Als
Bettler verkleidet ging der König eines Landes von Haus zu Haus.
Da traf er
einen Mann unterwegs, der einen schweren Sack voll Weizen auf den Schultern
trug. Er streckte ihm die bittenden Hände entgegen.
Der Mann
stellte den Sack ab, griff mit spitzen Fingern hinein und gab dem Bettler ein
Weizenkorn. – Daheim angekommen schüttete er den Weizen aus und fand ein Korn,
das funkelte wie Gold. Und es war aus Gold, aus reinem Gold – Da erinnerte er
sich an die Begegnung mit dem Bettler und dass er ihm nur ein einziges Körnlein
geschenkt hatte.
Er begann
zu zittern und weinte: WARUM HATTE ICH NICHT DAS HERZ, ALLES HINZUGEBEN?
(nach Rabindranath Tagore)
Ganz
anders die Witwe im Evangelium heute: Sie hat nicht viel, nur zwei kleine
Münzen. Aber sie gibt sie restlos weg. Es waren zwei Münzen. Sie hätte
auch nur eine geben können und die andere für sich behalten. Sie gibt alles. -
Handelt so jemand nicht unüberlegt und unvernünftig?
Man muss
wissen: die Frau ist wirklich arm. Sie lebte buchstäblich von der Hand in
den Mund. Es gab damals ja keine Witwenrente, keine Altersversicherung, keine
Sozialhilfe.
Eine arme
Witwe „die noch nicht einmal das Nötigste zum Leben hat“, opfert im
Tempel zwei Münzen. - Jesus sieht es. Und das Geschehene ist ihm so
wichtig, dass er seine Jünger darauf aufmerksam macht und die kleine Szene zu
einer entscheidenden Unterweisung nutzt. „Amen, ich sage euch...“
Er erklärt
ihnen, dass die arme Spenderin mehr gegeben habe als alle anderen.
Begründung: „Jene haben nur etwas von ihrem Überfluss gegeben. Diese Frau
aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, gab alles, was sie besaß, ihren
ganzen Lebensunterhalt.“
Woher weiß Jesus, was die
Frau gegeben hat?
Nun, Jesus
lehrte in dem Teil des Tempels, wo 13 posaunenförmige Opferstöcke standen. Jeder
war für einen eigenen Zweck bestimmt, für Tempelsteuer z.B., für Armenpflege,
einer für die Darbringung von Brandopfern usw. Die Leute konnten das Geld
aber nicht selbst in den Opferstock werfen, sondern mussten es einem Priester
aushändigen. Dabei haben sie den Geldbetrag genannt und den
Verwendungszweck angegeben. Erst dann kam das Geld in den Opferstock.
Diskretion
war nicht gewährleistet.
So konnte
Jesus ohne weiteres mitbekommen, was die Frau gegeben hat und wohin ihre Münzen
gewandert sind.
Was ihn
aber in höchstes Staunen versetzt: die Frau gibt alles!
Sie wagt es,
nichts mehr in den Händen zu haben. Sie verzichtet auf die letzte Absicherung.
Jesus
sagt: „Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen.“
Wie ist dieses „mehr“ zu
verstehen? Objektiv hat die Witwe
nicht mehr gegeben. Da haben die anderen viel höhere Beträge gespendet.
Aber
der Gesinnung nach. Da ist der wahre Wert ihres Opfers gar nicht zu bemessen.
Sehen Sie:
Jesus geht es hier, wie auch sonst immer um die innere Haltung, die Einstellung.
Er schaut tiefer. Er schaut auf das Herz.
Und die Frau
ist hochherzig.
Die einen
geben ohne mit der Wimper zu zucken viel. Sie können sich’s leisten. Sie geben
von ihrem Überfluss. Es tut ihnen kein bisschen weh. Vielleicht schwingt
auch noch mit: gesehen und bewundert zu werden. Aber ihr Herz, sie selbst sind
nicht in der Gabe.
Ganz
anders die arme Witwe. Sie kann nicht aus dem Vollen schöpfen. Ihr Geben ist
auch keine Pflichtübung. Sie gibt ihr Letztes, nicht um gesehen zu werden -
äußerlich ist ihr Scherflein ja blamabel.
Und doch
kommt in ihrem Tun eine ungeheure Radikalität zum Ausdruck. Aber auch eine große
Gelassenheit und Unbekümmertheit, über die man nur staunen können.
Diese Frau
muss ein ganz großes, ein unbändiges Vertrauen auf Gott gehabt haben, auf seine
Vorsehung, auf seine Führung. Sie verlässt sich ganz auf Gott und
vertraut ihm die Sorge für ihr Leben an.
Die Witwe
schenkt und überlässt mit dem letzten Pfennig, den sie gibt, nicht nur ihr
ganzes Hab und Gut, sondern sich selbst. Ohne Vorbehalt und mit grenzenlosem
Vertrauen gibt sie sich in die Hände Gottes.
Die
anderen spenden nur, sie opfert alles frei und ungeteilt. Sie gibt
ihr Letztes, weil sie Gott über alles liebt und felsenfest auf seine Güte baut.
In ihrer Gabe schenkt sie ihre ganze Existenz.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Vor Gott
entscheidet nicht die Größe der Gabe, sondern die Selbstlosigkeit der Liebe;
nicht Ab-gabe, sondern Hin-gabe; nicht krampfhaftes
An-sich-selbst-Festhalten, sondern die Übereignung des Herzens.
Wahre
Frömmigkeit ist Hingabe, ist Sich-Verschenken an Gott.
