Evangelium
So steht es geschrieben: Der Christus
wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
Die beiden Jünger, die von
Emmaus zurückgekehrt waren,
35erzählten
den Elf und die mit ihnen versammelt waren, was sie unterwegs erlebt und
wie sie Jesus erkannt hatten, als er das Brot brach.
36Während
sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu
ihnen: Friede sei mit euch!
37Sie
erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu
sehen.
38Da
sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt? Warum lasst ihr in eurem
Herzen Zweifel aufkommen?
39Seht
meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und
begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.
40Bei
diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße.
41Als
sie es aber vor Freude immer noch nicht glauben konnten und sich
verwunderten, sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier?
42Sie
gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch;
43er
nahm es und aß es vor ihren Augen.
44Dann
sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen
habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im
Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich
geschrieben steht.
45Darauf
öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften.
46Er
sagte zu ihnen: So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am
dritten Tag von den Toten auferstehen
47und
in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre
Sünden vergeben werden.
48Angefangen
in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Das soeben gehörte
Evangelium ist eines meiner liebsten im Neuen Testament. Es ist mir
deswegen lieb und wichtig, weil es davon erzählt, wie Jesus mit Menschen
umgeht, mit Menschen, die anscheinend ihren Glauben verloren haben – und
nicht mehr weiterwissen. – Vielleicht können wir sogar sagen, diese
Geschichte erzählt davon, wie sich Jesus Seelsorge vorstellt.
Erinnern Sie sich?
Da war eben von Jüngern die Rede, die mit ihrem Glauben ziemlich ans
Ende gekommen sind. Kein Wunder, denn sie haben am Karfreitag eine
Erfahrung gemacht, die sie total aus der Bahn geworfen hat: Jesus ist
tot. Der, von dem sie sich alles erhofft und erwartet hatten, der ist
wie ein Verbrecher am Kreuz gestorben. Und so sind sie am Ende und ganz
ohne Hoffnung. Mit diesem Jesus, da rechnet keiner mehr von ihnen. Denn
den haben sie am Karfreitag begraben – und mit ihm auch ihre Hoffnung.
Und Jesus?
Liebe Schwestern und
Brüder, hier fängt die Seelsorge Jesu an. Da wo sie ihn
abgeschrieben haben, da macht er sich auf den Weg zu ihnen. Dort wo sie
den Glauben verloren haben, da geht er auf sie zu und redet mit ihnen.
Wo sie in ihrer Angst weggelaufen sind, da geht er ihnen nach. – Ja,
Jesus wartet nicht, sondern er tut den ersten Schritt. Jesus tut immer
den ersten Schritt, wenn es um die Menschen geht. – Modell für unsere
Pastoral! Vorbild für unsere Seelsorge aneinander!
Liebe Mitchristen!
Wie viel Streit und Leid könnten in unseren Familien, in unseren
Gemeinschaften und kirchlichen Gruppen verhindert und beendet werden,
wenn nicht immer die einen darauf warten, dass die anderen etwas tun,
sondern wenn wir selbst den ersten Schritt machen würden. Wenn wir uns
wieder gegenseitig suchen würden – unsere Nähe, unsere Verbundenheit.
Wenn wir einen Faden, der abgerissen ist, wieder aufnehmen würden und
ihn weiterspinnen würden. Aber wir warten immer darauf, dass die anderen
den ersten Schritt tun… und dann tut sich nichts. Aber Jesus wartet
nicht, sondern ergreift die Initiative. Er tut immer das, was „not-wendig“
ist.
Und als Jesus sie
findet, als er mitten hineingeht in ihre Angst, in ihre Enge und
Verschlossenheit, da schimpft er nicht mit ihnen, er rügt nicht ihren
schwachen Glauben, er exkommuniziert sie auch nicht wegen ihrer Untreue,
sondern er spricht einen Friedensgruß. FRIEDE SEI MIT EUCH!
„Jesus klagt niemals
an“, so hat Frere Roger von Taizé einmal formuliert. Jesus klagt
niemals an. So auch hier nicht, sondern er verzeiht, er versöhnt, er
macht einen neuen Anfang. Kein Vorwurf, sondern ein „Friede sei mit
euch!“
Liebe Schwestern und
Brüder! Das sind die ersten Worte Jesu an seine Jünger. Die ersten
Worte nach der Katastrophe des Karfreitags und dem langen Schweigen des
Karsamstags. „Friede sei mit euch!“ – Keine Vorhaltungen, sondern ein
Friedensangebot. Das Angebot eines neuen Anfangs. Jesus trägt ihnen ihr
Versagen nicht nach, sondern er verzeiht ihnen. Er verzeiht ihnen alles.
Was war, das ist vergeben und vergessen. Nur noch Frieden! Kann man da
nicht aufatmen? – Ja, könnte das, müsste das nicht auch das Modell für
unsere Seelsorge sein?!
