Oft schieben wir sie vor uns her
oder wir versuchen, ihnen auszuweichen. Aber wir kommen nicht darum herum: immer
wieder müssen wir uns entscheiden.
Nicht alle Entscheidungen sind
tiefgreifend und folgenreich.
Ob ich den roten Pulli anziehe oder den schwarzen ist ziemlich egal. Ob ich
meinen freien Tag so verbringe oder so, ist mehr oder weniger meine Sache. Ob
ich einer Einladung folge oder absage, hat schon mehr Relevanz, je nach dem um
was für eine Einladung es sich handelt. Ob ich für „Stuttgart 21“ bin oder
dagegen, das sagt was über mich, vor allem wenn ich eindeutig Stellung beziehe.
Aber es gibt auch
Entscheidungen, von denen viel abhängt,
Entscheidungen, die weitreichende und ernsthafte Konsequenzen haben. Denken wir
nur an die Berufswahl oder die Partnerwahl.
Oft gehen Entscheidungen auch
nicht nur mich an, sondern berühren und betreffen auch andere Menschen,
Menschen, die zu mir gehören, mit denen ich zusammenlebe, mit denen ich arbeite
oder meine Freizeit verbringe.
Liebe Mitchristen!
Den heutigen Sonntag können wir
den „Sonntag der Entscheidung“ nennen. Nicht weil heute eine Abstimmung
ansteht oder eine Wahl stattfindet. „Sonntag der Entscheidung“ auch nicht
deswegen, weil Sie sich entschieden haben, heute zur Kirche zu gehen und am
Gottesdienst teilzunehmen.
„Sonntag der Entscheidung“,
einfach deshalb, weil es in den Schriftlesungen dieses Sonntags ganz zentral um
Entscheidung geht.
In der ersten Lesung
ist es Josua, der zum Volk Israel sagt: „Entscheidet
euch heute, wem ihr dienen wollt: den Götzen oder dem einzigen, wahren Gott!“
Im Evangelium
fragt Jesus die Zwölf, also den inneren Kern derer, die zu ihm gehören: „Wollt auch ihr gehen?“ Es ist die Situation, wo viele seiner Jünger seine
Rede (vgl. die Evangelien der letzten Sonntage) unerträglich fanden, sich von
ihm abwandten und nicht mehr mit ihm gingen.
Jesus versucht nicht – wie heute
in der Pastoral Stehende es vielleicht tun würden – sie um jeden Preis zu
halten. Er lässt ihnen die Freiheit, zu bleiben oder zu gehen. Es kommt ihm
nicht auf die große Zahl an. Er will Entschiedenheit in der Nachfolge. Petrus
hat sich entschieden und gibt als Sprecher der Apostel die Antwort: „Herr, zu
wem sollen wir gehen. Du hast Worte ewigen Lebens.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Bleiben wir mal bei der ersten
Lesung. Da fordert Josua die Israeliten heraus, sich zu entscheiden.
Josua war der Nachfolger von
Mose. Mose hatte das Volk aus der Knechtschaft in Ägypten geführt und dann 40
Jahre durch die Wüste. Am Ende seines Lebens war es ihm zwar noch vergönnt, das
Land der Verheißung zu sehen. Aber mithineinziehen und es betreten, das durfte
er nicht mehr. Josua war es, der Israel über den Jordan und in das Land Kanaan
geführt hat.
Dass diese Landnahme nicht
friedlich geschah, ist klar. Denn das Land war ja von verschiedenen Stämmen und
Völkern besiedelt.
Dazu kam aber auch noch, dass
Israel dort einer Vielzahl fremder Götter begegnete, Götter, die eine
verlockende Faszination ausübten, Götter, die Fruchtbarkeit, Wohlstand und Glück
verhießen. Die Gefahr, mit diesen Göttern zu liebäugeln, sie neben Jahwe auch
noch zu verehren oder sogar ganz zu ihnen überzulaufen, also vom wahren Glauben
abzufallen, diese Gefahr bestand.
