Das heutige Evangelium steht in einem
auffälligen Gegensatz zu dem vom vergangenen Sonntag. Erinnern Sie sich?
Jesus hat da die Frage gestellt:
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Und Petrus hat hochherzig
geantwortet: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“
– Jesus hat Petrus daraufhin seliggepriesen und ihn dazu bestimmt, Fels
der Kirche zu sein. Er hat ihm die Schlüsselgewalt übergeben, die
Vollmacht zu binden und zu lösen.
Doch jetzt,
nur sechs Verse später, nennt Jesus diesen Petrus knallhart „Satan“,
also Widersacher, Feind Gottes. Welch krasser Gegensatz! Welch scharfe
Zurechtweisung!
Wie
kommt es zu dieser harten und schroffen Reaktion Jesu? Was ist der Grund
dafür?
Sehen Sie:
Gleich nach dem feurigen Messiasbekenntnis des Petrus, beginnt Jesus
aufzuzeigen, wie sein Schicksal aussehen wird. Er spricht von seinem
Leiden und Sterben, das ihn in Jerusalem erwartet. Sein Weg führt in die
Erniedrigung und in den Tod.
Für Petrus ist
dieser Gedanke unmöglich, ja geradezu eine Zumutung. So hat er sein
Messiasbekenntnis nicht verstanden.
Und darum macht er
Jesus Vorwürfe und protestiert: „Das soll Gott verhüten! Das darf
nicht mit dir geschehen!“
„Messias“
heißt für Petrus:
Macht und nicht Ohnmacht! Sieger und nicht Verlierer! Herrschaft, doch
nicht Ohnmacht und Leiden! Erfolg und nicht Scheitern!
In
seinem Bild vom Messias
hat das Kreuz keinen Platz. Dass der Messias leiden muss, das ist für
ihn unvorstellbar. Das kann nicht sein, das darf nicht sein! Petrus hat
ganz andere Erwartungen an den Messias. Ein leidender Messias ist für
Petrus absolut unfassbar. Der passt nicht in sein Konzept.
Doch Jesus
hat bereits seine Passion, seinen Kreuzweg im Blick. Er sieht: sein Weg
führt hinauf nach Jerusalem, jedoch nicht in die Königsburg auf dem
Zion, sondern nach Golgatha.
Petrus
missversteht die wahre Sendung Jesu. Er liegt sozusagen völlig daneben.
Er hat nicht im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Er
denkt ganz in menschlichen Maßstäben und Kategorien. Und wenn er
Jesus von seinem Weg abbringen will und ihn daran hindern will, der
Passion entgegenzugehen, dann ist das für Jesus eine teuflische
Versuchung, dann tritt Petrus als „Satan“ an ihn heran, als einer
der täuscht und in die Irre führt.
Schon einmal hat
der Teufel versucht, Jesus von seiner Sendung abspenstig zu machen, in
der Wüste, nach seinem 40-tägigen Fasten. Und er hat es mit allen
Mitteln versucht.
Damals hatte der Satan ihm zugeflüstert:
-
„Schaff Brot für die Menschen! Und du wirst ganz groß
herauskommen!“
-
„Wirk ein
spektakuläres Wunder auf dem Tempelplatz, zieh eine Show ab und du
wirst ganz oben sein, der King, der Superstar. Alle werden dich
verehren und umjubeln.“
-
„Bete mich an, den Dämon der Macht, und du gewinnst
die ganze Welt!“
Jesus lehnte diese verführerischen Angebote
allesamt ab, immer mir dem Hinweis auf Gott. Er widerstand. Er
verweigerte den Griff nach der Macht. Er verzichtete auf die Show, auf
die Sensation.
Die letzte teuflische
Versuchung tritt an Jesus am Kreuz heran, wo die Spötter rufen: „Wenn du der Messias bist, dann steig herab vom Kreuz.“ Das wäre
die Sensation gewesen. Jesus tat es nicht. Er blieb. Er hielt aus.
Er hielt durch bis zum Ende. Er bewahrte die Gleichförmigkeit mit dem
Willen des Vaters.
Auch jetzt
widersteht Jesus dem Petrus gegenüber in dieser für ihn teuflischen
Versuchung.
