Exerzitien mit P. Pius

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Selig seid ihr

4. Sonntag im Lesejahr A; Mt 5, 1 - 12a

Evangelium

Selig, die arm sind vor Gott

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus

In jener Zeit,

1als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm.

2Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach:

3Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.

4Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.

5Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.

6Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.

7Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.

8Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.

9Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.

10Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.

11Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen.

12aFreut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.

 

 

Von Gandhi, dem großen Kämpfer für die Unabhängigkeit Indiens, dessen Todestag sich morgen (30.01.2023) zum 75. Mal jährt, von ihm wird berichtet, dass er einmal vor einer großen Menschenmenge reden sollte. Er kam und stand eine Weile schweigend da. Schließlich zog er ein kleines Buch hervor, die Bibel. Er las daraus die Seligpreisungen vor. Dann sagte er: „Mehr habe ich euch nicht zu sagen. Geht nach Hause und denkt darüber nach!“

 

Das sagt ein Nichtchrist. Er ist fasziniert von der Lehre Jesu.

Er hält es für erstrebens- und lohnenswert, sich damit zu befassen. Lohnenswert sicher auch in dem Sinne, dass dort, wo jemand etwas vom Geist der Seligpreisungen versteht und anfängt, aus diesem Geist zu leben, dass dort nicht alles so bleibt, wie es ist, sondern dass sich dort etwas verändert zum Guten hin, zu mehr Gerechtigkeit, zu mehr Barmherzigkeit, zu mehr Versöhnung, zu mehr Liebe und Frieden.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Vom heutigen Sonntag an begleitet uns – bis zum Beginn der Fastenzeit – die Bergpredigt Jesu. Und die Seligpreisungen bilden den Auftakt. Sie sind sozusagen das Tor zur Bergpredigt.

 

In den Seligpreisungen Jesu schlägt das Herz Gottes ganz unmittelbar. Sie sind gleichsam der Kern des Evangeliums. Sie sind eine Art Magna Charta des Christentums. Ihrer Form nach sind es Glückwünsche bzw. Verheißungen, ihrem Inhalt nach Einlassbedingungen für das Reich Gottes.

 

Wie die gesamte Bergpredigt haben auch diese Seligpreisungen immer wieder fasziniert, sogar Nichtchristen. Siehe Gandhi! Andererseits hat die Bergpredigt aber auch – wegen ihrer Unbedingtheit – viele erschreckt. Kaum eine andere Bibelstelle fordert so heraus wie die Bergpredigt.

 

Kein Wunder, dass man versucht hat, ihre Weisungen zu entschärfen und sie z.B. als bloße Mönchsregeln abzutun. Aber Jesus wendet sich nicht an einen exklusiven Kreis. Seine Predigt gilt nicht bloß ein paar besonders tüchtige Elitechristen. Er meint alle Glaubenden zu allen Zeiten.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Jünger und Jüngerin Jesu sein bedeutet, sich immer wieder einüben in jene Grundhaltungen, die die Seligpreisungen beschreiben. Dazu bedarf es eines ständigen Umsinnens, Umdenkens und Umkehrens. Denn in den Seligpreisungen werden ja unsere gängigen Werte umgedreht. Was Jesus verkündet, ist dem, was wir sonst hören und wie man gewöhnlich lebt, entgegengesetzt.

 

Jesus sagt ja nicht: Glücklich sind die Gesunden, die Dynamischen, die Gewinner, die Erfolgreichen, die Leistungsstarken.

Jesus sagt genau das Gegenteil. Selig sind die Armen, die Trauernden, die Gewaltlosen und Barmherzigen.

 

Jesus preist die glücklich, die in einer erbarmungslosen Welt versuchen – wahrscheinlich oft vergebens – Gerechtigkeit, Frieden und Barmherzigkeit zu schaffen.

„Selig“ nennt er all die, die um ihre eigene Armut wissen und ihre eigene Bedürftigkeit – in welcher Form auch immer – zu spüren und wahrzunehmen vermögen, all die, die mit Gott rechnen, ihm vertrauen und sich ganz auf ihn verlassen.

