Evangelium
Ist
dein Auge böse, weil ich gut bin?
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener
Zeit erzählte Jesus seinen
Jüngern das folgende Gleichnis:
1Mit
dem Himmelreich ist es wie mit
einem Gutsbesitzer,
der früh am Morgen hinausging, um Arbeiter für seinen Weinberg
anzuwerben.
2Er
einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denár für den Tag und schickte
sie in seinen Weinberg.
3Um
die dritte Stunde ging er wieder hinaus und sah
andere auf dem Markt stehen, die keine Arbeit hatten.
4Er
sagte zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben,
was recht ist.
5Und
sie gingen. Um die sechste und um die neunte Stunde ging
der Gutsherr wieder hinaus
und machte es ebenso.
6Als
er um die elfte Stunde noch einmal hinausging, traf er wieder einige,
die dort standen. Er sagte zu ihnen:
Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig?
7Sie
antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch
ihr in meinen Weinberg!
8Als
es nun Abend geworden war,
sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter
und zahl ihnen den Lohn aus,
angefangen bei den Letzten, bis hin zu den
Ersten!
9Da
kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen
Denár.
10Als
dann die Ersten kamen, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten
einen Denár.
11Als
sie ihn erhielten, murrten sie über den Gutsherrn
12und
sagten: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt. Wir aber haben
die Last des Tages und die Hitze ertragen.
13Da
erwiderte er einem von ihnen: Freund,
dir geschieht kein Unrecht. Hast du
nicht einen Denár mit mir vereinbart?
14Nimm
dein Geld und geh! Ich will dem Letzten ebenso viel geben wie dir.
15Darf
ich mit dem, was mir gehört,
nicht tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich gut bin?
16So
werden die Letzten Erste sein und die Ersten Letzte.
In diesen
Spätsommer- und beginnenden Herbstwochen bekomme ich mit, wie sich die
Termine bei mir, aber auch in der hiesigen Seelsorgeeinheit und den
dazugehörenden Pfarreien wieder häufen.
Im
Frühjahr – Corona bedingt – ausgefallene Kurse in unserem „Haus der
Begegnung“ (HdB) werden, wenn möglich, nachgeholt.
Für nach
Ostern abgesagte Erstkommunionfeiern, Taufen und Hochzeiten werden neue
Termine gesucht. Natürlich finden auch säkulare Feste und Anlässe
vermehrt statt – und das alles noch unter den vorgeschriebenen Hygiene-
und Vorsichtsmaßnahmen wie z. B. begrenzte Teilnehmerzahl, gebührender
Sicherheitsabstand, Mund- und Nasenschutz…
Jedenfalls die Veranstaltungs- und Terminkalender füllen sich wieder und
immer öfter wird es spürbar eng.
Eine Art
„Termindruck“ gibt es auch heute im Evangelium.
Jesus
erzählt von Erntearbeitern, von denen die einen früh am Morgen, andere
zu späteren Stunden und einige sogar erst am Nachmittag angeworben
werden. Sie fangen also zu verschiedenen Zeiten ihren Job an und
arbeiten dem entsprechend länger oder kürzer, mehr oder weniger. Die
früh Angeworbenen schuften von früh bis spät in der Hitze des Tages, die
zuletzt Angeworbenen arbeiten vielleicht eine Stunde in der Abendkühle.
Kein
Wunder, dass es beim Auszahlen des Lohnes lange Gesichter gibt und Unmut
und Ärger hoch kommen. Das Verwunderliche: Alle bekommen Gleichviel,
nämlich den üblichen (und mit den Erst-Angeworbenen) vereinbarten
Tageslohn.
Aber
gerade die Frühaufsteher und Langzeitarbeitenden sind ungehalten und
protestieren. Ihnen ist die Feierabendstimmung verdorben, obwohl sie
doch den mit ihnen vereinbarten Lohn erhalten und – so gesehen – streng
genommen – eigentlich nicht ungerecht behandelt werden.
Das
Auffällige oder die Pointe in der Geschichte: Der Gutsherr (hinter dem
unschwer Gott zu sehen ist) gibt allen, auch den Letzten, was sie für
sich und ihre Familie für einen weiteren Tag zum Leben brauchen.
