darf zu ihm hingetragen und ihm 
anempfohlen werden. 
Wenn wir das tun, dann fangen wir 
an, nicht mehr bloß auf uns selbst zu bauen, auf die eigene Kraft und das eigene 
Können, sondern uns ihm anzuvertrauen. Und das Wunder der Rettung beginnt.
 
  
Liebe Mitchristen! 
Christsein heißt nicht, bewahrt 
werden vor dem Sturm, bewahrt vor Angst und Gefahr, verschont bleiben von Leid 
und Trauer. 
Nein, damit ist zu rechnen: Sturm 
auf dem See, Stürme in der Kirche, Stürme des Lebens. Das gibt es. Selbst der 
stärkste Glaube bewahrt nicht davor. – Christsein heißt, wir sind nicht allein 
im Sturm. Wir sind bewahrt in der Angst. – Denn das Entscheidende ist: Der Herr 
ist bei uns. So wirklich wie die Stürme, denen wir ausgesetzt sind, so wirklich 
ist der Herr bei uns. 
An die Jünger im Boot, an die 
Gemeinde des Markus in der Zeit der Verfolgung, an die Kirche heute – 50 Jahre 
nach dem Konzil – in einer säkularisierten Gesellschaft, bleibt am Schluss die 
Frage Jesu:  
„Warum habt ihr solche Angst? 
Habt ihr noch keinen Glauben?“  
Es ist vor allem auch die Frage an 
Sie und mich ganz persönlich in unserer Not, wenn Unheil droht, die Frage an uns 
in unserem schwankenden Lebensboot:  
„Warum hast du solche Angst? Hast 
du noch keinen Glauben?“ 
  
Glaube ist hier das 
unerschütterliche Vertrauen auf Jesus.  
In den „Stürmen“ des Lebens 
vergessen wir oft, dass er bei uns ist, dass er „Herr“ ist und allen 
feindlichen Gewalten gebieten kann. 
Glaube ist hier die unbedingte 
Gewissheit, dass Jesus zu retten vermag, selbst wenn er schläft, selbst wenn er 
sich nicht zu kümmern scheint.  
Glaube ist die feste Zuversicht, 
dass man mit Jesus nicht zugrunde gehen kann, selbst im Tod nicht.  
  
Im Psalm 27 kommt dieser Glaube, 
dieses Gottvertrauen folgendermaßen zum Ausdruck:  
„Der Herr ist mein Licht und 
mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines 
Lebens, vor wem sollte mir bangen?“  
Und im Psalm 23 heißt es: „Muss 
ich auch wandern in finsterer Schlucht. Ich fürchte kein Unheil. Du bist bei 
mir.“  
  
Der Jesuitenpater Alfred Delp hat 
aus dem Gestapogefängnis – mit gefesselten Händen und auf die Vollstreckung 
seines Todesurteils wartend – folgendes Wort als Kassiber auf einen Zettel 
geschrieben:  
„Wir können dem Leben trauen, 
weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern weil Gott es mit uns lebt.“
 
  
Ein persönliches 
Glaubensbekenntnis. Es zeigt, dass Gott für Pater Delp der tragende Grund und 
letzte Halt seines Lebens war.  
Sein Schicksal – er entging ja 
nicht dem Henker, er entging nicht dem Tod – zeigt, dass Jesu rettende Macht 
nicht unbedingt darin besteht, jede Gefahr und Not vor uns zu beseitigen und uns 
zu bewahren vor Leid und Not und Tod, sondern dass er einfach bei uns, dass er 
der „Gott-mit-uns“ ist und uns nicht preisgibt, selbst wenn wir äußerlich 
erliegen. „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt!“ |