„Ich komme, um deinen Willen zu erfüllen“,
so steht es groß über dem Leben Jesu. Immer war es seine Speise, den
Willen Gottes zu tun.
Petrus
jedoch muss sich sagen lassen, dass er nicht denkt, was Gott will,
sondern was die Menschen wollen. Es bleibt ihm nicht erspart,
umzusinnen, umzudenken, umzuschwenken auf Gottes Gedanken. Petrus
muss den Weg Jesu und seine wahre Sendung erst noch verstehen lernen.
Ein langer, schmerzlicher Weg des Loslassens steht ihm bevor, des
Loslassens der eigenen Gedanken und Vorstellungen, der eigenen Ziele und
Pläne, ein Lernprozess, der nicht von heute auf morgen zu bewältigen
ist, sondern – auch bei Petrus – Jahre lang dauert, ja bis zum
Lebensende geht. „Quo vadis, domine?“ fragt Petrus Jesus
der Legende zufolge, als er am Schluss seines Lebens dabei ist, noch
einmal dem Leiden auszuweichen und dem Kreuz zu entfliehen.
Das Messiasbekenntnis
des Petrus ist das eine, das Messiasschicksal annehmen ist das
andere!
Das
äußere Bekenntnis
zu Jesus kann leicht sein. Wie oft und schnell sprechen und bekennen
wir: „Du allein bist der heilige, du allein der Herr, du allein der
Höchste, Jesus Christus!“
Aber
der Nachvollzug, das Leben dieses Bekenntnisses im Alltag, das Stehen zu
Jesus Christus, das Zeugnis geben auch wenn es schwierig wird, das Gehen
SEINES Weges, das IHM Folgen auf seinem Weg und auch sein Schicksal
teilen... Wie schwer kann das sein!
Ich
meine,
wir sind dem Petrus gar nicht so unähnlich. Sind seine Worte „das
soll Gott verhüten“ nicht oft auch unsere Worte?
Meinen wir nicht auch
manchmal genau zu wissen, was sich gehört, wie Gott zu sein hat, was
sein darf und was nicht? Versuchen wir nicht auch immer wieder, Gott
nach unseren eigenen Vorstellungen zurechtzurücken? Und zimmern wir uns
nicht manchmal einen Glauben, der ganz behaglich und vernünftig ist, ein
Wohlfühlglaube, möglichst leicht, möglichst angenehm?
Ist
es nicht so,
dass wir manchmal auch versuchen, den Herrn wie Petrus zur Seite zu
ziehen, um ihn für unsere Zwecke zu vereinnahmen? Ist es nicht so,
dass auch wir bisweilen – wie Petrus – dem Herrn entgegentreten,
um ihm zu sagen, wo der Spaß aufhört und wo es lang zu gehen hat,
anstatt ihm nachzufolgen?
Nicht wahr,
wir sind gar nicht so viel anders als Petrus. Der Satan steckt nicht nur
in ihm, sondern auch in jedem von uns. Auch wir sträuben uns
gegen das Leid und scheuen vor dem Kreuz zurück. Auch wir möchten
lieber auf bequemen Wegen zum Ziel gelangen. Wir möchten das Kreuz
meiden, dem Leid aus dem Weg gehen, die Schattenseiten und Widrigkeiten
des Lebens fliehen.
Aber, liebe Schwestern und Brüder,
es gibt keine heile Welt. Es gibt nicht den Himmel auf Erden. „Unter
jedem Dach“, so sagt ein Sprichwort „gibt es ein Ach“. Ich
bin sicher: Auch jeder von uns hier hat sein Päckchen zu tragen.
Immer wieder erfahren wir, wie uns etwas
gegen den Strich geht. Immer wieder erfahren wir, wie unser Leben durch-kreuzt
wird. Immer wieder führt das Leben in Krisen, in
Sackgassen, in Dunkelheiten.
Es gibt kein Leben ohne Leid. Es gibt
kein Leben ohne Schmerzen, ohne Verwundungen, ohne Enttäuschung. Es gibt
kein Leben ohne Schuld. Trauer, Einsamkeit, Krankheit und am Schluss der
Tod. Kein Weg führt daran vorbei. Kein Menschenleben bleibt davor
bewahrt.
Jesus
hat das Leiden nicht gesucht. Wie sehr war seine Seele erschüttert, wie
sehr litt er am Ölberg Todesängste!
