Jeder
Schüler würde sich wohl darüber freuen, wenn er schon vor der
Klassenarbeit die Fragen wüsste, die dann kommen und die er zu
beantworten hat. Das wäre toll!
Denn dann
könnte er sich ganz gezielt darauf vorbereiten und sich mit allen
Kräften darauf einstellen.
Jesus hat
im Voraus gesagt, was er jeden Menschen einmal fragen wird. Wir haben es
so eben im Evangelium gehört.
Wir
wissen also, was Sache ist. Wir wissen, worauf es ankommt.
Und wir
sind in der glücklichen Lage, jetzt schon etwas dafür tun zu könne. Wir
können uns jetzt schon dafür bereiten. Wir können uns jetzt schon darauf
einstellen.
Am Ende
unseres Lebens werden wir gefragt: „Was hast du gemacht aus deinem
Leben?“
Das fragt
uns aber nicht einer aus einer Prüfungskommission, der die Punkte
unserer Leistungen zusammenzählt.
Das fragt
uns auch nicht ein Gebote-, Verbote-, oder Aufpassergott.
„Was hast du gemacht aus deinem Leben?“
Der uns
das fragt, ist der, der Mensch geworden ist, einer von uns, unser
Bruder.
Das fragt
uns der, der das Leben mit uns geteilt hat, der Freude und Leid erfahren
hat wie wir.
„Was hast du gemacht aus deinem Leben?“
Das fragt
uns der, der ein Freund der Armen und Kranken war.
Das fragt
uns der, dessen Wirken den Ausgegrenzten galt, den Schwachen und in
Schuld verstrickten.
Das fragt
uns der, der will, dass wir einander lieben, wie er uns geliebt hat.
Das fragt
uns der, der uns in der Fußwaschung ein Beispiel dienender Liebe und
liebender Hingabe geschenkt hat.
Und wenn
der uns fragt, was wir gemacht haben aus unserem Leben, dann will er
nicht wissen, was wir alles haben kaufen und uns leisten können. Er
fragt auch nicht, wie reich wir waren, was wir alles besessen haben oder
wohin wir reisen konnten.
Es mag sehr überraschen:
aber hier, im letztgültigen Moment, werden wir auch nicht nach der
Religion oder Konfession gefragt, auch nicht nach dem Gottesdienstbesuch
oder dem Empfang der heiligen Sakramente, weder nach Eucharistie noch
Liturgie, auch nicht nach Wallfahrten, die wir gemacht haben, auch nicht
nach der Einhaltung von Glaubenslehren, geschweige denn nach den vielen
Dingen, von denen die Beichtspiegel voll sind.
Der
Weltenrichter fragt nach ganz anderen Sachen.
Er fragt
nach dem Butterbrot, das wir einem geschmiert haben, der Hunger hatte.
Er fragt
nach dem Glas Wasser, das wir einem gereicht haben, der Durst hatte.
Er fragt
nach dem Mantel, den wir einem übergezogen haben, der fror, nach dem
Besuch, den wir am Krankenbett gemacht haben.
Er fragt
nach dem freundlichen Wort, das wir in aller Hektik doch noch übrig
hatten für einen anderen.
Er fragt
nach dem Trost, den wir gespendet und nach der Hilfe und Güte, die wir
einem anderen in Not erwiesen haben.
Lauter
kleine Dinge, die wir uns gar nicht gemerkt haben.
Getan –
und schon wieder vergessen. Nicht der Rede wert.
Aber für
den, der nach unserem Leben fragt, für den, der uns fragt, was wir
gemacht haben aus unserem Leben, für den ist es der Rede wert.
Eine Legende berichtet
von einem Menschen, der unversehens starb und nun vor den himmlischen
Richterstuhl treten musste.
Beklemmung stieg in ihm auf, denn die Bilanz seines Lebens erwies sich
als ziemlich dürftig.
Vor ihm
eine lange Reihe. Er wartete und hörte genau zu.
