Evangelium
Verkaufe, was du hast, und
folge mir nach!
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Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
In jener Zeit
17lief
ein Mann auf Jesus zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister,
was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
18Jesus
antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott.
19Du
kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen,
du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub
begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!
20Er
erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.
21Da
sah ihn Jesus an, umarmte ihn und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe,
was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann
komm und folge mir nach!
22Der
Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein
großes Vermögen.
23Da
sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen,
die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
24Die
Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen:
Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
25Leichter
geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes
gelangt.
26Sie
aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander:
Wer kann dann noch gerettet werden?
27Jesus
sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn
für Gott ist alles möglich.
„Leichter geht ein Kamel durch
ein Nadelöhr …“
Liebe Schwestern und Brüder!
Unter den Bildworten Jesu findet
sich wohl kein anschaulicheres als dieses. Eine winzige Nadel und ein noch
winzigeres Nadelöhr – und da soll ein Kamel hindurch? Eine groteske Vorstellung.
Zum Lachen! Aber das Lachen kann einem im Hals stecken bleiben, wenn man das
Bildwort als Ganzes hört: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als
dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“
Da mag es kaum trösten, dass das
Kamel – griechisch: „kamälos“ – sehr wahrscheinlich Ergebnis eines
Schreibfehlers ist und eigentlich ein Schiffstau – griechisch: „kamilos“ –
gemeint ist, das durch das Nadelöhr passen soll.
Wie auch immer: die Jünger sind
schockiert. Entsetzt fragen sie: „Wer kann da noch gerettet werden?“
Und auch wir mögen die bange Frage
stellen: Wann ist einer reich? So reich, dass man nicht mehr durch dieses Öhr
hindurchpasst, sondern draußen bleiben muss?
Nun, je nach dem, mit wem man sich
vergleicht. Wenn man nach oben schaut und sieht, was so mancher Manager im Jahr
verdient oder was für ein Jahresgehalt ein prominenter Fußballspieler bekommt,
dann sind wir hier alle wohl weit davon entfernt, wirklich reich zu sein. Da
brauchen wir keine Angst zu haben, da gehören wir nicht dazu.
Aber es gibt ja auch noch den
Blick nach unten. Wenn wir an so manchen Obdachlosen denken, an Menschen in der
sogenannten Dritten Welt, an Menschen in zerbombten Städten oder auf der Flucht,
dann sieht es schon ganz anders aus: Dagegen sind wir schon reich, sogar sehr
reich. So viel wie wir haben, werden diese Menschen in ihrem Leben sicher nie
besitzen. Müssen wir dann nicht doch Angst bekommen?
Nun, liebe Schwestern und
Brüder, ich denke, in diesem Evangelium geht es nicht ums Angst-Machen,
sondern ums Hinschauen. Reich sein, das hat unter Umständen gar nichts mit der
Summe zu tun, die ich besitze, sondern eher damit, was das, was ich besitze, mit
mir macht. Wie abhängig ich von meinem Besitz bin – wie engherzig und wie
selbstbezogen mich mein Geld vielleicht macht. Oder wenn ich alles Heil und
Glück nur noch von dem erwarte, was ich mir da angesammelt und erspart habe.
Und wenn dann irgendwann kein
Platz mehr ist für einen Menschen, der vielleicht meine Hilfe braucht – und kein
Platz mehr für Gott, der mehr will als meinen Besitz, mehr als mein Geld,
nämlich mein Herz. – Dieser Gott, der zu Hause sein will in meinen Hoffnungen;
der vorkommen will in meinen Erwartungen und in meinem Leben. – Und den man
vielleicht auf einmal gar nicht mehr sieht, weil wir uns mit so vielen anderen
Dingen beschäftigen…
In einem Gebet des heiligen Bruder
Klaus, Nikolaus von Flüe, heißt es: „Mein Herr und mein Gott…nimm alles von
mir, was mich hindert zu dir…nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“
Nimm alles von mir, was mich
hindert zu dir.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke, mit dieser Gebetszeile sind wir wieder ganz nahe beim Bild von jenem
Kamel, das nicht durch das Nadelöhr passt – weil es viel zu viel mit sich
herumträgt, weil es zu sehr beladen ist – und somit „zu reich“ ist.
Mit dem Nadelöhr ist nämlich eines
der engen Tore in der Stadtmauer einer orientalischen Stadt gemeint. Diese Tore
mussten so eng sein, dass man sie im Kriegsfall gut verteidigen konnte. Und ein
beladenes Kamel passte da wirklich nicht hindurch. – Aber das Kamel muss hinein,
weil es so wertvoll ist.
Und es geht auch. Am Ende passt es
hindurch, aber nicht, weil es das selbst geschafft hätte, sondern weil der Herr
des Tieres kommt und dem Kamel die Lasten nach und nach vom Rücken nimmt. – Und
wenn der Herr alles abgeladen hat und wenn er selbst die Lasten durch das enge
Tor hineingetragen hat, dann passt auch das Kamel hindurch. Und es kann in die
Sicherheit, die die Stadtmauern bieten.
Wie gesagt: Alleine schafft es das
Kamel nicht. Aber es gibt ja noch den Herrn. Gott sei Dank! Und der sorgt dafür,
dass das Kamel durch das Nadelöhr hindurchkommt und in Sicherheit ist.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich denke, wenn Sie das hören,
dann hören Sie auch die großartige Einladung, die in diesem Evangelium enthalten
ist, die Einladung nämlich, uns dem Herrn anzuvertrauen, ihn zu bitten, dass er
von uns nimmt, was uns trennt von ihm und alles von uns zu nehmen, was hindert
zu ihm zu kommen.
Nicht nur auf das zu vertrauen,
was wir so haben, was wir so besitzen und mit uns herumschleppen, sondern noch
viel mehr auf Gott zu vertrauen, auf einen Gott, der retten und helfen wird,
egal wie belastet und wie schwer beladen wir sein mögen. Und der mit seinen
eigenen Händen die Lasten von uns nimmt, damit wir nicht draußen stehen bleiben
müssen. – Auf Gott, der für uns alles tun wird, damit wir durch das enge Tor
hindurchpassen und dann bei ihm sind, weil wir doch zu ihm gehören und weil wir
ihm kostbar und wertvoll sind.
Vertrauen wir auf ihn! Denn für
ihn ist alles möglich.
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