EVANGELIUM
Jesus verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, im Gebiet von Sebulon und
Naftali; denn es sollte sich erfüllen, was durch Jesaja gesagt worden ist
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
12Als
Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach
Galiläa zurück.
13Er
verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von
Sebulon und Naftali.
14Denn
es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist:
15Das
Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des
Jordan, das heidnische Galiläa:
16das
Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im
Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.
17Von
da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.
18Als
Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus,
und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren
Fischer.
19Da
sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern
machen.
20Sofort
ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
21Als
er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und
seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten
ihre Netze her. Er rief sie,
22und
sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.
23Er
zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium
vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.
Ist das
nicht leichtsinnig, was Simon und Andreas da machen?
Da kommt
ein Wildfremder, so hat es den Anschein, und – mir nichts, dir nichts –
fordert er sie auf, alles liegen und stehen zu lassen und mit ihm zu
gehen. Keine Begründung, keine Erklärung.
Und – so
heißt es – „sofort“ – folgten sie Jesus. Keine Diskussion, kein
Nachfragen, kein Aufschieben, kein Vielleicht.
Und kurz
darauf passiert bei einem anderen Brüderpaar dasselbe.
Auf den
bloßen Zuruf Jesu brechen auch Jakobus und Johannes ihre Arbeit ab,
verlassen Haus und Besitz, hängen sozusagen alles an den Nagel und
schließen sich „sogleich“ Jesus an.
Ist denn
so etwas realistisch und möglich? – frag ich mich und werden Sie sich,
liebe Mitchristen, wohl auch fragen.
Auch frag
ich mich, was wohl der Vater Zebedäus sich gedacht und gesagt haben mag,
als sich seine zwei Söhne – von jetzt auf nachher – aus dem Staub
gemacht und die Arbeit und den Broterwerb für die Familie ihm allein
überlassen haben.
Und die
Frau des Simon Petrus? Was mag in ihr vorgegangen sein, wie mag sie sich
gefühlt haben, als ihr Mann Hals über Kopf wegging und sie und die
Kinder zurückließ?
Und dann
sollen diese Berufenen auch noch „Menschenfischer“ werden.
Menschenfänger? Andere ködern, ihnen etwas überstülpen, sie
vereinnahmen?
Ehrlich
gesagt: „Gefischt“, geschnappt, gefangen werden, das ruft bei mir
Abwehr hervor. Das klingt irgendwie mehr nach Unheil als nach Heil, mehr
nach Verderben als nach Rettung.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Kein
leicht verständliches Evangelium! So manche Ungereimtheit! Wie soll man
sich das alles vorstellen und erklären?
Ich
denke, wir kommen dem Sinn am ehesten auf die Spur, wenn wir – erstens –
davon ausgehen, dass Jesus für diejenigen, die er in seine Nachfolge
ruft, kein Wildfremder war, und – zweitens – , wenn wir uns klar zu
werden versuchen, was der Evangelist seinen Adressaten, den Menschen für
die er das Evangelium aufschrieb, sagen wollte.
Zum
ersten:
Man darf
davon ausgehen – und ein Blick auf das Johannesevangelium (z.B. 1, 39)
legt das nahe – dass Jesus den jungen Fischern schon länger bekannt war.
Sie haben
ihn predigen gehört und die Macht seiner Worte hat sie beeindruckt. Was
er sagte und wie er es sagte, dazu was er tat, Krankenheilungen,
Dämonenaustreibungen usw., das war echt staunenswert. Und es war
überzeugend. Worte und Taten deckten sich. Seine Zusage der Nähe Gottes
wurde spürbar in der Zuwendung zu den Armen, in der Heilung von Kranken,
in seinem Erbarmen mit den Sündern.
Von Jesus
ging eine ganz starke und einmalige Ausstrahlung ausging. Die Jünger
spürten: Da redet und handelt einer voll göttlicher Macht.
Zum
zweiten:
Was will
der Evangelist seiner Gemeinde sagen?
Es geht
ihm nicht um einen Bericht, sondern um eine katechetische Unterweisung.
Thema
seines „Unterrichts“ ist die „Nachfolge Christi“ – wie sie von
allen Christen gefordert ist.
