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EVANGELIUM  
Ich aber sage euch: Liebt eure 
Feinde! 
  
+ Aus 
dem heiligen Evangelium nach Matthäus 
In jener Zeit sprach Jesus zu 
seinen Jüngern: 
38Ihr 
habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. 
39Ich 
aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, 
sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die 
andere hin. 
40Und 
wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass 
ihm auch den Mantel. 
41Und 
wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit 
ihm. 
42Wer 
dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab. 
43Ihr 
habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen 
Feind hassen. 
44Ich 
aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, 
45damit ihr 
Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über 
Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 
46Wenn 
ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür 
erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? 
47Und 
wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch 
die Heiden? 
48Ihr 
sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist. 
		  
		
		  
		  
		Ein 
		provozierendes Evangelium, schwer zu verdauen.   
Kann Jesus das 
allen Ernstes fordern?   
  
„Wenn 
dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere hin.“ 
– Wird da nicht dem Bösen Tür und Tor geöffnet? Kann da das Unrecht nicht 
geradezu Triumphe feiern?  
  
„Wenn dich 
jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere hin.“ 
 
 
Steht das nicht 
gegen alle Erfahrung in Politik und Wirtschaft? Steht das nicht gegen alle 
Erfahrung auch im privaten Bereich?   
Überall zählt 
doch Stärke, Gewalt, Überlegenheit.   
Überall wird mit 
harten Bandagen gekämpft.   
Kann die Welt 
überhaupt anders in Ordnung gehalten werden?   
  
Das sind ernste 
Fragen.   
Da sind auf der 
einen Seite die Forderungen Jesu.   
Und da ist auf 
der anderen Seite die Welt, in der wir leben und in der wir diese Forderungen 
verwirklichen sollen.   
Und immer neu 
merken wir:   
Es geht nicht, 
das passt nicht zusammen.   
Denn sowohl in 
der großen Welt als auch im Alltag gelten ganz andere Gesetze. 
 
Da lautet 
die Devise: „Wie du mir, so ich dir!“ – „Rache 
ist süß!“  
  
Bei aller Liebe! 
Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen.   
Man kann doch 
nicht immer nachgeben, alle Hiebe einstecken, alle Beleidigungen hinnehmen, alle 
Gehässigkeiten hinunterschlucken.   
Ist man da nicht 
der oder die Dumme?   
Wird solche 
Gutmütigkeit nicht ausgenutzt? 
  
Wer Frieden will, 
muss aufrüsten wie sein Gegner.   
Nur das 
Gleichgewicht der Kräfte sichert den Frieden.   
  
Gegenüber diesen
„Realitäten“ mutet die Bergpredigt Jesu wie die hoffnungslose Illusion 
eines pazifistischen Schwärmers an.   
So kann man nicht 
leben, sagen viele. Geht es wirklich nicht?   
Wo käme man hin, 
wenn man sich danach richten würde, fragen viele? Ja, wo kämen wir hin? 
  
Wo kommen wir 
hin, liebe Mitchristen, wenn wir nach dem Motto handeln: „Wie du mir, so ich 
dir?“   
Wo kommen wir 
hin, wenn wir nur ans Heimzahlen denken?   
Wird da nicht 
alles noch viel schlimmer? Führt das nicht zu einer nie endenden Kette von 
Unrecht, zu einer Eskalation von Hass, zu einem Teufelskreis von Rache und 
Vergeltung?   
  
Merken wir nicht 
bei den blutigen Tragödien im Nahen Osten, in Syrien, in afrikanischen Ländern 
oder in der Ukraine, wie sich dieses System buchstäblich totläuft? 
 
 
Ist das die 
Ordnung, die die Welt zusammenhält?   
Geht es 
wirklich nicht anders? 
  
Jesus 
meint jedenfalls seine Worte sehr ernst. Er will uns unruhig machen.  
Er fordert uns 
auf, unsere allzu selbstverständlichen Reaktionen und Verhaltensmuster zu 
überprüfen.   
  
Muss es denn 
wirklich sein, dass du dem anderen alles heimzahlst – ohne Pardon? 
 
 
Muss es denn 
wirklich sein, dass ihr hauptsächlich in Kategorien von Stärke, Macht und 
Vergeltung denkt? 
Könnt ihr euch 
gar nicht vorstellen, dass es auch anders geht?   
  
Jesus 
zeigt die Alternative: Gewaltverzicht. Sie ist ein Herzstück seiner 
Verkündigung.  
Jesus 
durchbricht den Mechanismus der Vergeltung.  
Er schlägt einen 
Keil in den Teufelskreis von Rache und Hass.   
Er hebt das 
Freund-Feind-Schema aus den Angeln. 
  
Gewaltverzicht 
im Sinne Jesu ist jedoch nicht mit Passivität gleichzusetzen. 
 
Gewaltverzicht 
im Sinne Jesu ist mehr als Verzicht auf Widerstand.  
  