Liebe Schwestern und
Brüder! Wie viel Unfriede in unserer Welt, in unseren Beziehungen,
in unseren Gemeinschaften könnten beendet werden, wenn wir nicht so
nachtragend wären!
Wenn wir nicht mit einem
Elefantengedächtnis den anderen ihre Fehler und Versagen nachhalten und
immer neu aufs Butterbrot schmieren würden – sondern wenn wir wirklich
Frieden machen würden, verzeihen könnten, vergeben und vergessen! –
Friede sei mit euch!
Und als die Jünger
sich so schwer tun mit diesem Jesus, als sie lieber an Gespenster
glauben als an die Auferstehung, da ist er nicht entrüstet, sondern er
bemüht sich weiter um sie. Er lässt sich noch etwas einfallen: Er isst
vor ihren Augen etwas und sie sollen ihn anfassen, damit sie wirklich
sicher sind, dass er kein Geist, kein Gespenst ist.
Ist das nicht
großartig? Jesus inmitten einer Gemeinschaft, in der es ganz viele
Zweifel gibt, in der Zweifel auch zugelassen werden, ohne dass jemand
abgestraft wird. Und Jesus kommt diesen Zweiflern so nahe, dass sie ihn
anfassen dürfen – damit sie ihn im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“
können. Keine Berührungsängste, sondern ganz viel Nähe!
Noch einmal: Die
Seelsorge Jesu als Modell für unsere Seelsorge: Eine Kirche zum Anfassen
sozusagen. Eine Kirche, die nicht enttäuscht ist über so viel Unglauben
und Zweifel, sondern die diese Zweifel auch zulassen kann, ohne sich
gleich darüber aufzuregen. Eine Kirche, die gerade auf die Zweifler, auf
die, die sich schwer tun mit dem Glauben besonders zugeht – und die sich
Mühe gibt, damit sich daran was ändert. Eine Kirche, die kreativ und
erfinderisch ist, um Menschen für sich zu gewinnen. Wer wünscht sich
nicht so etwas?!
Und wenn ich „Kirche“
sage, dann meine ich uns, dann meine ich Gemeinden und
Gemeinschaften, Familien, Beziehungen. Wir sind Kirche! – Denn wenn der
Herr so gut und liebevoll mit seinen „ungläubigen“ Jüngern umgeht, dann
sollten wir das doch auch versuchen. Und wenn er allen ihre Schuld
verzeiht, so dass sie wieder einen neuen Anfang machen können, warum
machen wir es uns und anderen oft so schwer? Und wenn das, was Jesus
tut, Gottes Dienst an uns Menschen ist, warum soll unser Gottesdienst
dann so ganz anders sein – nur „liturgisch“, nur „fromm“ am Altar – und
nicht auch genauso menschlich und wohltuend draußen in der Welt? Denn
unsere Welt braucht diesen Dienst Gottes, sie braucht diese Liebe
unseres Herrn. Und dafür sollten wir doch die Zeugen sein!
Aber man kann wohl
nur von etwas Zeugnis ablegen, was man selbst am eigenen Leib erfahren
hat. – Und deshalb wird es notwendig sein, dass wir uns diesen Dienst
Gottes erst einmal selbst gefallen lassen, dass wir uns von IHM dort
suchen lassen, wo wir uns verstecken und abschotten. – Und es wird gut
sein, wenn wir IHN herein lassen in unsere verschlossenen Säle, in
unsere abgeschottete Kirche, die Papst Franziskus ja zu öffnen versucht
– auch wenn es da genügend Leute gibt, die die Türen lieber zuhalten. –
Und wenn wir Jesus hineinlassen in unsere persönlichen Zweifel und
Ängste, nicht als Richter, sondern Erlöser – als den, der uns die Sünden
vergibt – und nicht nur unsere, sondern, wie wir es eben in der zweiten
Lesung gehört haben, die Sünden der ganzen Welt. Was würde sich da nicht
alles ändern!
Den Herrn hineinlassen
in unser Leben, damit wir dann erfahren können: Auch wenn wir uns schwer
tun mit IHM, ER tut sich nicht schwer mit uns! Selbst wenn wir IHN
hängen lassen am Kreuz, dann lässt ER uns aber nicht hängen und nicht
fallen – sondern kommt uns entgegen und nimmt uns an. Und selbst wenn
wir überhaupt nicht glauben können an IHN – wie diese Jünger da – dann
glaubt ER doch immer noch an uns. Und deshalb sagt er auch zu uns heute
Morgen und jeden neuen Tag wieder: FRIEDE SEI MIT EUCH! – Damit auch wir
wieder einen neuen Anfang finden – mit IHM und mit unseren Schwestern
und Brüdern. Damit auch für uns Ostern wird – und damit Ostern bleibt –
ein ganzes Leben lang.
Diese Predigtgedanken
verdanke ich einer Vorlage von Richard Baus |