EVANGELIUM
Wer nicht sein
Kreuz auf sich nimmt, ist meiner nicht würdig. -
Wer euch
aufnimmt, nimmt mich auf
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit sprach Jesus zu
seinen Aposteln:
37Wer
Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn
oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
38Und
wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mit nachfolgt, ist meiner nicht würdig.
39Wer
das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen
verliert, wird es gewinnen.
40Wer
euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der
mich gesandt hat.
41Wer
einen Propheten aufnimmt, weil er ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten
erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil er ein Gerechter ist, wird den Lohn
eines Gerechten erhalten.
42Und
wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken
gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um
seinen Lohn kommen.
Wenn Sie
solche Worte wie eben im Evangelium hören, wie geht es Ihnen dabei?
Nicht wahr,
dieses Evangelium kann einen erschrecken. Das sind ganz harte Forderungen.
Als erstes
sagt Jesus: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
ist meiner nicht würdig!“
Ist das nicht
anmaßend? Wer darf so etwas fordern? Außerdem, was ist mit dem 4. Gebot? Gilt
das nicht mehr?
Der Schlüssel zum
Verständnis steckt in den beiden kleinen Worten: „mehr als“.
„Wer Vater
oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig!“ – „mehr als mich“ –
Jesus missachtet
nicht die Liebe zu Vater und Mutter.
Aber wer sich für
ihn entscheidet, wer ihm nachfolgen und sein Jünger sein will, der muss
Prioritäten setzen.
Das 4. Gebot ist
nicht das erste. Und die Elternliebe kann keine absolute Geltung beanspruchen.
Im Konfliktfall
geht die Beziehung zu Jesus Christus und in ihm zu Gott, unserem Vater, vor.
Schon der
12-Jährige im Tempel antwortet seinen Eltern, als sie ihn fragen: „Kind, warum hast du uns das angetan?“ – „Wusstet ihr nicht, dass
ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“
Gott gebührt der
erste Platz. ER soll in der Mitte stehen. Mehr als jemandem sonst gebührt IHM
Ehre und Liebe. Die Beziehung zu IHM ist erstwichtig. Die Verbindung mit IHM hat
Vorrang vor allem anderen.
Vielleicht wird
das ein wenig mehr einsichtig und besser verständlich, wenn wir einen Blick auf
die zwischenmenschlichen Beziehungen werfen:
Manche Ehekrise
hat ihren Grund darin, dass die Loslösung vom Elternhaus nicht erfolgt ist. Das
Mutter-Tochter oder Mutter-Sohn-Verhältnis ist zu eng.
Wenn einer der
Partner von der Elternliebe völlig beansprucht ist und damit im Grunde gebunden
und besetzt, ist der Versuch, eine neue Bindung einzugehen, fast von vornherein
zum Scheitern verurteilt.
Eine wirkliche
eheliche Partnerschaft kann nicht entstehen.
Wer heiraten will
muss sich „abnabeln“ von zu Hause.
Die
ausschließliche Elternliebe muss abgelöst werden zugunsten von etwas Neuem und
Größerem. Sie muss weitergeführt werden zur ehelichen Liebe.
Sehen Sie: So wie
die elterlichen Bindungen geöffnet werden müsse für die eheliche Liebe, so
ähnlich ist es in der Beziehung zu Jesus Christus:
Wer andere oder
anderes mehr liebt als ihn, kann nicht sein Jünger sein. In seiner Nachfolge
relativiert sich alles.
Sogar die
stärksten Bindungen, die es gibt, die biologischen Bindungen der Blutsbande,
müssen aufgebrochen werden zugunsten der neuen Beziehung, der Beziehung zu IHM.
Es ist eine Frage
der Liebe. Und es geht um die echte, tiefe und innige Bindung zu Jesus Christus.
Und dafür nicht blockiert zu sein, sondern frei, nicht besetzt, sondern offen.
Darum geht es.
Noch etwas: Die
Worte Jesu: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht
würdig“, oder „wer den Sohn oder die Tochter mehr liebt als mich, ist
meiner nicht würdig“, diese Worte sind gar nicht anmaßend, wenn wir
bedenken, dass wir es in Jesus nicht nur mit einem Menschen, sondern mit Gott zu
tun haben.
Wer sich auf
Jesus Christus einlassen will, muss wissen, dass er sich damit auf Gott
einlässt. Gott aber ist ernst zu nehmen. Er ist der Höchste, der Herr. Alles
andere, Menschen und Dinge, sind ihm nachzustellen.
Das ist das
Radikale am Evangelium. „Euch soll es zuerst um das
Reich Gottes gehen!“
Liebe Schwestern
und Brüder!
Das heutige
Evangelium mit seinen unerhörten Forderungen ist anstößig. Es entspricht nicht
unserem Lebensgefühl.
Aber vielleicht
brauchen wir auch immer wieder solche Anstöße.
Vielleicht ist es
gut, dass sich das Evangelium nicht ohne weiteres unserem Leben anschmiegt,
sondern provoziert, herausfordert, uns unruhig und nachdenklich macht.
Mir stellen sich
verschiedene Fragen:
Welchen Rang
nimmt Gott wirklich ein in meinem Leben?
Welchen
Stellenwert hat er? Steht er über allem?
Ist er und ist
die Beziehung zu ihm die Hauptsache in meinem Leben? Oder rangiert er unter
„ferner liefen“?
Wie steht es mit
meiner entschiedenen Zuwendung zu Christus ohne Wenn und Aber?
Ist er für mich
der Weg, die Wahrheit und das Leben, der Weinstock, ohne den ich keine Zukunft
habe?
Am Schluss mag
ein Text von dem Schweizer Kapuziner Anton Rotzetter stehen und noch einmal
alles auf den Punkt zu bringen, Worte, in denen ich mich selbst 100-prozentig
wieder finden kann:
„Die
selbstherrlichen Wege verlassen und den Weg Jesu gehen, und das mit aller
Hingabe. – Die eigenmächtigen Gedanken aufgeben und die Gedanken Jesu denken,
und das mit aller Hingabe. – Die ichbezogenen Ziele loslassen und das Ziel Jesu
verfolgen, und das mit aller Hingabe.“
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