Sehen Sie:
Vor
solcher Haltung gerät Jesus ins Staunen:
„Sie
opferte alles, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt“
Der Betrag
war nicht großartig. Großartig, staunenswert aber der Geist, aus dem
heraus das Opfer erwachsen ist. Auf der kleinen Gabe der Witwe liegt der
heimliche Glanz einer großen Liebe und eines unendlichen Vertrauens.
Die arme Witwe
im Vorhof des Tempels von Jerusalem hat eine Gleichgesinnte, ebenfalls eine
Witwe. Die Lesung hat von ihr berichtet: die Witwe von Sarepta.
Sie teilte ebenfalls großzügig. Sie gab auch alles her, den letzten Bissen. Und
wurde doch nicht im Stich gelassen.
Die beiden Witwen
sind lebendige Beispiele sorgloser Überlassung und liebenden Gottvertrauens. -
So zu vertrauen und so loslassen zu können wie die beiden, so
„vertrauens-selig“ (im wahrsten Sinne des Wortes) zu leben, ohne Angst zu kurz
zu kommen oder leer auszugehen, das würde unser Leben reich und frei und froh
machen mehr als alles gieren und geizen, raffen, neiden und festhalten.
Die beiden Witwen
erinnern mich an einen Priester, der in die Seelsorge nach Nowosibirsk in
Sibirien ging. Auf die Frage, ob denn dort für alles gesorgt sei, antwortete er:
„Gott wird sorgen!“
Eine
andere Geschichte des Vertrauens auf Gott hörte ich von einem Ehepaar: Die
Frau erkrankte während der Schwangerschaft an Röteln. Das ungeborene Kind konnte
dadurch ernsthaft geschädigt werden. Der Arzt riet zur Abtreibung. Sie jedoch
verständigte sich mit ihrem Mann und gemeinsam vertrauten sie sich Gott an. Sie
sagten „ja“ zu diesem Kind. Bewusst erklärten sie sich bereit, es auch dann
anzunehmen, wenn es behindert sein sollte. Monate bangen Wartens vergingen.
Immer wieder rangen sie neu um Vertrauen. Dann kam das Kind gesund zur Welt.
Eine
Ordensschwester, seit 30 Jahren in der Mission in Brasilien, erzählte mir
bei Exerzitien: Als Studentin in Trier sei sie täglich auch in den Dom gegangen.
Immer sei sie an einem Opferstock vorbeigekommen, auf dem stand „Für die
Mission“. Geld habe sie keines gehabt. Da hat sie eines Tages auf einen
Blatt Papier geschrieben: „Ich komme selbst“, hat das Blatt klein
gefaltet und in den Opferstock geworfen.
Das ist
es: Bei allem, was wir vor Gott tun, müssen wir uns selbst geben, sonst hat
alles, was wir tun und sei es noch so viel, keinen Wert.
Warum ruht das Augenmerk
Jesu auf der armen Witwe? Was entdeckt er an ihr?
Wir können noch ein Tiefstes sagen: In ihr trat ihm das Spiegelbild
seiner selbst entgegen. Die arme Witwe hat alles gegeben wie er, der Herr,
selbst alles gegeben hat aus Liebe. - Der armen Witwe ist jene Ganzhingabe zu
eigen, in der Jesus um unserer Erlösung willen sein Leben für uns dahingab. -
Bedenken wir: gleich nach dieser kurzen Szene im Tempel beginnt bei Markus
die Leidensgeschichte. Die Hingabe der Frau weist hin auf den Jesus der Passion,
der sich hingegeben hat für die Vielen und dessen Hingabe wir in jeder
Eucharistiefeier gedenken.
Im
Zusammenhang der Eucharistie sagt Franziskus: „Behaltet nichts von euch für
euch selbst zurück, damit euch ganz aufnehme, der sich euch ganz hingibt.!“
„Behaltet
nichts von euch für euch selbst zurück!“
Das hat die arme Witwe getan. Sie gab alles. Sie wagte buchstäblich das Letzte
und gab sich ganz in die Hand Gottes. Für alle Zeiten ist sie ein Beispiel, eine
glaubwürdige Zeugin für jede selbstlose, vertrauensvolle Hingabe an Gott, aber
auch eine große Herausforderung, eine Anfrage: Und Du?
„In deine
Lieb versenken will ich mich ganz hinab, mein Herz will ich dir schenken und
alles, was ich habe.“ Singst du das
nur so oder meinst du das ernst?
„Gut, Blut
und Leben, will ich dir geben, alles, was immer ich hab, was ich bin...“
Ist das dein Ernst? Meinst du das wirklich? Oder sind das nur leere Worte und
mit Inbrunst gesungene Versprechungen?
Bin Ich
bereit, alles loszulassen, um in Sinne des Evangeliums alles von Gott zu
erwarten? – Was erwarte ich wirklich von Gott? – Rechne ich überhaupt mit Gott
in meinem Alltag? - Glaube ich, dass Gott mich liebt und führt?
-
Möge uns
der Herr mir den Glauben der armen Witwe schenkt,
-
der
nichts von sich selbst, dafür aber alles von Gott erwartet,
-
Möge uns
der Herr die Bereitschaft zur ungeteilten Hingabe schenken, zu wahrer
Großmut und echter Großherzigkeit,
-
Möge der
Glaube an Gottes Güte und Treue in uns wachsen und unser Vertrauen auf ihn
stark und ganz groß werden.
Gebet des
Nikolaus von Flühe:
Mein Herr
und mein Gott,
nimm alles
von mir, was mich hindert zu dir!
Mein Herr
und mein Gott,
gib alles
mir, was mich fördert zu dir!
Mein Herr
und mein Gott,
(das folgende
sagt sich so leicht, ist aber das allerschwerste)
nimm mich
mir und gib mich ganz zu eigen dir!