Schließlich läuft die Erzählung auf die Frage hinaus:
„Darf ich mit
dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?“ Und vor allem die
anschließende Frage: „Oder ist dein Auge böse,
weil ich gut bin?“
In
der alten Einheitsübersetzung hat es geheißen: „Bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“
Zugegeben: Was der Gutsherr, von dem Jesus erzählt, tut, kann leicht als
Affront und als ungerecht empfunden werden – wenn und solange man auf
der Belohnungsebene bleibt, auf der Ebene der Geschäftswelt und der
Tarifverhandlungen… und nicht durchdringt zur unergründlichen Liebe, die
für verrückte Aktionen bekannt und mit Zuteilungsgerechtigkeit niemals
zu fassen ist.
Sehen
Sie: Der Gutsherr geht nicht über das Recht hinweg. Nein, er geht über
das Recht hinaus! Er ist mehr als gerecht. Er zahlt nicht weniger, er
zahlt mehr als er müsste. Und er lässt sich dieses „Mehr“ seiner Güte
von niemandem verbieten (vgl. Mt 20, 15). So ist Gott. Gott ist gut,
auch wenn wir manchmal darüber den Kopf schütteln, wenn diese Güte – in
unseren Augen ungerecht – die anderen beschenkt, die es, wie wir meinen
gar nicht verdient haben.
Liebe
Schwestern und Brüder!
In der
ersten Lesung dieses Sonntags aus dem Propheten Jesaja heißt es: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine
Wege.“ Und weiter: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch
sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken.“
– So ist es! Erfahren wir das nicht immer wieder? Oft verstörend, aber
auch zum Glück!
Denn wäre
Gott nur gerecht, so wie wir Menschen gerecht sind, wären wir da nicht
alle verloren? – Aber Gott ist größer! Seine Liebe ist größer! Sein Güte
hat kein Ende und sein Erbarmen ist unerschöpflich und jeden Tag neu.
Gott ist
gerecht, ja, aber auf göttliche, nicht menschliche Weise. Und er hat
kein Kleingeld. Auch dem Arbeiter, der nur eine Stunde gearbeitet hat,
gibt er den ganz großen Lohn. „Weil ich gütig bin!“ – Was für ein
Wort! Kleiner gibt er’s nicht.
Liebe
Mitchristen!
Mir kommt
der ältere Bruder des verlorenen Sohnes in den Sinn.
Er
scheint mit dem Arbeiter im Weinberg „verwandt“ zu sein. Auch der ältere
Sohn grollt voll Neid und bockt voll Trotz angesichts der Güte des
Vaters, der den Jüngeren wieder – mir nichts, dir nichts – voll Freude
aufnimmt. Empfinden wir nicht manchmal ähnlich wie der Arbeiter der
ersten Stunde und der ältere Sohn?
Die Werte
des Reiches Gottes aber, das will Jesus verdeutlichen, bemessen sich
nach anderen Maßstäben, die Neid und Missgunst nicht kennen, sondern
allein die unauslotbare Güte Gottes.
Gott ist
gut. Und in der Austeilung dieser Güte ist er frei. Es gibt keinen
Anspruch darauf. Und vor allem: Er schenkt mehr als die Gerechtigkeit
fordert.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Wir sind
noch im „Matthäus-Jahr“ und nur Matthäus erzählt dieses Gleichnis. Es
gehört zum Sondergut seines Evangeliums. Und so bekommen wir diese
„Frohe Botschaft“ von einem überliefert, der in der Tradition mit Levi
gleichgesetzt wird – und den Jesus völlig überraschend in seine
Nachfolge ruft und schließlich sogar zum Apostel erwählt.
Zeitlich
wurde er später als die anderen ein Jünger des Herrn. Auch vom Beruf
her, den er ausübte, und vom Ansehen her, das damit verbunden war,
gehörte Matthäus buchstäblich zu den „Letzten“, jedenfalls in der damals
geltenden Rangordnung, denn er war Zöllner, ausgegrenzt und verachtet.
Er weiß, was es heißt, später dazuzukommen und dennoch an der Fülle
teilhaben zu dürfen – ohne eigenes Verdienst, allein aus Gnade, aufgrund
verrückter Liebe.
Alles
kommt offenbar darauf an, SEINEN Ruf zu hören und IHM zu folgen – wie
Matthäus, und sei es auch in der elften, der letzten Stunde. – Übrigens:
Morgen, 21. September ist sein Festtag!
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