„Selig“ nennt Jesus nicht jene, die über Leichen gehen, die nur sich selbst kennen, denen es nur um ihren eigenen Profit und ihr eigenes Prestige geht und die dabei andere kaltblütig ausnutzen. In Jesus Augen sind sie arm-selig und finden nur schwer Zugang zum Reich Gottes.

 

Mit dem „selig“ meint Jesus diejenigen, die immer wieder an ihre Grenzen stoßen, die noch verletzlich sind, die sich einzufühlen und mitzufühlen vermögen, und alle, die vor Gott mit leeren Händen stehen und deswegen offen sind für das, was Gott schenken kann und schenken will.

 

Glücklich, ja selig sind, die sich nicht verlassen auf das, was sie haben und schaffen, machen und leisten, sondern auf das, was sie vor Gott sind: Menschen, von ihm gewollt, von ihm gerufen, mit Namen sogar. Sie sind Kinder Gottes. Ihre Würde ist es, von Gott geliebt, von ihm angenommen und sein Ebenbild zu sein.

 

Glücklich, ja selig sind, die verwundbar sind und trauern können. Die nicht zur Tagesordnung übergehen und sagen: Die Welt ist halt so; da kann man nichts machen. Vielmehr werden sie sich treffen lassen vom Leid anderer. Sie werden empfindsam sein, mit-leiden und sich solidarisch zeigen. Das ist der Anfang einer neuen Welt.

 

Glücklich, ja selig sind, die in einer so gefährlichen Welt keine Waffen tragen. Auch nicht die Waffen der Zunge und des Geistes. Nicht die Waffen einer brillanten Rhetorik oder raffinierten Taktik. Die auf das Recht des Stärkeren verzichten, auf Macht und Gewalt, sondern Werkzeuge der Versöhnung und des Friedens sind.

 

Glücklich, ja selig sind, die es nicht nötig haben, Überlegenheit zu zeigen, aufzutrumpfen, ständig im Mittelpunkt zu stehen und dabei andere in den Schatten zu stellen. In ihrer Wehrlosigkeit sind sie glaubwürdig. Sie schaffen Nähe und Zärtlichkeit.

 

Glücklich, ja selig sind, die leidenschaftlich darauf warten, dass Gottes Wille geschieht. Sie erkennen die Zeichen der Zeit. Sie sehen tiefer. Sie lassen sich nicht mit Banalitäten volllaufen. Sie gehen nicht jeder Verlockung auf den Leim. Sie lassen sich nicht von rein vordergründigen Zielen leiten. Sie sind aufmerksam für Gottes Winke, für seine Stimme, für seine Zeichen. So bauen sie mit an einer sinnvollen Zukunft.

 

Glücklich, ja selig sind, die ein lauteres Herz haben. Die arglos und gerade denken. Die nicht mit den Wölfen heulen. Die ihrer Intuition mehr trauen als den Winkelzügen einer Welt der Berechnung, die nur nach Nutzen und Effekt fragt. Sie werden lernen, in ihrem Innern die wirkliche Sehnsucht zu entdecken, ihr Raum zu geben und ihr Herz ganz und ungeteilt an Gott zu hängen.

 

Glücklich, ja selig sind, die erkennen, dass sie bei weitem und nicht in allem ihres eigenen Glückes Schmid sind, dass die entscheidenden Dinge im Leben geschenkt sind, und dass vor Gott letzten Endes alle Empfangende sind.

 

Liebe Mitchristen!

M. Gandhi hat nach einer Stille der versammelten Menschenmenge die Seligpreisungen vorgelesen. Dann hat er sie aufgefordert, nach Hause zu gehen und darüber nachzudenken.

 

Ob die Seligpreisungen auch uns über den Gottesdienst hinaus beschäftigen? Es sind Zusagen, Verheißungen. Es sind Einladungen. Es sind Worte, die in uns das Vertrauen und die vorbehaltlose Überlassung auf Gott hin erwecken und stärken wollen.

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