Exerzitien mit P. Pius

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Gott erfahren in der Stille

(19. Sonntag im Lesejahr A; 1 Kön 19, 9a. 11 - 13a)

 

Ein Gouverneur in Indien unterbricht seine Reise, um einem bekannten geistlichen Meister seine Ehrerbietung zu erweisen. Frank und frei sagt er gleich: „Staatsgeschäfte lassen wir keine Zeit für lange Abhandlungen oder gelehrte Erörterungen.

Könnt ihr den Kern Eurer Weisheit, das Wesentliche der Religion für einen aktiven Menschen wie mich in eins, zwei Sätzen zusammenfassen?“ – „Ich werde es in einem einzigen Wort versuchen.“ – „Unglaublich! Wie heißt dieses außergewöhnliche Wort?“ – „Stille“. (nach Antony de Mello)

 

Unsere Zeit ist hektisch, betriebsam, schnelllebig, lärmerfüllt.

Beachtet wird, was mit Getöse und großem Gebaren daherkommt. Leise Töne sind out. – Dazu kommt: Viele fühlen sich wie in einem Hamsterrad: ständig beansprucht, pausenlos gefordert, immer auf Trab, dauernd in action, eingespannt und darum angespannt, übermüdet, gereizt, erschöpft.

 

Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard schreibt einmal:

„Die Welt ist krank! Wenn ich Arzt wäre und man mich fragen würde, was getan werden sollte? – Ich würde antworten:

Das erste, was geschehen muss, ist: Schaffe Schweigen!

Hilf anderen zum Schweigen!“

 

Was Kierkegaard fordert ist leichter gesagt als getan!

Wir wissen, wie schwer es ist zur Stille zu finden. Je unruhiger wir sind, umso schwerer ertragen wir Stille und Schweigen.

 

Aber es gibt auch eine große Sehnsucht nach Ruhe und Stille.

Diese Sehnsucht ist wie ein Zeichen aus unserer eigenen Seele, wie ein Lockruf, vielleicht auch wie ein Wink oder ein Fingerzeig.

 

WAS FÜR EINEN WERT HAT DIE STILLE, DAS SCHWEIGEN?

WAS BRINGT DIE EINKEHR, DIE BESINNUNG?

 

Dazu eine Geschichte:

Zu einem Einsiedler kamen Leute und fragten ihn:

“Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben in dieser Stille und Einsamkeit? Was für eine Bedeutung hat für dich die Einsiedelei?“

Der Mönch war gerade dabei, im Klosterhof mit einem Eimer Wasser aus dem Brunnen zu holen. Er sagte zu den Besuchern: „Schaut in den Brunnen, was seht ihr da?“

Sie schauten hinein. „Wir sehen nichts.“

Nach einer Weile forderte der Mönch die Besucher noch einmal auf, in den Brunnen zu schauen. Als sich die Leute über den Brunnenrand beugten, fragte er sie: „Was seht ihr jetzt?“

Sie antworteten: „Jetzt sehen wir wie sich der Himmel im Wasser spiegelt und wir sehen uns selbst.“ Und was seht Ihr noch? Schaut in die Tiefe!“ sagte der Mönch. „Wir sehen den Boden, wir sehen bis auf den Grund“, erwiderten die Leute.

„Seht ihr, sagte der Mönch, das ist die Erfahrung der Stille, das ist der Wert des Schweigens. Du siehst den Himmel. Du siehst dich selbst. Du blickst durch bis auf den Grund.“

 

Als der Mönch das Wasser schöpfte, war es in Bewegung, in Unruhe. Es war unklar. Die Leute sahen nichts.

Das ruhige Wasser aber spiegelte den Himmel und die Leute sahen sich selbst.

 

Stille und Schweigen machen uns fähiger zum Aufnehmen, zum Empfangen, zum Wahrnehmen. Wir erkennen uns selbst.

Das ruhige Wasser lässt bis auf den Grund blicken.

In der Stille blicken wir durch. Wir entdecken unsere Tiefe.

