Evangelium
Über weniges warst du
Treu; nimm teil am Freudenfest deines Herrn!
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis:
14 Mit
dem Himmelreich
ist es wie mit einem
Mann, der auf Reisen ging.
Er
rief seine Diener
und
vertraute ihnen sein Vermögen an.
15 Dem
einen gab er fünf Talente Silbergeld,
einem anderen
zwei,
wieder einem anderen
eines,
jedem nach seinen
Fähigkeiten.
Dann reiste er ab.
16 Sofort
ging der Diener, der die fünf Talente erhalten hatte, hin,
wirtschaftete mit ihnen
und gewann noch
fünf weitere dazu.
17 Ebenso
gewann der, der zwei erhalten hatte,
noch
zwei weitere dazu.
18 Der
aber, der das eine Talent erhalten hatte,
ging und grub ein Loch in die Erde
und
versteckte das Geld seines Herrn.
19 Nach
langer Zeit kehrte der Herr jener Diener zurück
und hielt Abrechnung mit ihnen.
20 Da
kam der, der die fünf Talente erhalten hatte,
brachte
fünf weitere
und sagte: Herr, fünf
Talente hast du mir gegeben;
sieh her, ich habe noch
fünf dazugewonnen.
21 Sein
Herr sagte zu ihm:
Sehr
gut,
du tüchtiger und treuer
Diener.
Über Weniges warst du
treu,
über Vieles werde ich
dich setzen.
Komm, nimm teil am
Freudenfest deines Herrn!
22 Dann
kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte,
und sagte:
Herr, du hast mir zwei Talente gegeben;
sieh her, ich habe
noch zwei dazugewonnen.
23 Sein
Herr sagte zu ihm:
Sehr
gut,
du tüchtiger und treuer
Diener.
Über Weniges warst du
treu,
über Vieles werde ich
dich setzen.
Komm, nimm teil am
Freudenfest deines Herrn!
24 Es
kam aber auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte,
und sagte:
Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mensch bist;
du erntest, wo du
nicht gesät hast,
und
sammelst, wo du nicht ausgestreut hast;
25 weil
ich Angst hatte,
habe
ich dein Geld in der Erde versteckt.
Sieh her, hier
hast du das Deine.
26 Sein
Herr antwortete und sprach zu ihm:
Du bist ein
schlechter und fauler Diener!
Du hast gewusst, dass ich
ernte, wo ich nicht gesät habe,
und
sammle, wo ich nicht ausgestreut habe.
27 Du
hättest mein Geld auf die Bank bringen müssen,
dann hätte ich es bei meiner Rückkehr
mit Zinsen
zurückerhalten.
28 Nehmt
ihm also das Talent weg
und gebt es dem, der die
zehn Talente hat!
29 Denn
wer hat,
dem wird gegeben werden
und er wird
im Überfluss haben;
wer aber nicht hat,
dem wird auch noch weggenommen, was er hat.
30 Werft
den nichtsnutzigen Diener hinaus
in
die äußerste Finsternis!
Dort wird Heulen und
Zähneknirschen sein.
„Lob sei dir
Christus!“
So haben Sie, liebe Schwestern und Brüder, gerade am Schluss des
Evangeliums geantwortet.
„Evangelium unseres
Herrn Jesus Christus!“ – „Lob sei dir Christus!“
Ich weiß, das geschieht
automatisch. Die Antworten im Gottesdienst kommen bei regelmäßigen
Kirchgängern wie aus der Pistole geschossen. – Bei der Präfation z.B.,
wenn der Priester betet oder singt: „Erhebet die Herzen!“
antworten alle wie aus einem Mund: „Wir haben sie beim Herrn!“
Aber stimmt das auch?
Haben wir wirklich die Herzen beim Herrn? Oder sagen wir das nur so?
„Evangelium – Frohe
Botschaft unseres Herrn Jesus Christus!“
Fragen wir einmal, liebe
Schwestern und Brüder, was ist denn an dem heutigen Evangelium frohe
Botschaft, wenn am Schluss der dritte Diener gnadenlos abgestraft und in
die äußerste Finsternis hinausgeworfen wird, wo er heulen und mit den
Zähnen knirschen muss? – Also doch Drohbotschaft statt Frohbotschaft?
Gibt es am Ende unseres Lebens doch die große Abrechnung?
Was war denn
so verkehrt am Verhalten des 3. Dieners, dass er am Schluss so schlecht
wegkommt? Was hat er denn verbrochen oder Schlimmes getan, dass er so
grausam bestraft wird?
Er hat das ihm
anvertraute Vermögen zwar nicht vermehrt, aber auch nicht verspielt,
veruntreut oder vergeudet.
Nein, er hat es schön
brav verwahrt und konnte es seinem Herrn bei dessen Rückkehr unversehrt
und wohl behütet zurückgeben.
Nun, liebe Schwestern
und Brüder,
so weit so gut! Oder vielleicht doch nicht? Den Schlüssel zum
Verständnis dieses Gleichnisses Jesu sehe ich in den Begriffen „Vertrauen“ und
„Angst“.
Sehen Sie:
Der Gutsherr vertraut seinen Dienern vor seiner Abreise sein Vermögen
an, damit sie damit wirtschaften, damit sie etwas daraus machen. Er gibt
jedem entsprechend seinen Fähigkeiten. Keiner wird überfordert. Keinem
wird zu viel zugemutet. Von keinem wird etwas verlangt, was er nicht
bringen kann.
Es ist meines
Erachtens
wichtig zu sehen, dass das Gleichnis nicht mit einer Drohung oder
Mahnung beginnt, sondern mit dem Zutrauen, das der Gutsherr seinen
Dienern entgegenbringt.
