Eine Frau legt sich mit Jesus an. Sie
streitet regelrecht mit ihm. Es ist ein zähes, konsequentes Ringen. Und
nicht Jesus siegt am Schluss, sondern die Frau.
Sie bezwingt ihn. Jesus gibt sich
geschlagen. Zuletzt erfüllt er ihre Bitte doch.
Darf man sich eigentlich so mit Jesus,
dem Boten Gottes anlegen? Ist das die Art mit dem „Sohn Davids“ –
wie ihn die Frau selbst nennt –, zu verhandeln? Müssen wir Gottes Willen
und alles, was er uns an Leid und Schwerem schickt nicht hinnehmen?
Ich kenne eine Frau – sie ist vor einem
Jahr verstorben – deren Lebensmotto war: „Durchhalten, Aushalten,
Maulhalten!“
Ist alles Aufbegehren, Recht haben
wollen, den eigenen Willen durchsetzen wollen, dem göttlichen Ratschluss
und dem, was er für uns bestimmt hat, nicht zuwider? Müssen wir uns
seinem Plan nicht fügen und uns seinem Willen beugen? Also doch:
„Durchhalten, Aushalten, Maulhalten?“ – Ist alles andere nicht
Ungehorsam gegenüber Gott? Darf man Gott widersprechen? Darf man mit ihm
hadern, mit ihm streiten und kämpfen?
Die Frau im Evangelium tut es. Sie ringt
hartnäckig mit Jesus um die Erfüllung ihrer Bitte.
Jesus sagt am Schluss zu ihr:
„Was du willst soll geschehen.“
Jesus fordert keine abstrakte,
vorschnelle Ergebenheit in den Willen Gottes. Im Gegenteil: Wir
dürfen ihn anbetteln, anflehen, laut um Hilfe rufen, zu ihm schreien.
Wir dürfen mit ihm argumentieren und ringen – wie diese Frau!
-
Die Psalmenbeter tun es auch. Überhaupt
passiert es im Alten Testament oft, dass ein Mensch mit Gott rechtet, streitet,
verhandelt, kämpft.
-
Denken wir an Abraham, wie er mit Gott
die Zahl der Gerechten herunterhandelt, wie er geradezu feilscht,
damit die Städte Sodom und Gomorra verschont bleiben (Gen 18,
20 - 32).
-
Denken wir an Hiob, wie er Gott gar vor
das Gericht zitiert, um ihm Treuebruch vorzuwerfen. Und doch lässt
er sich von seinem Glauben an den unbegreiflichen Gott nicht
abbringen, auch durch Gott selber nicht.
-
Denken wir an Jakob, wie er an der Furt
des Jabbok mit Gott ringt: „Ich lasse dich nicht, es sei denn du
segnest mich!“ Zur Morgenröte verlässt Jakob zwar hinkend, aber
tatsächlich gesegnet den Kampfplatz.
Sehen Sie, liebe Schwestern und Brüder!
Die
Frau tut, was viele religiöse Gestalten getan haben: Sie ringt mit Gott.
Sie sagt nicht: Da kann man nichts machen. Das ist mein Schicksal. Ich
kann’s nur hinnehmen, auf mich nehmen, mich hineinschicken, es in Gottes
Namen erdulden und ertragen. „Durchhalten,
Aushalten, Maulhalten!“
Nein,
die Frau nimmt es nicht so ohne weiteres hin. Sie ist nicht gewillt zu
resignieren. Sie vertraut vielmehr auf den Heilswillen Gottes. Sie
verlässt sich auf einen Gott, der die Menschen nicht niederbeugen und
klein machen, sondern ihnen Helfer und Retter sein will.
Und
deshalb
gibt sie nicht allzu schnell klein bei, sondern bleibt dran, wehrt sich,
kämpft für ihr krankes Kind und für sich selbst. Sie ringt mit Gott um
Zukunft und Leben, Heil und Heilung.
Sie vertraut dem Heilswillen Gottes.
Und darum klagt sie nicht über die
zugeschlagene Tür, sondern schiebt energisch in den offen gebliebenen
Spalt ihren Fuß.
„Frau, dein Glaube ist groß!“
sagt Jesus. Er lobt ihren Glauben. Und dabei ist sie eine Heidin! Man
muss sich das einmal vorstellen! Ausgerechnet eine Ausländerin und
Heidin ein Beispiel für Glauben!
Wie oft muss Jesus den Glauben der Jünger
anmahnen: „Habt ihr denn keinen Glauben?“ „Wo ist euer
Glaube?“ – „Du Kleingläubiger!“ sagt Jesus zu Petrus.
Liebe Schwestern und Brüder! Gelegentlich kommen wir in ähnliche Situationen wie die
heidnische Frau. Wir stehen gleichsam mit dem Rücken zur Wand. Und es
scheint, dass wir vergeblich zu Gott beten. Alles Rufen und Bitten
erreicht nicht sein Ohr. Er schweigt. All unsere Hoffnung auf Gott
scheint ins Leere zu gehen. Vergeblich wenden wir uns an ihn. Es kommt
keine Antwort.
Wenn es so geht, erinnern wir uns dann an
diese Frau!
Ihr Schreien um Hilfe, ihr Glauben an
seine Gerechtigkeit und Liebe, war es nicht zunächst ein einziges
Frustrationserlebnis?
Gewiss,
sie hat Jesus dann doch bezwungen. Aber vergessen wir nicht, was
vorausging! Zuerst das Schweigen Jesu. Keine Antwort. Sie war für
ihn wie Luft. Dann die Abweisung mit der Begründung, er sei nur
zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt! Dann der
demütigende Vergleich mit den Hunden!
Wenn also jemand meint,
er sei von Gott vergessen und verworfen, steht er dann nicht da, wo die
Frau eben noch stand? Macht er dann nicht durch, was auch sie erlebt
hat?
Aber das Großartige, Ermutigende und Beispielhafte:
Trotz allem, was ihr widerfährt, die Frau gibt nicht auf. Sie probiert
es immer wieder noch einmal. Sie sucht ihre Chance.
Und
wie gesagt:
Als sie ihren Fuß im Türspalt hatte, hat sie ihn nicht mehr
herausgenommen.
„Frau, dein Glaube ist groß! Wie du
willst, soll dir geschehen!“
In
der heidnischen Frau
haben wir ein Vorbild. Sie zeigt uns, was eine Bittende vermag. Sie
zeigt uns die enorme Wirkkraft des Vertrauens in Gottes helfende Güte,
und rettendes Erbarmen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt einen Glauben, der nicht nur
Berge versetzt, sondern auch das Herz Gottes öffnet.
|