 

Aber auch Verdrängtes und Weggeschobenes kann hoch kommen, Ängste, Sorgen, Misstrauen, Rachegedanken, Schuldgefühle… – Deswegen scheuen manche die Stille oder halten sie nur schwer aus.

Stille und Schweigen vermögen zu klären, zu reinigen.

Die Dinge setzen sich. Leben ordnet sich.

 

Meine Erfahrung ist: Wenn man mit sich selbst zur Ruhe kommt, wenn es still in einem wird, wenn auch das Ich schweigt, dann sieht man die Welt und das Leben mit anderen Augen.

Und noch etwas: Ich vermag auch besser auf Gott zu hören, auf sein Wort, auf seine Klopfzeichen, auf seine leise Stimme in mir.

Wenn ich nämlich laut bin, dann ist Gott nicht noch lauter.

Gott lärmt nicht. Er dröhnt uns nicht zu.

 

Wichtig aber ist, nicht nur den äußeren Lärm zu meiden und sich der Flut der Worte zu entziehen, sondern auch das Gebrodel der Gedanken zu beruhigen und den schrillen Chor der inneren Stimmen zum Schweigen zu bringen.

 

Man muss still sein, schweigen und warten, um zu erfahren, dass Gott nicht im Erdbeben ist, nicht im Sturm oder im Feuer, sondern im leisen Säuseln des Windes, in der „Stimme verschwebenden Schweigens“, wie Martin Buber übersetzt.

 

Das ist die Erfahrung, die Elija am Berg Horeb macht.

Das ist die Erfahrung auch vieler Gestalten der christlichen Spiritualität, angefangen von den Wüstenvätern über die Mystiker bis hin zu Therese von Lisieux, Br. Konrad von Parzham oder Edith Stein: Die Stille ist der Raum der Gottesbegegnung. Das Schweigen der Ort seiner besonderen Nähe und Gegenwart.

 

In der Stille des Herzens, da, wo ich nicht mehr plane und überlege, wo ich nicht mehr über andere nachdenke und urteile, beurteile, verurteile, da, wo ich auch aufhöre, mich selbst zu bewerten, da wird Gott in mir geboren.

 

Im Schweigen, wenn ich alles loslasse und mir keine Gedanken mehr machen, auch nicht über Gott, da zeigt sich Gott als der Nahe, als der, der da ist. Und in Gott erfahre ich dann mein wahres Selbst. Ich werde frei von allem Zwang, mich beweisen, mich rechtfertigen, mich erklären zu müssen.

Und das ist unwahrscheinlich entlastend und befreiend. Es macht ruhig und gelassen.

 

So gesehen sind in der Tat – nach einem Wort von Friedrich Nietzsche „die größten Ereignisse nicht die lautesten, sondern unsere stillsten Stunden.“

Oder wie Sören Kierkegaard sagt:

„Wenn alles still ist, geschieht am meisten“.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ob die Ferien- und die Urlaubszeit nicht auch Gelegenheit sein könnte, dann und wann die Stille zu üben und ab und zu für Schweigen zu sorgen?

 

Zum Beispiel: Einfach eine Weile in einer Kapelle sitzen, still sein, sich Gott hinhalten, ohne Druck, nichts müssen: nichts machen, nichts leisten, nichts sagen, nichts fragen. Einfach da sein.

„Ich schaue Gott an und Gott schaut mich an.“

Oder an einen Baumstamm lehnen und sich von der Sonne bescheinen lassen. „Gottes Liebe ist wie die Sonne.“

Oder am Ufer liegen, im Gras und die sanften Wellen eines Sees hören. „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer…“

Oder zuhause auf dem Balkon sitzen, die Augen schließen und sich vom sanften Windhauch streicheln lassen. „Herr, deine Liebe…wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.“

Nichts denken, nichts machen, nur spüren und verkosten.

Sich von Gott lieben lassen und sich getröstet und gestärkt fühlen.

 

Gott im sanften Hauch, im verschwebenden Schweigen, in der Stimme der Stille. Gott ist ein Freund der Stille.

„Hüte die Stille und die Stille wird dich hüten!“

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