Wichtig ist auch
zu sehen, dass auch der dritte Diener ein Talent erhält, umgerechnet
eine halbe Million Euro. Sein Herr traut ihm also auch etwas zu. Besser
ein Talent als gar keines. Wie aber beantwortet er das Vertrauen, das
sein Herr in ihn setzt?
Anstatt
etwas mit seinem Talent anzufangen, anstatt etwas daraus zu machen,
anstatt beherzt und mutig das ihm anvertraute Vermögen zu nutzen,
vergräbt er es.
Und
vergräbt damit im Grunde die Gunst und das Glück, die Gabe und Aufgabe
seines Lebens. Er wird weder seiner Berufung, noch seiner Verantwortung
gerecht.
Vor lauter Angst
vor seinem Herrn und vor lauter Angst etwas falsch zu machen, tut er und
wagt er gar nichts. Er scheut das Risiko. Er geht auf Nummer sicher. Er
vergräbt seine Möglichkeiten, statt sie einzusetzen und zu entfalten.
Er hält sich aus allem raus. Er lässt sich auf nichts und niemanden ein.
Es heißt:
„Wer nichts tut, macht keine Fehler.“
Stimmt! Aber er wird auch
niemals etwas erreichen.
Die Frage ist:
Wie beantworte ich das Vertrauen, das Gott in mich setzt? Mit Angst, mit
Ausreden, mit Gleichgültigkeit? Oder mit Dankbarkeit und Freude?
Die Frage ist:
Nütze ich meine Zeit und meine Möglichkeiten, um zu dem Menschen zu
werden als den Gott mich gedacht hat? Und der ich nach seinem Willen
sein soll und sein kann?
Von John Henry Newman
stammt folgender Gedanke:
„Ich bin berufen,
etwas zu tun oder zu sein, wofür kein anderer berufen ist. Ich habe
einen Platz in Gottes Plan, auf Gottes Erde, den kein anderer hat. Ob
ich reich oder arm bin, verachtet oder geehrt bei den Menschen, Gott
kennt mich und ruft mich mit meinem Namen.“
Keine Angst, liebe
Schwestern und Brüder!
Niemand muss Albert
Schweizer werden oder Mutter Teresa oder die heilige Elisabeth von
Thüringen. Ich muss auch kein Franz von Assisi werden. Aber Pius kann
und soll ich werden. Und Sie Helga, Monika, Brigitte, Heinz und Klaus
und wer immer Sie sind und wie immer Sie heißen. Der Mensch werden, der
ich sein kann. Und das einsatzfreudig, kraftvoll, möglichst entschieden,
möglichst ganz.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Jede, jeder hat ein
Talent – mindestens eines!
Talente sind in meines
Erachtens nicht nur Begabungen oder Fertigkeiten ganz allgemeiner Art
(wie z. B. gut kochen können oder malen oder musikalisch sein), sondern
Talente sind auch die Möglichkeit, Kirche lebendig werden zu lassen und
am Reich Gottes mitzubauen.
Auch in dieser
Hinsicht
ist keiner total unbegabt.
Jede, jeder hat etwas,
das er oder sie einbringen kann.
Schau nicht neidisch auf
andere, die scheinbar mehr haben!
Entdeck, was in dir
steckt! Auch du bist begabt!
Hab keine Angst, dass du
überfordert wirst. Trau dich!
Tu, was du kannst, mit
dem, was du hast, dort, wo du bist.
Vielleicht
kannst du gut zuhören. Dann mach Besuchsdienste. Geh zu denen, die
niemand haben! Schenke ihnen Zeit! Schenke ihnen dein Ohr!
Vielleicht
bist du kontaktfreudig, kannst gut auf andere zugehen. Geh zu anderen
hin! Oder lade andere ein! Hol sie heraus aus ihrer Einsamkeit! Schaff
Gemeinschaft!
Vielleicht
kannst du gut trösten, aufrichten, Mut machen. Tu’s! Vergrab nicht dein
Talent!
Vielleicht
kannst du gut schlichten, versöhnen, ausgleichen. Mach’s! Es gibt so
viel Streit und Zwietracht, Hass und Neid.
Vielleicht
kannst du andere begeistern. Versuch, andere mit deinem Glauben, mit
deiner Freude anzustecken! Bring die Frohe Botschaft unter die Leute!
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wer aus Angst,
Unsicherheit oder Trägheit die Gaben Gottes, den Schatz Gottes, nur
verwahrt, nur hütet, ihn aber nicht einsetzt, ihn nicht zu entfalten
sucht, der lebt unter seinem Niveau, der lebt letztlich an sich selber
vorbei. Ein solcher Mensch hat nicht viel Himmel zu erwarten.
Vergraben und
verstecken
bringt nichts. Nur wer wagt, gewinnt! Das will uns das Evangelium heute
sagen. Und das sollten wir uns in jeder Hinsicht zu Hause, im Beruf, in
der Pfarrgemeinde, in der Kirche und in der Welt zu Herzen nehmen und
uns entsprechend verhalten. Hab keine Angst! Trau dich!
Tu, was du kannst, mit
dem, was du hast, dort, wo du bist!
Liebe Mitchristen!
Ich stell mir vor, der
dritte Diener hätte alles versucht und alles getan, was er konnte. Aber
er hätte Pech gehabt. Er hätte alles riskiert, aber verloren. – Ich
bin sicher, der Gutsherr würde ihn loben und zu ihm sagen: „Das kann passieren. Aber du hast Dich gemüht. Du hast
es probiert. Das verdient Anerkennung. Komm, nimm teil an der Freude
deines Herrn!“
So gesehen
ist das Evangelium von heute doch „Frohe Botschaft“. Und wir
dürfen dankbar und mit ganzem Herzen antworten: „Dank sei Gott!“
bzw. “Lob sei dir Christus!“ |