Aber er stellte sich der unausweichlichen
Realität des Leidens.
Er
ist nicht davor geflohen. „Vater, nimm diesen
Kelch von mir, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst!“
Auch wir brauchen
das Kreuz nicht zu suchen. Wir brauchen uns keines zu zimmern. Es ist
einfach da in vielfältiger Form. Wir werden es unvermeidlich auch dort
spüren, wo wir unsere eigenmächtigen Gedanken loslassen und mit
Leidenschaft die Gedanken Gottes denken. Wir werde es spüren, wo wir
unseren Egoismus verleugnen und die selbstherrlichen Wege verlassen, um
in Treue und mit Hingabe die Wege Gottes gehen.
„Weg mit dir, Satan!“
ruft Jesus Petrus zu. Wörtlich: „Hinter
mich!“
Mir nach! Wieder in meine Spur! Auf
meinen Weg!
„Hinter mich!“
Dort ist der Platz des Jüngers, des Schülers. Da ist der Platz der
Nachfolge.
Jesus
lädt auch uns
ein, das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen ernst zu nehmen, uns den
Widrigkeiten des Lebens zu stellen und uns entschieden damit
auseinanderzusetzen.
Auf
einem Abreißkalender fand ich das Wort: „Gott bewahrt nicht vor allem Leid, aber
in allem
Leid.“ Wie wahr! „Gott bewahrt nicht vor allem Leid, aber
in allem
Leid.“ Gott hilft uns nicht am Leid vorbei, aber er
hilft uns hindurch.
Jesus
kennt den Weg vom Leiden zum Leben. Sein Kreuz wurde zur Brücke des
Lebens, sein Tod zum Tor des Himmels.
Wenn ich
mit Jesus SEINEN Weg gehe, dann verheißt er mir nichts Geringeres, als
dass ich durch Kreuz und Leid zur Auferstehung komme. Wenn ich
mit Jesus SEINEN Weg gehe, wenn ich mich zu ihm bekenne, wenn ich sage
und zeige, dass ich zu ihm gehöre, wenn ich konsequent und überzeugend
mein Christsein lebe und mich nicht einfach dem Zeitgeist anpasse, wird
das nicht ohne Spannungen, ohne Reibungen und Konflikte gehen. Ich werde
immer wieder meinem Egoismus absagen müssen. Ich werde die Härte des
Kreuzes spüren.
Wenn ich
auf Jesus höre und Jesus folge auf SEINEM Weg, werde ich aber auch die
befreiende und erlösende Kraft des Kreuzes erfahren.
Im
„Gotteslob“
gibt es ein Gebet, das ich gern und oft bete. Es lautet:
„Herr Jesus Christus, du
hast mich berufen, dass ich mit dir zum Vater gehe.
Mit dir will ich allzeit
auf dem Weg bleiben. Sei das Wort, auf das ich höre und dem ich folge.
Sei das Licht, das mich erleuchtet. Sei die Kraft, die mich erfüllt. Sei
der Beistand, der mich nicht verlässt. Mach mich immer mehr eins mit
dir. Und las mich zur ewigen Vollendung gelangen.“
(Seite 30 oben)
Seien wir gewiss:
Wir sind nie allein. „Ich bin bei euch alle Tage“, sagt und
verheißt Jesus den Seinen vor seiner Auffahrt in den Himmel. Seien
wir gewiss: Er, der Herr ist immer bei uns und er geht alle Wege mit
uns, auch die rauhen und steilen und schweren. „Gottes Kraft geht
alle Wege mit“, heißt es in einem Lied.
Von Alfred Delp stammt
das Wort: „Wir können dem Leben trauen, weil wir es nicht allein
zu leben haben, sondern weil Gott es mit uns lebt“ . Und der
Apostel Paulus bekennt im Brief an die Römer: „Nichts kann uns
scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserem
Herrn!“ (8, 39)
„Bitten wir um den Beistand der Heiligen Jungfrau, die als erste und bis
zum Ende Jesus auf dem Weg des Kreuzes gefolgt ist. Sie helfe uns,
entschlossen hinter dem Herrn zu gehen, um schon jetzt – auch in der
Prüfung – die Herrlichkeit der Auferstehung zu erfahren.“
(Papst Benedikt XVI.)
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