Evangelium
Fürchtet euch
nicht vor denen, die den Leib töten
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Aus dem heiligen Evangelium nach
Matthäus
In jener Zeit sprach Jesus zu
seinen Aposteln:
26Fürchtet
euch nicht vor den Menschen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird,
und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.
27Was
ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr
flüstert, das verkündet von den Dächern!
28Fürchtet
euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können,
sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle
verderben kann!
29Verkauft
man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur
Erde ohne den Willen eures Vaters.
30Bei
euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.
31Fürchtet
euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.
32Jeder,
der
sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem
Vater im Himmel bekennen.
33Wer
mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im
Himmel verleugnen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt
Worte, die bleiben hängen, die vergisst man nicht.
Für mich ist
so ein Wort ein Satz von Papst Johannes Paul II.
Vor fast 45
Jahren hat er – bei seiner Inthronisation im Oktober 1978 – den Menschen
zugerufen: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für
Christus!“ – Dieser Satz hat mich damals tief berührt, der ist reingegangen.
Und er klingt noch heute in meinen Ohren.
Allerdings: „Habt keine Angst!“ Das ist leicht gesagt. Niemand bleibt
von Ängsten verschont. Angst gehört zu unserem Leben wie das Gesicht zum Kopf,
wie die Kette zum Fahrrad oder wie das Wasser zum Fisch. – Neben Stunden, in
denen wir froh, unbekümmert und glücklich sind, gibt es in unserem Leben immer
wieder auch Stunden, wo wir voller Angst und Sorge sind.
Natürlich
ändern sich die Ängste im Laufe des Lebens. War es in der Kindheit vielleicht
die Angst vor dem dunklen Keller, die Angst vor dem Zahnarzt oder Angst vor
Spinnen, so ist es in der Blüte des Lebens vielleicht die Angst, den
Arbeitsplatz zu verlieren oder die Angst um das Wohl der Kinder, vielleicht auch
Flugangst oder Angst vor engen Aufzügen.
Und welche
Angst kann im Alter aufkommen? Vielleicht die Angst, dass die Rente nicht
reicht? Die Angst vor Einsamkeit? Vielleicht auch die Angst, dass alles
vergeblich war?
Und wenn wir
in die Welt blicken, gibt es dann nicht noch viel mehr Gründe, Angst zu haben?
Ich nenne nur die Kriege, den Terror, das Flüchtlingselend und die drohende
Klimakatastrophe.
Angst
hat aber auch etwas Positives: Sie macht vorsichtig, im besten Fall sogar
besonnen.
Liebe Schwestern und Brüder!
„Fürchtet
euch nicht!“ – Dieser kurze Satz kommt im heutigen Evangelium gleich dreimal
vor. Anstatt „Fürchtet euch nicht!“ kann man den ursprünglichen griechischen
Text auch so übersetzen: „Ängstigt euch nicht!“ Oder: „Habt keine
Angst!“
„Habt
keine Angst!“ Jesus gibt diese Ermutigung seinen Jüngern mit auf den
Weg, als er sie aussendet, um der Welt die frohe Botschaft zu verkünden: die
frohe Botschaft von der Liebe Gottes zum Menschen, die frohe Botschaft von der
Vergebung unserer Schuld und die frohe Botschaft, dass wir eine Zukunft haben,
eine Zukunft, die über den Tod hinausreicht.
Aber die
Jünger, die Jesus aussendet, werden nicht überall auf offene Türen stoßen.
Sie werden nicht immer Zustimmung und Aufnahme finden. Sie müssen auch mit
Widerstand rechnen, mit Ablehnung, mit Angriffen und teilweise auch mit
Verfolgung. Ja, sie werden sogar um ihr Leben fürchten müssen. Je offener und
offensiver sie die Botschaft verkünden, umso eher wird es Menschen geben, die
versuchen sie mundtot zu machen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Für die
Jünger in der Nachfolge Jesu ging es darum, als Ausgesendete im Dienst der
frohen Botschaft die Angst vor Verfolgung zu überwinden. – Auch wir, jede und
jeder einzelne von uns, ist ausgesendet, um Zeugnis abzulegen von dieser
Botschaft, jede auf ihre, jeder auf seine Weise, je nach dem wie Gott uns
befähigt hat und je nach dem, wo wir leben. Dabei werden wir hierzulande und in
gegenwärtigen Zeiten kaum Angst haben müssen, verfolgt zu werden. Es ist
vielleicht eher das vermeintliche Gerede der anderen, das uns davon abhält,
offen zu unserer christlichen Überzeugung und heutzutage auch zur Kirche zu
stehen. Und es sind vielleicht auch die Zweifel, die in unserem eigenen Innern
nagen.
Allerdings, liebe Schwestern und Brüder, Sie wissen, dass es in anderen
Ländern und Kontinenten anders aussieht.
Da werden
Christen vielfach diffamiert, schikaniert, diskriminiert. Da bedeutet das
Bekenntnis zum christlichen Glauben ständige Bedrohung, Anfeindung, Ablehnung,
ja, auch Verfolgung und Folter. Und immer wieder kostet es auch Menschenleben.
Wer meint, Christenverfolgung, das sei ein Phänomen der frühen Kirche, unter
Kaiser Nero z.B. oder Diokletian, der irrt sich gewaltig. Christen sind heute
weltweit die am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft! Und die Zahl steigt
stetig.
„Habt
keine Angst“, sagt Jesus den Jüngern damals. Und so sagt er auch uns.
Habt keine Angst vor den Menschen, die euch nachstellen. Habt keine Angst vor
Enttäuschungen! Und habt auch keine Angst vor der Stimme, die ihr vielleicht in
eurem Inneren vernehmt und die euch Angst einjagen will. Denn ihr seid unendlich
kostbar vor Gott, kostbarer als jeder kleine Vogel in der Luft. – Gott hat so
sehr acht auf euch, dass er um jedes einzelne Haar auf eurem Kopf weiß. Er kennt
euch besser als ihr euch selbst kennt. Er ist eurem Inneren näher als ihr
selbst. Er umfasst und birgt euch mehr als eine Mutter ihr Kind. Was für eine
wunderbare Zusage!
Liebe Schwestern und Brüder!
Jemand hat
einmal gesagt: „Jeder Mensch, auch der Geringste, ist so in Gottes Hand, als
wäre er Gottes einzige Sorge.“ – Ja, wir sind in Gottes Hand, egal was
geschieht! Und wir können nicht tiefer fallen als in Gottes gute Hände. – Wenn
wir das glauben könnten! Menschenskind, was könnte da abfallen an Angst und
Sorge, an Menschenfurcht und Resignation, an Missmut und Traurigkeit! Und was
könnte wachsen an Vertrauen und Zuversicht, an Mut und Hoffnung!
„Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit
auf für Christus!“
Ganz
ehrlich, ich höre das immer wieder gern. Es tröstet und ermutigt. Es stärkt und
befreit.
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