„Richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun aber
nicht, was sie sagen.“
– Ein hartes Wort, das Jesus einmal über die Hohenpriester und Ältesten
sagt.
Demgegenüber berichtet das Evangelium an
einer anderen Stelle, wie Jesus einmal ganz spontan in ein jubelndes
Gebet ausbricht:
„Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels
und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den
Kleinen aber offenbart hast.“
Was für eine eigentümliche Erfahrung muss
Jesus gemacht haben, dass er einerseits vor einer ganz bestimmten
Menschengruppe warnt und sich andererseits über eine andere Art von
Menschen freut!
Jesus hat die Erfahrung gemacht, dass
Menschen auf sein Reden und Tun ganz unterschiedlich reagieren.
Die „Kleinen“, die Fischer vom See
Genesaret, die Hausfrauen von Karfarnaum, die einfachen Leute öffnen
sich seinem Wort und folgen seinem Ruf. Selbst die Sünder, die Zöllner
und Dirnen, besinnen sich und lassen sich zur Umkehr bewegen. Sie ändern
ihr Leben. Sie verwandeln ihr ursprüngliches Nein in ein Ja.
Die aber, die von Amts wegen den Willen
Gottes aufs genaueste kennen, die Schriftgelehrten und Pharisäer – das
ist die andere Erfahrung, die Jesus macht – sie verschließen sich seiner
Botschaft. Sie reagieren skeptisch, kritisch, ablehnend.
Warum sollen sie auch umkehren, sie, die
meinen, gut zu sein und alles recht zu machen, sie, die überzeugt sind,
Gott zu gefallen? Sie hüten die jüdischen Überlieferungen, sie achten
peinlich genau auf die Gebote, sie beobachten alle religiösen
Vorschriften. Warum sich ändern? Hat man doch gar nicht nötig. Niemand
kann ihnen etwas vorwerfen. Und sie selbst haben sich auch nichts
vorzuwerfen. Nichts vermag sie aufzurütteln. Sie verharren
unerschütterlich in ihrer Selbstgerechtigkeit.
Und doch ist ihr scheinbar intakter
Glaube vielfach nur Fassade; der Gottesdienst äußere Pflichterfüllung,
ihre Gebete sind weithin Lippenbekenntnisse und ihren guten Taten
stellen sie zur Schau.
Zum Herzen dieser Menschen findet Jesus
nur schwer oder gar keinen Zugang. Sie selbst machen ihm gegenüber zu,
nehmen Anstoß an ihm, ärgern sich über ihn. Vor allem sein Verhalten
Dirnen und Zöllnern gegenüber – in ihren Augen ganz schlimme und
verwerfliche Sünder – ist ihnen ein Dorn im Auge. Wie kann man sich nur
mit solchen Menschen abgeben! Da gilt es, sich abzugrenzen, ganz klar
und strikt Distanz zu halten. Aber was tut Jesus? Er isst und trinkt
sogar mit ihnen! Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern! Jesus in
schlechter Gesellschaft!
Wer sich mit solchem „Gesindel“
einlässt, kann der ein Prophet sein, kann der von Gott kommen?
Unmöglich!
Mit
dem Gleichnis von den beiden ungleichen Söhnen verteidigt Jesus sein
Verhalten den Sündern gegenüber. „Amen, ich
sage euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Himmelreich als ihr!“
Nicht lange Reden und Bescheid wissen
über die Auslegung der Gebote bis ins Detail hinein ist wichtig und
ausschlaggebend, sondern das Tun des Willens Gottes, Umkehr.
„Nicht jeder, der zu mir sagt Herr, Herr kommt in das Himmelreich,
sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“,
sagt Jesu in der Bergpredigt.
Das Ja-Sagen zu Gottes Wort und Gottes
Willen genügt nicht. Das Tun ist entscheidend. Die Taten zählen.
