Wenn Jesus vom Himmelreich redet, erzählt
er Gleichnisse über Gleichnisse. Er sucht immer neue Bilder, um deutlich
zu machen, was es mit der Herrschaft Gottes auf sich hat. In immer neuen
Anläufen und Vergleichen versucht er, die Geheimnisse des Gottesreiches
seinen Zuhörern nahe zu bringen.
So
erzählt Jesus auch
das Gleichnis von dem Mann, der beim Pflügen auf einen vergrabenen
Schatz stößt. (In einer Region, wo so viele Kriege und politische
Unruhen herrschten wie in Palästina und zu einer Zeit, da es noch keine
Tresore und Safes gab, war das Vergraben von Schmuck, Geld und anderen
Wertsachen durchaus möglich, vor allem in kritischen Zeiten. Dann musste
man vielleicht fliehen oder kam um und das Versteck wurde erst viel
später durch Zufall entdeckt.)
Der Mann in der
Geschichte, die Jesus erzählt, ist hocherfreut, als er auf den Schatz
stößt. Allerdings: Ihm selber gehört der Acker nicht. Er ist nur ein
Knecht, vielleicht auch nur ein Tagelöhner. (Heute würden wir sagen: Ein
Saisonarbeiter oder ein 400-Euro-Jobber.) – Klar, dass er den Schatz,
koste es, was es wolle, gern hätte. Aber dazu muss er, wenn es
rechtmäßig zugehen soll, den Acker kaufen. Keine Frage, kein Zögern.
Alles setzt er ein. Sein ganzes Hab und Gut gibt er dran. Aber das stört
ihn nicht. Der Schatz im Acker ist es ihm wert. Das ist der
Glücksfund seines Lebens. Alles setzt er auf eine Karte. Er wäre ja
verrückt, wenn er nicht zugreifen würde. Selbstverständlich, ja mit
Freude gibt er dafür alles hin.
Im
zweiten Gleichnis
stößt ein reicher Perlenhändler auf eine äußerst schöne und überaus
kostbare Perle. Und auch er lässt es sich alles kosten, um an die Perle
zu kommen. Nichts ist ihm zu viel. Diese Perle ist der Glücksfund
seines Lebens. Selbstverständlich gibt er dafür alles hin, nicht
griesgrämig, sondern gern. Es fällt ihm gar nicht schwer. Es macht ihm
überhaupt nichts aus. Im Gegenteil!
So
ähnlich muss Charles de Foucauld gegangen sein:
Der junge Offizier verzichtet auf eine glänzende Karriere und zieht sich
in die Wüste zurück, um sich in der Einsamkeit dem Gebet zu widmen.
Oder
Mutter Teresa:
Als Lehrerin gibt sie ihre sichere Stellung und ein bequemes Leben auf,
um sich für die Ärmsten der Armen einzusetzen.
Oder
Franziskus:
Der reiche Kaufmannssohn wählt die Armut. Er, der Anführer der Jugend
von Assisi geht zu den Aussätzigen und pflegt sie.
Drei Beispiele von vielen.
Was brachte solche Menschen dazu, alles aufzugeben, was sonst Menschen
für erstrebenswert halten?
Es
gibt darauf nur eine Antwort:
Sie hatten etwas gefunden, was ihnen unendlich wichtiger und
faszinierender erschien! Sie hatten die „kostbare Perle“, den „Schatz im Acker“ entdeckt, für den es sich lohnt, alles
dranzugeben.
Mir
kommt auch Maria Magdalena in den Sinn,
die Heilige, deren Gedenktag am 22. Juli gefeiert wird. Sie hatte
Heilung aus ihrem Elend gesucht. Sie war von sieben Dämonen besessen,
das heißt sie steckte in vielen und ganz schlimmen Zwängen und
Abhängigkeiten. Jesus hat sie davon befreit. Aber was sie gefunden hat,
war mehr als nur Gesundung an Leib und Seele. Ihr Glücksfund wurde Jesus
selbst. Er hat ihr Leben völlig umgekehrt. Er hat ihrem Leben neuen Sinn
gegeben. Sie wurde Jüngerin Jesu, schloss sich ihm an und zog mit ihm
hinauf nach Jerusalem. Jesus war ihr Ein und Alles. Sie stand zu ihm
mutig und treu bis unters Kreuz.
