EVANGELIUM
Wer nicht sein
Kreuz auf sich nimmt, ist meiner nicht wert. - Wer euch
aufnimmt, nimmt mich auf
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit sprach Jesus zu
seinen Aposteln:
37Wer
Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn
oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.
38Und
wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.
39Wer
das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen
verliert, wird es finden.
40Wer
euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der
mich gesandt hat.
41Wer
einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten
erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn
eines Gerechten erhalten.
42Und
wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken
gibt, weil es ein Jünger ist - Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um
seinen Lohn kommen.
Puuuh! Was für ein Evangelium! Ganz schön hart und fordernd! Was
mutet Jesus uns da zu?
Neben den
Anforderungen, bereit zu sein, Bindungen an liebe Menschen aufzugeben und das
Leben um Jesu willen zu verlieren, steht da das Wort vom Kreuztragen. „Wer
nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Ist dieses
Wort nicht total quer und steht es nicht völlig entgegengesetzt zu dem, was wir
uns eigentlich wünschen? Wir wollen doch ein möglichst schönes und bequemes
Leben. Wir wollen Freude, Glück, Zufriedenheit. Wir wünschen uns ein Leben frei
von Enttäuschungen und Leid. Wir wollen genießen, uns wohlfühlen, es angenehm
haben. „Wellness“ ist das Zauberwort. Wie passt da die Rede vom Kreuz dazu? –
Nein, wir scheuen das Kreuz.
Andererseits wissen wir auch und erfahren es jeden Tag: Die Welt ist kein
Paradies. – Es wäre naiv zu glauben, es gäbe ein Leben ohne Kreuz und man könne
den Himmel schon auf der Erde haben. – Ebenso naiv ist es zu meinen, man habe
das „allerschwerste Kreuz“ zu tragen und alle anderen hätten es viel leichter. –
Was wissen wir schon, was andere Menschen erleiden und durchzustehen haben? Was
wissen wir schon, wie sie schlafen, was sie umtreibt, was ihnen zu schaffen und
das Leben schwer macht?
Es gibt
eine schöne Legende von Adalbert von Chamisso:
Ein ewig
Unzufriedener beschwerte sich bei Gott darüber, dass er das allerhärteste und
schwerste Los zu tragen habe. Da sagte Gott zu ihm, er solle mitkommen und sein
Kreuz selbst aussuchen. Und er führte ihn an einen Ort, wo viele Kreuze standen.
– Da stellte der Unzufriedene sein Kreuz ab und lud sich ein anderes auf. Dieses
aber war noch viel schwerer als seines. Er versuchte es mit vielen anderen
Kreuzen, aber an jedem hatte er etwas auszusetzen. – Endlich fand er eines, von
dem er sagte, das sei wohl das angenehmste und leichteste. Da lächelte Gott und
sagte: „Das ist das Kreuz, das du zu Beginn abgestellt hast und von dem du
meintest, es sei viel zu schwer und zu hart. Du siehst selbst, es war schon das
richtige für dich.“ – Und so ging der Mann zufriedener und gelassener davon.
Liebe Schwestern und Brüder!
„Kreuz“ kann
alles Mögliche sein: ein unausstehlicher Mensch; die Arbeit, die einem nicht
zusagt; der Chef, der einem überfordert; die innere Leere; die Unfähigkeit, auf
andere zuzugehen; Schuld, die belastet; unerklärliche Angst; Nichtkönnen trotz
Wollen; schwere Depressionen … So viel Übles, Böses, Schlimmes, das ganz arg
zusetzen und entsetzlich weh tun kann.
Jedenfalls, am Kreuz kommt keiner vorbei. Es ist eine Realität. Und für
jeden sieht es anders aus:
Da bekommen
Eltern trotz intensiven Wünschens kein Kind. Andere haben sich so auf ihr Kind
gefreut, dann kommt es behindert zur Welt. Hier zwingt eine Krankheit zur
Berufsaufgabe. Dort wird einer arbeitslos, weil seine Firma pleitegeht. Da wird
eine Mutter von zwei kleinen Kindern durch Unfall aus dem Leben gerissen. Dort
heißt die ärztliche Diagnose „Krebs“, bösartig. Hier ist es eine Sucht, die eine
Familie zermürbt. Dort ist eine Ehe hoffnungslos zerrüttet. –
Und oft
ist nichts zu machen. Du fühlst dich total hilflos. Du stehst mit dem Rücken zur
Wand, bist dem Unheil ohnmächtig ausgeliefert. Und oft bist du müde und magst
nicht mehr und meinst, du kannst nicht mehr.
Sehen
Sie, liebe Schwestern und Brüder! Da sagt Jesus: Lauf nicht vor deinem Kreuz
davon! Nimm an, was nicht zu ändern ist! Schieb es nicht weg! Sag ja dazu!
Versuch damit zu leben!
Du musst dir
kein Kreuz suchen. Du brauchst dir keines zu zimmern. Du musst nicht noch
zusätzlich nach Opfern und Verzichten Ausschau halten. Du musst dir das Leben
nicht schwerer machen als es ist. Freude am Leid ist masochistisch, nicht
christlich! Es genügt, wenn du dich mit deinem Leben, wie es ist und täglich
läuft, versöhnst.
Übe dich
in der Geduld, in der Demut und im Verzeihen! Versuche den anderen zu ertragen –
in Liebe! Halt aus an dem Platz, wo Gott dich hingestellt hat! Widersteh der
Versuchung, dir ein ganz anderes Leben zu wünschen! Tu, was du kannst, dort, wo
du bist! Erfülle deine Aufgabe, so gut es dir möglich ist – aus Liebe zu Gott
und zum Nächsten! Nimm dein Leben an! Versuch es zu meistern und zu bestehen!
„Nimm es“, wie Jesus sagt, „auf dich“ und versuch es in seiner
Nachfolge zu tragen!
Dabei
dürfen wir wissen: ER, Jesus, lässt uns Menschen nicht allein. Seine Liebe
zu uns, sein Tod am Kreuz, hilft uns, dass wir an unserem eigenen Kreuz nicht
zerbrechen müssen, sondern leichter und besser mit ihm fertig werden können.
Jesus
nimmt uns das Kreuz nicht ab, aber er hilft uns beim Tragen. Auf einem
Kalenderblatt habe ich einmal gelesen: „Jesus hilft uns nicht immer am Leiden
vorbei, aber er hilft uns hindurch.“ Das stimmt! – Setzen wir darum unser
ganzes Vertrauen auf ihn! An uns liegt es, an seine große Liebe zu glauben und
uns dankbar von ihr beschenken zu lassen.
Und
versuchen wir auch – wie Simon von Cyrene – einander beim Kreuztragen zu helfen.
Denn „geteiltes Leid ist halbes Leid.“
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