Jesus 
sagt nicht: Wenn dich jemand schlägt, dann steck’s halt ein! Er sagt auch nicht: 
Ertrag’s in Geduld! Opfere es auf!  
Jesus plädiert 
nicht dafür, sich rein passiv zu verhalten.   
Und schon gar 
nicht verkündet er eine Moral für Duckmäuser und Feiglinge.   
  
Er sagt ja eben 
nicht: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt…“, dann nimm’s hin, 
sondern „dann halte auch die andere hin!“ Geh zwei Meilen mit! Gib zum 
Mantel auch das Hemd!   
  
Werde aktiv! Lass 
dir was einfallen! Tu das Überraschende!   
Jesus 
sagt nicht nur ein eindeutiges „Nein“ zur Gewalt, sondern fordert das „Ja“ zum Frieden. 
 
Er ermuntert zu 
einem „Mehr“, zu einem „Darüber-Hinaus“, zu einer ungewöhnlich 
neuen Initiative.   
  
Das neue 
Verhalten, das über das Bisherige hinausgeht, hat seinen Grund, liebe Schwestern 
und Brüder.   
Welchen?
Gott. 
Gott handelt so.  
„Er lässt 
seine Sonne aufgehen über Guten und Bösen und lässt es regnen über Gerechten und 
Ungerechten.“   
Er ist gütig auch 
gegenüber den Undankbaren.   
  
Sehen 
Sie: Die 
Aufforderung zur Feindesliebe ist ganz tief im Glauben an Gott begründet. Sie 
wurzelt in der Erfahrung, dass ich selbst ganz ungeschuldet und unverdient von 
Gott geliebt bin. 
  
Man kann nicht „Vater unser“ beten und dabei die Faust in der Tasche geballt haben. 
 
Vielmehr 
gilt: „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel 
barmherzig ist!“ 
  
Kann man nach 
den Weisungen der Bergpredigt leben? 
Jesus hat es 
getan.   
Er ließ sich von 
den Soldaten nicht nur den Mantel nehmen, sondern auch das Hemd. 
 
Als er geschmäht 
wurde, schmähte er nicht, als er litt, drohte er nicht.   
Er fluchte nicht 
seinen Henkern, er betete für sie.   
Er ging nicht 
über Leichen, sondern gab sich selbst für andere hin.   
Er ging nicht nur 
zwei Meilen mit. Er ging alle Meilen mit.   
Er ging ganz, 
ganz weit aus Liebe, für uns!   
Er verschenkte 
sich, damit wir leben. 
  
Gottes Liebe 
ruft unsere Liebe.   
	- 
	
	Gut 
	sein auch dort, wo es nichts bringt.  
	- 
	
	Geben 
	auch dort, wo ich nichts zurückbekomme.    
	- 
	
	
	Freundlich sein auch dort, wo mir jemand nicht so liegt.  
	- 
	
	
	Verzeihen auch dort, wo ich nicht schuld bin.  
	- 
	
	
	Jemanden anrufen, mailen, einen Brief schreiben, obwohl eigentlich der oder 
	die andere dran wäre, sich zu melden.  
	- 
	
	Die 
	Nachbarin grüßen, konsequent, immer wieder, auch wenn sie nicht grüßt.
	
	  
 
Ich lasse mir 
doch nicht von anderen deren Verhalten aufzwingen! 
  
Ein östlicher 
Weisheitsspruch lautet: 
„Niemals hört 
im Weltenlauf die Feindschaft je durch Feindschaft auf. Durch Liebe nur erlischt 
der Hass. Ein ewiges Gesetz ist das.“   
Und der 
heilige Franz von Sales sagt: 
„Feindseligkeit kann nur durch Freundlichkeit besiegt werden.“ 
 
  
Das Böse durch 
das Gute besiegen. Gar nicht leicht!   
Und es wird auch 
nicht immer gleich gut gelingen.   
Kaum etwas kostet 
wohl so viel Überwindung, wie seinen Feind zu lieben.   
  
Wer aber Schritte 
in diese Richtung tut, in der neuen Gangart des Lebens, der handelt 
schöpferisch.   
Da geschieht 
Unerwartetes, etwas völlig Überraschendes, ja ganz und gar Unerhörtes. 
 
 
Da entstehen neue 
Spielräume des Handelns. Da entsteht ein neues Klima. Da erfahren wir eine ganz 
neue Freiheit.   
  
Wie die Freiheit 
aussehen kann und wie ein Mensch in dieser Freiheit handeln kann, wird deutlich 
an einem Erlebnis, das Werner Bergengruen beschrieben hat:   
  
„Auf meiner 
Flucht aus Russland kam ich Ostern 1919 – nach Lebensmitteln suchend – in ein 
Dorf bei Minsk.   
Eine alte 
Bäuerin sagte zu mir: „Ich habe einen Sohn in deutscher Gefangenschaft, von dem 
ich nichts weiß. Ich werde jetzt denken, du bist dieser Sohn. – Sie umarmte mich 
und beschenkte mich reichlich.“ 
		  
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