Evangelium
Ich bin nicht gekommen, um
Gerechte zu rufen, sondern Sünder
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Aus dem heiligen Evangelium nach
Matthäus
In jener Zeit
9sah
Jesus einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir
nach! Und Matthäus stand auf und folgte ihm nach.
10Und
als Jesus in seinem Haus bei Tisch war, siehe, viele Zöllner und Sünder kamen
und aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern.
11Als
die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann euer Meister
zusammen mit Zöllnern und Sündern essen?
12Er
hörte es und sagte: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.
13Geht
und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin
nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.
Jesus beruft
einen Zöllner in seine Nachfolge, einen verhassten Steuereinnehmer, einen
öffentlichen Sünder. Und dann nimmt er auch noch seine Einladung an und setzt
sich mit Zöllnern und Sündern an einen Tisch. Ein Skandal! Die Pharisäer und
Schriftgelehrten machen keinen Hehl aus ihrer Abscheu. Sie sind empört. Für sie
ist das Verhalten Jesu total unverständlich, anstößig, ja unerträglich.
Jesus
erklärt sein Verhalten mit drei kleinen Sätzen. Sie zeigen auf, wie Jesus sich
selbst sieht und wie er seine Sendung versteht.
Der erste Satz, die erste Antwort Jesu lautet:
„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern
die Kranken.“
Interessant:
Jesus sieht sich als Arzt. Im Griechischen steht das Wort Therapeut. Wie der
Arzt zu den Kranken geht, so geht Jesus zu den Sündern. Sie, die Heillosen,
bedürfen seiner vor allem. Zu ihnen sieht er sich ganz besonders gesandt. Bei
einer anderen Gelegenheit sagt Jesus einmal: „Ich bin gekommen, um zu suchen,
was verloren war und zu heilen, was verwundet ist.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir sind
eingeladen, bei Jesus Heilung zu erfahren. Wir sind eingeladen, mit unseren
Verwundungen, Verletzungen und Enttäuschungen zu IHM zu kommen, zu Jesus, dem
Arzt der Kranken, dem Freund der Armen, dem Retter der Sünder!
Jesus
antwortet mit einem zweiten Wort auf die Vorwürfe der Pharisäer. Es lautet:
„Barmherzigkeit will ich nicht Opfer.“
Hier zitiert
Jesus ein Gotteswort des Propheten Hosea (6, 6) und nimmt es für sich in
Anspruch. Gott will an erster Stelle nicht unser Opfer, nicht unsere religiösen
Leistungen, nicht unsere asketischen Klimmzüge, sondern unsere Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit, d. h. Freundlichkeit, Verständnis, Hilfsbereitschaft,
Versöhnung. Ohne diese Barmherzigkeit oder anders gesagt, ohne die Liebe, die
dem anderen Gutes tut und Gutes will, ist unser ganzer Gottesdienst nicht viel
wert. Der Gottesdienst, der Gott am meisten gefällt ist die Nächstenliebe,
herzliches Erbarmen und helfende Liebe.
Der
dritte Satz Jesu als Antwort auf die Empörung der Pharisäer lautet: „Ich
bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“
Diejenigen,
die meinen sie wären recht, niemand kann ihnen etwas vorwerfen und sie selbst
haben sich auch nichts vorzuwerfen – weiße Weste, alles in Ordnung – an deren
Tür klopft Gott vergeblich. Sie sehnen sich nicht nach Heilung und Befreiung.
Sie meinen ja, Trost und Heil und Heilung gar nicht nötig zu haben. Bei ihnen
hat es Jesus sehr schwer.
Doch
Menschen, die ihre eigene Bedürftigkeit und Armut spüren, Menschen, die um ihre
Begrenztheit und Heillosigkeit wissen, die sind eher offen und ansprechbar für
Jesu Botschaft von Umkehr und neuem Leben. Sie sehnen sich – wie Matthäus – nach
einem anderen Leben. Sie sehnen sich nach Heil und Erlösung. Ihnen fällt es viel
leichter als den „Gerechten“, sich Gottes gute Botschaft zusagen und sich
beschenken zu lassen.
Wo ordnen wir uns zu,
liebe Schwestern und Brüder?
Wo stehen
wir, Sie und ich? Fühle ich mich den Sündern zugehörig oder den Gerechten?
Ganz
ehrlich: Meine ich’s nicht gut? Bin ich nicht recht? Man hat sich nichts
vorzuwerfen. Schließlich hat man Ordnung in seinem Leben. Man weiß doch, was
sich gehört. Immer korrekt, immer tugendhaft. Muss Gott mit mir nicht ganz
zufrieden sein?
Und schon
ist der Stolz nicht mehr weit. Und die Überheblichkeit und die Herzenshärte. Und
damit verbunden das Herabschauen auf andere, Verachtung, Ausgrenzung, Ablehnung.
Es
scheint eine urmenschliche Versuchung zu sein, sich auf die vermeintlich
gute Seite zu stellen, sich über andere zu erheben, sich über sie zu entrüsten,
zu urteilen und zu verurteilen und nichts Gutes an ihnen zu lassen. „Die
blöde Kuh“. „Mit der/mit dem ist doch nichts anzufangen.“ „Den kannst du
vergessen.“ „Da ist Hopfen und Malz verloren.“
Schwarzweißmalerei: Hier die Guten, dort die Bösen, taugt was, taugt nichts.
Schubladendenken: Wie leicht verfallen wir ihm!
Spüre ich
meine kurze Sicht? Spüre ich meine Grenzen, meine eigenen Blockaden, meine
eigenen Mängel und Fehler? Nehme ich meine Armut und Leere wahr? Sehne ich mich
danach, von Gott berührt und verwandelt zu werden? Spüre ich, wie ich selbst der
Vergebung und des Heiles bedarf? Spüre ich, wie ich immer wieder auf die
verzeihende Liebe Gottes angewiesen bin?
Kann ich
ehrlich beten: „Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich
führt in deinen großen Frieden?“
Jesus
beruft einen Zöllner zum Jünger. Er beruft einen, der keine weiße Weste hat,
sondern manches auf dem Kerbholz. Und er isst zusammen mit Zöllnern und Sündern.
Ob das nicht
auch unsere Chance ist, dass Jesus sich mit Vorliebe den Armen und Kranken
zuwendet? Ob das nicht unser Glück ist, dass er sich vor allem zu den Sündern
gesandt weiß und sogar Mahlgemeinschaft mit ihn hält?
Auf einer Spruchkarte habe ich einmal gelesen:
„Gott liebt deine Armut und nicht deinen Glanz,
deine Sehnsucht und nicht deine Erfolge.“
So ist es.
Die Berufung des Zöllners Matthäus zeigt es.
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