Ich
denke auch an Ignatius,
dessen Fest die Kirche am 31. Juli feiert: Er schlug die militärische
Laufbahn ein. Aber bei der Verteidigung von Pamplona zerfetzte eine
Kanonenkugel nicht nur sein Knie, sondern machte auch seiner Karriere
ein jähes Ende. Ein Schuss vor den Bug!. Auf seinem monatelangen
Krankenlager las er, was ihm in die Hände kam. Als nichts anderes mehr
da war griff er auch zu einem Leben-Jesu-Buch und Heiligenlegenden,
Lektüre, die er in gesunden Tagen nie in die Hände genommen hätte.
Plötzlich stand ihm glasklar vor Augen: Nicht kriegerische Heldentaten
sind sein Lebensziel, sondern Christusnachfolge ist seine Berufung, sich
ganz in den Dienst Gottes stellen, ihm zur Ehre und den Menschen zum
Heil und Segen. Gott trat beherrschend in die Mitte seines Lebens. Der
überraschende Fund wurde für Ignatius zur Lebenswende. Ganz neue
Perspektiven und Ziele taten sich ihm auf.
Mir
fällt auch Christophorus ein,
dessen Gedächtnis die Kirche am 24. Juli begeht. Er war wie der
Perlenkaufmann im Evangelium ein Sucher, ein Gottsucher. Sein Leben
lang, so erzählt die Legende, war dieser Riese namens Offerus auf der
Suche nach dem Mächtigsten: Nur ihm wollte er dienen. So kam er zu einem
König, der weit und breit der mächtigste und größte war. Doch dieser
König bekreuzigte sich jedes Mal, wenn vom Teufel die Rede war. Also
trat Offerus in den Dienst des Teufels. Dieser hatte jedoch samt seinem
Heer eine Heidenangst vor jedem Kreuz und machte jedes Mal einen großen
Bogen darum. Also machte sich der Riese auf die Suche nach Christus. Ein
Einsiedler gab ihm den Rat, zu fasten und zu beten. Doch das konnte der
Riese nicht. Also sollte er Menschen über einen reißenden Fluss helfen.
Das tat er. Als eines Tages ein Kind hinübergetragen werden wollte,
erlebte er die Überraschung seines Lebens. Das Kind wurde ihm nämlich
schwer und immer schwerer. Das Wasser schwoll hoch an und er sank immer
tiefer. Fast wäre er ertrunken. Am Ufer erkannte er Christus, den er
getragen hatte. „Christophorus“ hieß er nun: „Christusträger“.
Der große Sucher hatte seine „Perle“ gefunden, für die sich jeder
Einsatz lohnt.
Gewöhnlich meint man,
dass es bei den beiden Gleichnissen vom Schatz im Acker und von der
kostbaren Perle um die Forderung nach radikaler Hingabe geht, um die
Aufforderung zu äußerster Entsagung. Das ist jedoch nicht der Fall. Der
Verzicht, das Opfer ist nicht die Mitte und das Eigentliche dieser
Gleichnisse, die Jesus erzählt.
Die
entscheidenden Worte im Evangelium heißen vielmehr: „Voll Freude ging er hin“. Voll Freude verkaufte er alles. Die
Freude ist das Ausschlaggebende, die Freude über den Wert des Schatzes,
die Freude über die Kostbarkeit der Perle.
Der
Landarbeiter und der Kaufmann
erleben die Überraschung ihres Lebens. Voll Freude verkaufen sie
alles, was sie haben. Nicht griesgrämig und mürrisch, nicht fluchend und
schimpfend, sondern voll Freude. Der radikale Verzicht fällt gar nicht
schwer. Die Ganzhingabe geschieht nicht gezwungen, sondern freiwillig,
vor allem aber gern, freudig. Die entscheidende Antriebskraft ist die
Freude. Alles verblasst vor dem Glanz des Gefundenen. Alles andere ist
gar nicht mehr wichtig. Es ist entbehrlich. Es ist gering im Vergleich
mit dem Glücksfund, dem Schatz im Acker, der kostbaren Perle.