Dabei
lassen sich drei Gesichtspunkte erkennen, die Matthäus den Adressaten
seines Evangeliums nahebringen will.
Erstens:
Die Wörter „sofort“ und „sogleich“.
So
reagieren nämlich die Angerufenen: unverzüglich!
Der
Evangelist will sagen: Wenn du den Anruf Jesu vernimmst, dann gibt es
nichts wichtigeres, als ihm zu folgen.
Die
Begegnung mit Jesus relativiert alle bisherigen Pflichten und Werte, ja
kann sie sogar auf den Kopf stellen. Was bisher erstwichtig war, wird
zweit- und drittrangig.
Der
Anspruch Jesu duldet kein Zögern und keinen Aufschub.
Das Zweite, was auffällt: Die Berufenen sollen von jetzt ab gar nichts
so ganz anderes machen. Es gibt etwas Gleichbleibendes, eine gewisse
Kontinuität zwischen ihrer bisherigen Tätigkeit und ihrer zukünftigen.
Bisher
haben sie Fische gefangen, in Zukunft werden sie ihre Kunst auf Menschen
anwenden.
Dabei ist
bedeutsam, dass in dem griechischen Wort, das mit „fangen“
wiedergegeben ist, das Wort „Leben“ steckt.
„Fangen“
meint also nicht Unfreiheit oder Unheil und Verderben. Wörtlich
übersetzt muss es heißen: „zum Leben fangen“.
Das
Netz, das Petrus und die anderen von nun an auswerfen sollen, ist das
rettende Netz des Erbarmens.
Die
Fischer werden – und das ist das Dritte, was wir erkennen können
– von Jesus in Dienst genommen als seine Mitarbeiter und sollen das, was
er tut weitertun, sein Werk fortsetzen.
Als
Apostel, Gesandte, sollen sie Menschen für das Reich Gottes, das Reich
der Ewigkeit, gewinnen.
Die
Jünger nehmen also teil am Auftrag und an der Sendung Jesu, aber auch an
seinem Leben und seinem Schicksal.
Später wird Jesus sagen:
„Wie mich der Vater
gesandt hat, so sende ich euch!“
Der
selige Charles de Foucauld schreibt in einem Brief:
„Ich
weiß nicht, wozu Gott Sie ruft, aber ich weiß sehr gut, wozu er alle
Christen aufruft, Männer und Frauen, Priester und Laien, Ledige und
Verheiratete: Apostel zu sein, Apostel durch das Beispiel, durch Güte,
durch wohlwollende Begegnung, durch herzliche Zuneigung, die Gegenliebe
weckt und zu Gott führt.“
Charles
de Foucauld weist darauf hin, was unser aller Sendung und Auftrag ist:
Apostel zu sein, missionarisch zu sein, Bote, Botin des Glaubens, der
Hoffnung und der Liebe, durch unser Wort und unser Beispiel.
Und dazu,
– um Jesu Arbeit heute weiter zu tun, um Menschen von ihm zu erzählen,
um seine Zeugen zu sein, Boten der Liebe und Werkzeuge des Friedens –
muss man nicht Theologie studiert haben, man muss nicht im kirchlichen
Dienst stehen, man muss kein Hauptamtlicher sein.
Sind
nicht Eltern und Großeltern die ersten und berufensten Glaubensboten
ihrer Kinder und Enkelkinder?
Gott
braucht Menschen. Gott braucht uns.
Jesus
ruft auch uns, ihm zu folgen, auf ihn zu schauen, von ihm zu lernen, aus
seiner Gesinnung zu leben und seine Boten und Zeugen zu sein mit unserem
ganzen Leben.
Lass mich
erkennen, guter Gott, wo ich nötig bin.
Lass mich
erspüren, guter Gott, wo man auf mich wartet.
Lass mich
wahrnehmen, guter Gott, wie und wo ich in meinem Alltag und in meiner
Umgebung
Bote der
Liebe und Werkzeug des Friedens sein kann.
Hilf mir,
guter Gott, aus dem Glauben zu leben
und –so
gut es mir möglich ist – ihn weiterzugeben.
Jesus,
sei du die Kraft, die mich erfüllt und stärkt!
Sei du
das Licht, das mich erleuchtet und mir den Weg weist.
Sei du
der Beistand, der mich nicht verlässt!
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