ERSTE LESUNG
Du hast um
Weisheit gebeten
Lesung aus dem ersten Buch der
Könige
In jener
Tagen
5erschien
der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus,
die ich dir gewähren soll.
7Und
Salomo sprach: Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht anstelle meines Vaters
David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie ich
mich als König verhalten soll.
8Dein
Knecht steht aber mitten in deinem Volk, das du erwählt hast: einem großen Volk,
das man wegen seiner Menge nicht zählen und nicht schätzen kann.
9Verleih
daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das
Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Wer könnte sonst dieses mächtige Volk
regieren?
10Es
gefiel dem Herrn, dass Salomo diese Bitte aussprach.
11Daher
antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um
langes Leben, Reichtum oder um Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten
hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen.
12Sieh,
ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und
keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.
Traumhaft, das Angebot Gottes in der ersten Lesung an Salomo, einen
Wunsch äußern zu dürfen – nicht wahr, wie im Märchen.
Und was wünscht
sich der junge König?
Nicht Reichtum,
kein langes Leben, nicht den Niedergang seiner Feinde oder gehorsame Untertanen,
auch nicht Gesundheit, was doch wirklich ein ganz hohes Gut ist, auch nicht Ehre
oder Macht und Ansehen noch sonst etwas, was wir vielleicht für erstrebens- und
wünschenswert hielten.
Salomon wünscht
sich ein „hörendes Herz“.
Alles andere
stellt er hinten an. Es rangiert unter „ferner liefen“.
Gegenüber dem „hörenden Herzen“ ist für ihn alles andere zweit- und drittrangig.
„Ein
hörendes Herz“
– ein Wunsch, der Gott gefallen hat!
Liebe
Mitchristen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!
Bewusst spreche
ich Sie einmal so an.
Hören-können, gut
hinhören, zuhören ist eine Tugend und eine Kunst. Und es ist etwas ganz
Wichtiges und Wesentliches, wo immer Menschen zusammenleben.
Wir können
hinhören und weghören; wir können überhören und gespannt zuhören; wir können ein
„offenes Ohr“ haben und uns auch taub stellen.
Einander anhören,
gut zuhören, den anderen ausreden lassen, ihn nicht ständig mit den eigenen
Gedanken unterbrechen, gar nicht so einfach! Wie oft gelingt das nicht!
Gespräche
missglücken, eskalieren oder man redet aneinander vorbei, Missverständnisse
entstehen, ein Wort gibt das andere, Streit flammt auf usw.
Ist es Ihnen auch
schon so ergangen? Jemand spricht mich an und will mir etwas sagen. Während er
noch redet, höre ich schon nicht mehr richtig hin oder nur mit halbem Ohr, weil
ich bereits dabei bin zu überlegen, wie und was ich antworten kann. Was der
andere wirklich sagt und meint, geht an meinen Ohren vorbei. Zu sehr bin ich mit
mir selbst und meiner Antwort beschäftigt.
Ehepartner, die
auf diese Weise miteinander reden oder streiten, wissen ihre eigene Antwort
schon, bevor der Partner ausgeredet hat.
Die
Schriftstellerin Luise Rinser schildert ein Gespräch im Zug, dessen Zeugin sie
zufällig wurde.
Ein Ehepaar und
ein einzelner Herr unterhalten sich. Das Gespräch nimmt folgenden Verlauf:
Das
Ehepaar: „Wir kommen von Kiruna, Schweden. Großartige Landschaft!“ – Der
Herr: „Ich habe Land gekauft in Spanien, an der Costa Brava.“ – Das
Ehepaar: „In Kiruna gibt es herrliche Hotels, großen Komfort, prima Küche.“
– Der Herr: „Immer mehr deutsche kaufen sich Land in Spanien.“ – Das
Ehepaar: „Wir haben uns echt schwedische Rezepte geben lassen. Aber in
Düsseldorf gibt es die Zutaten nicht.“ – Der Herr: „Die Grundstückspreise in Spanien steigen jetzt sehr.“
Von diesem
Scheingespräch sagt Luise Rinser, dass es ihr vorkam, wie eines der
unheimlichen, aberwitzigen Stücke des modernen absurden Theaters.
Traurig, wenn
einer dem anderen nicht zuhört!
Zuhören ist eine
Tugend und eine Kunst. Es setzt voraus, dass ich von mir selbst Abstand nehme
und mich dem anderen öffne.
Nur wer sich
innerlich auftut und auch still sein kann und schweigen, ist ein wahrhaft
Hörender.
Nur wer von sich
selbst loskommt, kann dem Partner Gehör schenken.
Zuhören-können
ist eine Gabe, um die man sich im täglichen Miteinander bemühen muss. Da ist
noch kein Meister vom Himmel gefallen. Es braucht Übung, viel Übung!
In der
geistlichen Begleitung erlebe ich es oft, wie zufrieden, erleichtert oder gar
beglückt jemand ist, wenn er/sie einmal alles sagen kann, was ihn/sie bewegt,
was beunruhigt, bedrängt, quält oder auch freut und glücklich macht.
Fragen wir darum
täglich: Öffne ich dem andern, z.B. dem Ehepartner, dem Mitbruder, der Kollegin
Ohr und Herz?
Achte ich als
Mann bzw. Frau darauf, was den Partner bewegt, was er/sie mitteilen und
vielleicht auch loswerden will?
Es ist so wichtig
für ein gutes Miteinander im Allgemeinen und für den Bestand einer Ehe im
Besonderen.
Denn wenn das
innere Ohr ertaubt, ist es um das Zusammenleben geschehen!
So gesehen,
ist es nützlich, heilsam und gut, sich die Bitte Salomos zu eigen zu machen:
„Herr, gib mir ein hörendes Herz!“
Ein Herz, das
offen und empfänglich ist, ein Herz das aufmerksam ist und verständig, ein Herz,
das dem anderen zugewandt ist.
Dieses „hörende Herz“ gilt es immer wieder einzuüben:
offen sein auf
den andern hin und auf Gott; sensibel, aufmerksam, achtsam, spürig und fühlig
für das, was der andere mir sagen und zeigen will.
„Mit dem
Herzen“ hören
bedeutet letztlich mit Interesse und vor allem „mit Liebe hören“.
Was wir selbst
mitbringen müssen ist ein wenig Zeit.
Zeit hat man
gewöhnlich nicht. Man muss sie sich nehmen.
Ohne das Geschenk
der Zeit nützen fast alle Gespräche nichts.
Zeit für den
anderen, Zeit für den Freund, Zeit für den Partner, Zeit für Gott.
Zeit ist eines
der wertvollsten und schönsten Geschenke, die wir machen können!
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