Franziskus
war alles andere als traurig, als er alles aufgab und ein neues Leben
anfing. Singend verließ er den Platz vor dem Bischofspalast, nachdem er
alles, was er besaß, seinem Vater zurückgegeben hatte. Er fühlte sich
frei und froh.
Und
in Portiunkula
klatscht er in die Hände, als er das Evangelium von der Aussendung hört.
Freudig ruft er aus: „Das ist es, was
ich will! Das verlange ich zu tun aus ganzem Herzen!“
Der verborgene
Schatz, dem gegenüber alles andere klein und
unbedeutend wird, so dass es fröhlich hingegeben werden kann, ist im
letzten und tiefsten kein Sachgut, keine theoretische Erkenntnis, keine
bessere Lebensqualität. Es ist das, was allein einen Menschen erwecken
und erfüllen kann, die Begegnung mit einem lebendigen Du, einer Person,
die einen ansieht, ruft und liebt.
Der
Schatz der Schätze
ist Jesus Christus, seine Botschaft, sein Wort, seine Zuwendung und
Zuneigung, seine Güte und sein Erbarmen, die bedingungslose Hingabe und
Liebe Jesu.
Das ist auch die Erfahrung des Apostels
Paulus.
Als er im Gefängnis sitzt
und zurückblickt auf die Zeit vor seiner Christusbegegnung beim Ereignis
vor Damaskus schreibt er:
„Was mir damals ein Gewinn
war, das habe ich um Christi willen als Verlust erkannt. Ja, noch mehr:
Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines
Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte
es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein.“
Der
Apostel
bereut nichts. Rückblickend sagt er: Es war total richtig, dass ich mich
auf Jesus Christus und seine Botschaft eingelassen habe. Es war total
richtig, ihm zu folgen und seinen Weg zu gehen. Der hohe Einsatz ist
verrückt, aber er ist es wert. Für den Apostel und unzählige nach ihm
ist die „Erkenntnis Jesu Christi“, das heißt die Begegnung mit Jesus
Christus zum „Glücksfund“ ihres Lebens geworden.
Franz von Assisi
konnte stundenlang beten: „Mein Gott und mein Alles.“ Und in
seinem Lobpreis von La Verna: „Du, aller Reichtum zur Genüge.“
Theresia von Avila:
„Wer Gott hat, hat alles. Gott nur genügt.“
Möge Gott uns die Gnade schenken, unseren Schatz immer mehr in Gott und
seinem Reich zu suchen, damit unser Herz immer tiefer, immer liebender
bei im ist. Denn Jesus selbst sagt: „Wo dein
Schatz ist, da ist auch dein Herz.“
Noch ein Gedanke:
Viele gewissenhafte
Christen sind immer noch von der Angst geprägt. Sie dienen Gott und
halten seine Gebote, aber nicht weil sie Freude daran haben, sondern
weil sie Strafe fürchten. Sie tragen statt eines Schatzes eine
Zwangsjacke durchs Leben.
Wie
wohltuend
hebt sich davon die Botschaft der beiden Gleichnisse ab, wo das „Reich Gottes“, das heißt unsere Beziehung zu Gott, zu Jesus Christus mit
Kostbarkeiten verglichen wird, etwas ganz, ganz Kostbares, das Entzücken
hervorruft, Freude, übergroße Freude und überhaupt nichts mit Angst zu
tun hat.
Wer
Gott zur Mitte seines Lebens macht, wie Charles de Foucauld, Mutter
Theresa, Franz von Assisi, der hat schon das „wahre Leben“
gefunden und er darf sich wie die beiden Menschen im Evangelium maßlos
freuen.
Wer
Jesus entdeckt hat – wie Maria von Magdala, Paulus, Ignatius, dem
verblassen vor Freude über diese Entdeckung, diesen Glücksfund, alle
trügerischen Freuden. Die wahren aber beginnen zu leuchten.
Ein freudloses Christentum ist deshalb
kein gutes Christentum. Das heutige Evangelium ist eine besonders Frohe
Botschaft.
|