Zum
ersten in der Reihe sprach der Herr, nachdem er die große Liste
durchgesehen hatte: Ich finde hier: als ich Hunger hatte, gabst du mir
zu essen. Gut so! Geh ins Paradies!
Zum
zweiten sagte er: Ich hatte Durst und du gabst mir zu trinken.
Zum
dritten: Ich war im Gefängnis und du hast mich besucht.
Und so
weiter. Bei jedem der ins Paradies geschickt wurde, prüfte sich der
Mensch. Seine Beklemmung nahm zu.
Er hatte
weder Gefangene noch Kranke besucht. Jetzt kam er an die Reihe. Voller
Furcht schaute er auf zum Herrn.
Christus
erhob die Augen und sagte zu ihm:
Viel
steht da nicht. Doch etwas hast auch du getan:
Ich war
traurig, mutlos, niedergeschlagen und du bist gekommen und hast mir
lustige Sachen erzählt.
Du hast
mich zum Lachen gebracht, du hast mich froh gemacht, du hast mir wieder
Mut gemacht. Gut so! Geh ins Paradies!
Elisabeth von Thüringen
hat nicht nur Hungrige gespeist und Kranke gepflegt. Ein Wort von ihr
lautet: „Ich habe immer gesagt, dass wir die
Menschen froh machen müssen.“
Nicht
wenige Menschen können anderen Menschen nicht mehr durch ihren Einsatz
und durch ihr Zupacken helfen. Sie sind nicht mehr in der Lage durch
soziale Dienste und caritatives Tun anderen beizustehen. Sie schenken
aber ihren Mitmenschen ihr Gebet.
Ich kenne
viele betagte Ordensschwestern, die nicht mehr viel machen und leisten
können, die sehr gebrechlich sind, vielleicht sogar bettlägerig. Aber
sie falten die Hände, sie beten den Rosenkranz, sie tragen ihre
Angehörigen, ihre Gemeinschaft, ihre Pfarrgemeinde, die Kirche, ja die
ganze Welt zu Gott.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir haben
vielleicht am Schluss unseres Lebens keine großen Werke vorzuweisen.
Aber es müssen auch gar keine großen sein. Worauf es ankommt ist die
Liebe. Allein die Liebe zählt.
Und der
Mensch, der nächstbeste Mensch, was wir einem von ihnen getan haben, das
haben wir IHM getan.
Vom heiligen
Albert stammt das Wort:
„Wer
seinem Nächsten zu Hilfe kommt in seinem Leid, sei es geistlich oder
weltlich, dieser Mensch hat mehr getan als derjenige, der von Köln bis
Rom bei jedem Meilenstein ein Münster errichtetet.“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Im
Gegensatz zu Schülern vor der Klassenarbeit wissen wir, wonach wir
einmal gefragt werden am Ende unseres Lebens.
Wir
wissen, was dann Gewicht hat und worauf es ankommt.
Jesus hat
es uns gesagt. Im Evangelium heute haben wir es gehört.
Und so
können wir uns jetzt schon ganz gezielt darauf vorbereiten.
Wir
können hier und heute schon alles dafür tun, dass wir am Ende auf der
Seite des Lebens und des Heiles stehen, dass wir zum Leben finden in
Gottes Licht und in seiner Freude.
Am
Schluss unseres Lebens wird es die Liebe sein, nach der wir gefragt
werden.
So
gesehen, liebe Schwestern und Brüder, entscheidet gar nicht der
Weltenrichter, wer auf die Seite des Lebens kommt oder nicht. Wir selber
haben es in der Hand.
Wir
selber zeigen durch unser Tun oder Nichttun, ob wir in tödlicher Ferne
von Gott leben oder in heilvoller Gemeinschaft mit ihm.
Die Liebe zum Nächsten ist der Maßstab.
Auf die
täglich geübte, praktisch und konkret gelebte Liebe kommt es an. Sie
entscheidet. Allein die Liebe zählt.
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