Evangelium
Zu den Alten ist gesagt worden –
ich aber sage euch
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Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.
In jener Zeit sprach Jesus zu
seinen Jüngern:
21Ihr
habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer
aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein.
22Ich
aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht
verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des
Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der
Hölle verfallen sein.
27Ihr
habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen.
28Ich
aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem
Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.
29Wenn
dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg!
Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass
dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.
30Und
wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie
weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als
dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Vor einigen
Tagen bin ich in einer Zeitschrift auf einen biblischen Kommentar von Anselm
Grün zum heutigen Evangelium gestoßen. Und ich muss sagen, die Gedanken, die er
da darlegt, die fand ich ganz interessant und sehr bemerkenswert. Einige dieser
Gedanken will ich heute mit Ihnen teilen.
Anselm
Grün schreibt sinngemäß: Was Jesus da fordert, klingt für manche von uns
sicher erschreckend. Anscheinend lauert überall das Böse. Jeder kleine Gedanke
kann schon schuldig machen. – Ist das nicht erdrückend? – Und dann soll man auch
noch ein Auge ausreißen oder eine Hand abhacken. Ist das in der Tat nicht
schrecklich?
Aber, so
Anselm Grün, genau so meint das Jesus nicht. Jesus will uns nicht erdrücken,
sondern er will uns helfen. Und deshalb dürfen wir seine Worte nicht
moralisch auslegen, sondern wir sollen sie bildhaft sehen.
Das Wort
Jesu also bildhaft auslegen. Was ist damit gemeint?
Liebe Schwestern und Brüder!
In einer
bildhaften Auslegung steht die rechte Hand des Menschen für einen typischen
„Macher“. Für einen Menschen, der meint, alles „machen“ zu können, was er will.
Nichts kann ihn aufhalten. Und was die rechte Hand hat, das hält sie fest; da
gibt es kein Entkommen mehr. Und alles nur für sich selbst!
Die linke
Hand dagegen steht für die Hand, die empfängt und die liebevoll ist, die Hand,
die nicht besitzen und festhalten will, sondern die streicheln und loslassen
kann. Sie kann frei-lassen und her-geben – und so anderen Leben ermöglichen.
Und mit den
Augen ist es ebenso: Das rechte Auge steht für das Auge, das alles beherrschen
will, das beurteilt, einordnet und vereinnahmt. – Irgendwann wird es ganz und
gar gierig sein, weil es alles haben will, was es sieht. Und es wird niemals
zufrieden sein, weil es immer sehen und dann auch haben will.
Das linke
Auge dagegen steht für das Auge, das einfach „sein lässt“. Es sieht das Gute und
Schöne im anderen. Es bewertet nicht, sondern blickt voll Liebe auf den
Menschen, der in seinen Blick gerät. Keine Verdächtigungen, keine Überwachung,
keine Verurteilungen und auch keine Habgier, sondern eben einfach nur Wohlwollen
und Liebe. – Soweit Anselm Grün.
Liebe Schwestern und Brüder!
Links und
rechts, zwei Seiten in ein und demselben Menschen. Links und rechts, zwei
Möglichkeiten, mit einem anderen Menschen und mit dem, was mir begegnet,
umzugehen.
Und Jesus
lässt keinen Zweifel daran: Nur eine Seite macht es richtig. Nur eine Seite
macht es so, wie er es sich vorstellt – weil diese Seite es so macht, wie Gott
es tut. – Und das ist die linke Seite, die Seite, auf der unser Herz schlägt.
Wer „mit Herz“ handelt, der wird niemandem wehtun, sondern der wird vorsichtig
sein, achtsam.
Und wer mit
dem Herzen sieht, der wird voll Liebe handeln: niemanden übersehen, niemanden
schief ansehen und niemanden falsch anschauen. Der wird um die Wahrheit bemüht
sein, denn die bleibt nur dem Herzen nicht verborgen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich bin
dankbar für diese Auslegung. Dankbar für das „Neue“ in diesem Text, das Anselm
Grün mir erschlossen hat.
Vielleicht
könnten uns seine Auslegungen ja eine Woche begleiten. Vielleicht könnten wir ja
hin und wieder einmal innehalten und uns fragen: Welche Hand ist denn jetzt
gerade bei mir beschäftigt? Bin ich wieder nur am „Managen“?
Meine ich
wieder, ohne mich ginge es nicht? Und ich müsste wieder die ganze Welt retten?
Oder bin ich gelassen? Kann ich mal die rechte Hand in den Schoß legen? Oder sie
mit der linken Hand zum Gebet falten, damit auch Gott was tun darf – in mir und
für mich?
Kann ich
mich von anderen auch mal beschenken lassen – und dabei entdecken, dass die ja
auch was können? Vielleicht anders als ich es getan hätte, aber auch gut?
Vielleicht sogar besser als ich es gekonnt hätte?
Und wie
schön wäre es, wenn ich das dann auch mal in Worte fassen könnte, wenn ich den
anderen loben könnte!
Und mit
welchem Auge betrachte ich da gerade wieder die anderen? Mit dem rechten, d.h.
mit dem kritischen Auge, das alles kontrolliert, das alles beurteilt – und wenn
es sein muss auch verurteilt? – Oder kann ich das rechte Auge auch mal zudrücken
– damit das Linke mehr sehen kann? Sehe ich auch mal das Gute, was andere
vermögen und tagtäglich tun?
Bin ich
schon wieder am Bewerten, wieder am Rummeckern und Rumzicken? Oder kann ich auch
mal den Mund halten, wenn mir was nicht passt – und es so sein lassen, wie es
ist?
Denn es
könnte ja sein, dass ich gar nicht immer Recht habe, dass gar nicht ich das Maß
aller Dinge bin, sondern dass das ein anderer ist, nämlich Gott. Jener Gott, der
viel großzügiger und liebevoller ist als ich selbst es jemals sein kann. Und der
ganz viel Erbarmen hat – auch mit mir. Und besonders dann, wenn ich wieder ganz
in meine „rechte Seite“ abgerutscht bin – und damit mir selbst und den anderen
das Leben in der Tat zur Hölle mache.
Also: Mit
dem LINKEN sieht man besser, denn mit dem LINKEN schaut man wie Gott schaut.
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