In dieser kritischen Situation
rief Josua kurz vor seinem Tod alle Stämme und ihre Oberhäupter am Heiligtum
Sichem zu einem „Landtag“ zusammen. In einer Abschiedsrede stellt Josua das Volk
vor die Entscheidung: Wem wollt ihr dienen? Dem wahren Gott, der sein Volk
befreit, es beschützt, gesegnet und sich immer wieder als Retter und Helfer, als
zuverlässig und treu erwiesen hat oder den Göttern und Göttinnen der Heiden
ringsum?
Drei Dinge fallen mir auf:
Erstens:
Josua spricht das, was ihn bewegt, die Sache, die ihn umtreibt, offen an. Er
benennt das Problem: Gott oder die Götter.
Zweitens:
Er lässt dem Volk die Freiheit, sich zu entscheiden. Er sagt nicht: Ihr müsst an
den Gott eurer Väter glauben, was anderes geht nicht und gibt es nicht. Nein,
sie müssen ihre Antwort finden, jeder seine: Ja oder Nein.
Drittens
fällt auf, dass Josua selbst entschieden Stellung bezieht. Klar und deutlich
sagt er: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“ Er will also
auf jeden Fall – egal wie sich andere entscheiden – dem Gott Israels treu
bleiben.
Eine klare und wohl auch
hilfreiche Vorgabe! Denn auch das Volk entscheidet sich für Jahwe, den Gott der
Stammeltern, den Gott, der sich schon oft so wirkmächtig erwiesen hat, den Gott,
der sein Volk aus der Knechtschaft in Ägypten befreit und es – wenn auch auf
einem sehr langen und schwierigen Weg – durch die Wüste in das verheißene Land
geführt hat.
Allerdings, wie oft hat das Volk
in Not und Gefahr gegen Mose gemurrt! Wie oft hat es sich gegen Gott aufgelehnt
und an seiner Gegenwart gezweifelt! Sie haben den Bund mit Gott gebrochen und
sich eigene Götter geschaffen. Denken wir nur an den sprichwörtlich gewordenen
„Tanz ums goldene Kalb“!
Jetzt aber auf dem „Landtag zu
Sichem“ bekennen sich die Israeliten einmütig zu ihrem Gott und schwören ihm
Treue:
„Wir wollen dem Herrn dienen.
Denn er ist unser Gott!“
Eine große Antwort! Ein dankbares
Versprechen! Ein einmütiges Credo zur Treue Gottes!
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Entscheidung des Volkes
Israel in Sichem und der Entschluss der Apostel in Kafarnaum sind nicht
unverbindliche historische Ereignisse, sondern beispielhafte Bekenntnisse, die
uns heute am „Sonntag der Entscheidung“ vor Augen gestellt sind. Sie
können und wollen uns herausfordern und uns animieren, selbst wieder ein großes,
ein festes und herzhaftes Ja zu unserem Glauben zu sagen, auf Gott unser
Vertrauen zusetzen und entschieden christlich zu leben.
Wie das Volk Israel und wie
die Zwölf, so
wollen auch wir uns – aller Skepsis, aller offenen Fragen und allen Verlockungen
zum Trotz – zu unserem Herrn und Gott bekennen (der sich längst und ein für alle
Mal für uns entschieden hat) und zu Jesus Christus, seinem Sohn, unserem Erlöser
und Heiland (der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat).
Lasst uns deshalb allen
modernen Götzen widersagen
und allen Göttern unserer Zeit und den Heiligtümern unseres Lebens abschwören,
egal wie sie heißen: ob Geld und Reichtum, Ruhm und Macht, Gier und Geiz, aber
auch Gesundheit und Leistungsvermögen, denen heutzutage gehuldigt wird und viele
Opfer gebracht werden.
Lasst uns wie Josua sagen:
„Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“ – Lasst uns das
Bekenntnis des Petrus zu unserem Bekenntnis machen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens… Du bist der Heilige
Gottes!“
Wenn ich an Gott glaube und mich
zu Jesus Christus, seinen Sohn, bekenne, wenn ich auf Gott vertraue und mich von
ihm geliebt, getragen und gehalten weiß, dann kann ich selbst Zeuge des
Glaubens, Werkzeug des Friedens und Bote/Botin seiner Liebe sein.