Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer, Schwestern und Brüder!
Die Geschichte von Seesturm
kommt mehrfach und in verschiedenen Varianten in den Evangelien vor.
Bekannt ist die
Erzählung, wo Jesus in der 4. Nachwache den Jüngern, die sich in Seenot
befinden, auf dem Wasser entgegenkommt. Auf den Zuruf Jesu, steigt
Petrus aus dem Boot, um Jesus entgegenzugehen. Als er fast untergeht,
ruft er „Herr, rette mich!“ Da streckt Jesu seine Hand aus und
kommt Petrus zu Hilfe. „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt“,
fragt ihn Jesus.
Mehrfach
überliefert ist die Erzählung, wo Jesus sich bereits bei den Jüngern im
Boot befindet und - während der Sturm wütet – seelenruhig schläft. Die
Jünger wecken ihn: „Herr, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde
gehen?“ Jesus steht auf und gebietet dem Sturm und dem See.
Augenblicklich kehrt Ruhe und Stille ein. „Wo ist euer Glaube?“
fragt Jesus anschließend.
Liebe Wallfahrer
und Wallfahrerinnen!
Heute haben wir die
Geschichte vom Seesturm und vom Gang Jesu über das Wasser gehört, wie
der Evangelist Johannes sie uns überliefert. Es ist nach der
Brotvermehrung. In der Nacht fahren die Jünger über den See, sie allein.
Da geraten sie in einen heftigen Sturm. Dann sehen sie, wie Jesus über
den See geht und sich dem Boot nähert. Sie bekommen Angst, sie fürchten
sich. Jesus ruft ihnen zu: „Ich bin es, fürchtet euch nicht!“
Dann heißt es bei Johannes, dass sie Jesus ins Boot nehmen wollten, aber
schon war das Boot am Ufer, das sie erreichen wollten.
Liebe Schwestern
und Brüder!
Wie immer die Geschichte
vom Seesturm erzählt wird, man hat gern darin ein Bild für die Kirche
gesehen. Da geht es auch immer wieder mal turbulent zu, drunter und
drüber.
Das Schifflein Petri
hat oft Gegenwind, viele Gefahren drohen, Probleme türmen sich. Es gibt
Spannungen. Das Boot wird manchmal kräftig geschüttelt und hin und her
geworfen.
Die Geschichte vom
Seesturm,
liebe Mitchristen, ist aber auch ein Bild für unser Leben.
Unser Leben, jedes Leben,
geht durch Krisen. Es wird von inneren und äußeren Stürmen gebeutelt. Es
gibt heftige Wellen, Turbulenzen. Manchmal geht es auch da drunter und
drüber. Der Wind bläst uns ins Gesicht. Unser Lebensboot wird hin und
her geworfen.
Aufgepeitschte See,
Nacht und Sturm:
Wer von uns kennt das
nicht? Manchmal fühlen wir uns ohne Halt, hilflos, den Umständen
ausgesetzt. Wir verlieren den Boden unter den Füssen. Wir geraten in
Bedrängnis, in Not. Angst steigt in uns auf.
Die erste Reaktion
in Verunsicherung und in Krise:
Wir beißen die Zähne
zusammen. Wir versuchen mit eigner Kraft die Kiste zu schaukeln, die
Krise zu meistern, durchzukommen, herauszukommen. Wir kämpfen dagegen
an. Wir versuchen uns über Wasser zu halten. Wir legen uns ins Zeug. Wir
rudern wie wild und strampeln uns ab.
Aber manchmal ist es
so: Je
mehr wir rudern, desto mehr geraten wir in Bedrängnis. Und aus Angst
wird Panik.
Es geht uns wie den
Jüngern. Wir haben Angst, fühlen uns hilflos und verloren. Gibt es noch
irgendetwas, das vor dem drohenden Untergang retten könnte?
Im Evangelium
ist es Jesus. Er kommt den Seinen auf dem See entgegen. Es ist eine
eigenartige Begegnung. Die Jünger erkennen Jesus nicht sofort. Sie
fürchten sich. Interessant: Selbst ihr Meister, der Retter und Heiland,
erscheint ihnen als Bedrohung. Sie fürchten sich.
Doch Jesus spricht die
Jünger an: „Fürchtet euch nicht! Ich bin es.“
„Ich bin Es“:
Es ist das gleiche Wort mit dem Gott sich einst dem Mose in seinen
Ängsten und Selbstzweifeln am Dornbusch geoffenbart hat: „Fürchte
dich nicht. Ich bin mit dir.“ Und: „Ich bin
der ICH BIN DA!“
Gottes Nähe
schenkt Vertrauen. Gottes rettende Macht ist stärker als alle Bedrohung.
Seine Gegenwart vermag alle Angst zu nehmen und Zuversicht zu schenken.
Im Psalm 23 heißt es: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,
ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir.“
Martin Luther King
bekennt in einer Rede kurz vor seinem gewaltsamen Tod: „Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte
finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken,
dass es in der Welt eine große segnende Kraft gibt, die Gott heißt. Gott
kann Wege aus der Aussichtslosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern
in ein helles Morgen verwandeln - zuletzt in den leuchtenden Morgen der
Ewigkeit.“
Liebe Schwestern
und Brüder!
Auf unserem Weg ans
andere Ufer, auf unserem Weg durch Wasser und Untiefen, auf unserer
Überfahrt durch Krisen und Stürme, in lebensbedrohlichen Situationen –
und sei es am Ende unseres Lebens, wenn wir sterben müssen – dürfen wir
darauf vertrauen, dass uns der Herr entgegenkommt.
Wir dürfen auf sein
Mit-uns-Sein hoffen und mit seinem Beistand rechnen. ER vermag durch
alle Bedrohung des Lebens hindurchzuführen und allen Ängsten zu
entreißen. ER spricht auch zu uns, zu einem jeden: „Ich bin es, fürchte dich nicht!“
So können wir
immer wieder innerlich ruhig werden und gelassen sein. Wir können Trost
und Halt verspüren und dürfen Licht und Heil erfahren.
Dann wird selbst noch das
Tor des Todes nicht ein letztes Versinken und Untergehen bedeuten,
sondern Durchgang, Hinübergang, Heimgang, selige Heimkehr ans rettende,
lichtvolle andere Ufer.