Nicht auf gut formulierte Ansichten und
Stellungnahmen in religiösen Dingen kommt es an, nicht einmal auf das
laute Bekenntnis im Gottesdienst, sondern auf das praktisch und konkret
gelebte Christsein im Alltag, auf die Liebe.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir, die wir heute hier sind, haben wohl
grundsätzlich „Ja“ zu Gott gesagt. Wir erfüllen unsere religiösen
Pflichten, gehen sonntags in die Kirche, gehen zur Kommunion, verrichten
unsere täglichen Gebete, halten, wenn möglich, das Freitagsgebot, legen
Wert auf den Blasiussegen und das Aschekreuz, machen Wallfahrten, gehen
vielleicht auch ab und zu noch zur Beichte usw.
Die Frage ist:
wie lebendig ist unser Glaube wirklich? Oder ist er – trotz allen
äußeren Frömmigkeitsübungen – im Grunde leer und hohl,
Gewohnheitsglaube, zur Routine erstarrt?
Gleichen wir jenem Sohn, der zwar „Ja“
sagt, aber den Willen des Vaters dann doch nicht ernst nimmt, der zwar
„Ja“ sagt, aber das Ja nicht tut, es nicht umsetzt, es nicht konkret
werden lässt?
Wir brauchen immer wieder eine
Erneuerung, liebe Schwestern und Brüder! Wir brauchen gewissermaßen eine
Auffrischung unseres Glaubens.
Jesus ruft uns heute auf, unser müde
gewordenes „Ja“ zu Gott wieder lebendig werden zu lassen. Er ruft uns
auf, zum ursprünglichen „Ja“ und zur „ersten Liebe“
zurückzukehren.
Fragen wir uns zum Beispiel:
-
Ich glaube an Gott.
Habe ich auch eine wirklich innere tiefe Verbindung zu ihm?
Versuche ich auch tagsüber und bei aller Arbeit in der Gegenwart
Gottes zu leben? Kann ich echt und persönlich beten?
-
Ich
kenne das Gebot der Nächstenliebe. Liegt mir an meinen
Mitmenschen? Kümmere ich mich um sie?
-
Ich
bete täglich im Vaterunser: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch
wir vergeben unseren Schuldigern.“ Wie viele Gehässigkeiten
und Feindschaften gibt es unter Christen, obwohl sie sonntags
nebeneinander in der Kirche sitzen?
-
Meine
missionarische Gesinnung. Versuche ich auch in „weltlicher“
Umgebung, z. B. in der Arbeitswelt, den Geist des Evangeliums
hineinzutragen?
-
Die
Bibel ist für mich Gottes Wort. Lese ich öfter darin? Vor
allem: lebe ich auch damit?
Im Gleichnis von den zwei ungleichen
Söhnen geht es um Umkehr. Ein Nein zu Gott kann immer wieder umgewandelt
werden in ein Ja. Jeder konkrete Schritt, auch der kleinste, durch den
wir etwas in unserem Leben zu ändern beginnen, ist wichtiger als lange
Reden und Diskussionen.
Doch schieben wir die Umkehr nicht auf
die lange Bank. Diese ist bekanntlich des Teufels liebstes Möbelstück.
Von Martin Buber ist das Wort überliefert:
„Die große Schuld des Menschen, sind nicht die Sünden, die er begeht –
die Versuchung ist mächtig und seine Kraft gering –. Die große Schuld
des Menschen ist, dass er jederzeit die Umkehr tun kann und nicht tut.“
Jeder Tag, liebe Schwestern und Brüder,
ist ein neuer Anfang, ein neuer Anfang, unser Nein in ein Ja zu
verwandeln, aber nicht nur Ja zu sagen und es dabei zu belassen, sondern
das Ja zu tun.
Jeder Tag ist ein neuer Anfang, unser Ja
zu leben, es im Alltag aufscheinen und durch konkretes Handeln lebendig
werden zu lassen.
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