Das Gespräch Jesu mit Petrus
gehört für mich zu den schönsten Texten des ganzen Neuen Testament. Ich höre und
lese diese Stelle immer wieder gern. Jedes mal berührt sie mich neu und
spricht mich an. Ostern
leuchtet über diese Begegnung, über diesem Dialog der Liebe.
Ein „Dialog der Liebe“ ist es, weil der
Auferstandene Petrus - nach dem Mahl am See von Tiberias - dreimal nach seiner
Liebe fragt. Und jedes Mal wird Petrus ganz feierlich mit seinem vollen Namen
angesprochen: „Simon, Sohn des Johannes“.
Jesus fragt Petrus nicht nach seinem Versagen. Er fragt
ihn nicht nach der Schuld seines Lebens. Er fragt ihn nach seiner Liebe. Ja, er
fragt ihn, ob er ihn ohne wenn und aber mehr liebe als die anderen. Welch eine
Frage!
Einmal hat Petrus von sich aus gesagt, dass er den Herrn
mehr liebe als die anderen, dass er zu ihm halte mag kommen, was will. Es war im
Abendmahlsaal. Da beteuerte Petrus: „Und wenn alle dich verlassen – ich
niemals!“ Hochheilig schwor er sogar: „Mein Leben
will ich für dich einsetzen!“
Aber hat er da den Mund
nicht zu voll genommen? War er nicht zu selbstsicher? Hat er sich nicht gewaltig
getäuscht? Hat er sich nicht gehörig selbst überschätzt?
„Dein Leben willst du für mich einsetzen?“
erwiderte ihm damals Jesus. „Amen, ich sage dir: Noch
bevor der Hahn kräht, wirst du mich drei mal verleugnen.“
Zuerst versuchte er, seinen
Herrn vom Leiden abzuhalten: „Das möge Gott verhüten!“ Dann
schlief er, als Jesus Todesangst litt. Schließlich überließ er ihn seinem
Schicksal und verleugnete ihn schmählich.
Es ist demütigend, wenn andere ein so beschämendes
Versagen mitbekommen. Es ist erschreckend, die Abgründe von Treulosigkeit
und Verrat im eigenen Herzen zu entdecken.
Im ganzen Neuen Testament kommt das Wort „Kohlenfeuer“ nur
zwei mal vor.
Beide Stellen stehen im Johannesevangelium. Das ist kein Zufall. Beide Stellen
haben etwas miteinander zu tun.
An einem Kohlenfeuer hat Petrus den Herrn dreimal verleugnet. An
einem Kohlenfeuer fragt Jesus ihn dreimal nach seiner Liebe. „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“
Diesmal kommt die Antwort
nicht mehr großspurig, eher still und ein wenig mit gesenktem Kopf: „Herr, du
weißt, dass ich dich liebe.“ Aber Jesus fragt ihn ein zweites Mal:
„Liebst du mich?“
Versetzen wir uns einmal hinein, spüren wir
einmal wie das ist, wenn eine solche Frage zum zweiten Mal gestellt wird,
unmittelbar nach der ersten. Was weckt das beim Gefragten?
Und wenn sie zum dritten Mal gestellt wird. Wie
wirkt das? Wird da der Ernst nicht schier unheimlich?
Beim dritten Mal, als Jesus Petrus fragt, wird Petrus
traurig. Dreimal hat er sich von Jesus distanziert; dreimal hat er geleugnet,
ihn überhaupt zu kennen; dreimal nun die Frage nach seiner Liebe! Aber
Jesus fragt nicht, um Petrus zu beschämen oder zu demütigen. Er fragt nicht mit
erhobenen Zeigefinger. Von Schuld ist gar nicht die Rede. Jesus fragt, um
herauszustellen, was allein zählt: die Liebe!
Und Petrus erfährt hautnah Liebe und Vergebung, ja sogar
erneut Ruf und Auftrag und Sendung. Der Auferstandene selbst schenkt ihm den
neuen Anfang und nimmt ihn erneut in seinen Dienst. Er vertraut ihm das
Hirtenamt an.
Hat Jesus sich nicht auch gerade ihm gegenüber
als der gute Hirt erwiesen, der dem Verlorenen nachgeht? – Kein Donnerwetter,
keine Vorhaltungen, kein Herumhacken auf früherer Schuld.
Jesus trägt nicht nach. Seine Liebe ist
unerschütterlich.
Petrus darf erfahren, dass er angenommen ist trotz seiner
Untreue, trotz seines schmählichen Versagens. Gottes Liebe ist größer als alle
Schuld.
Johannes, der als einziger
Evangelist dieses tiefe Zwiegespräch der Liebe in sein Evangelium aufgenommen
hat, sagt an anderer Stelle, in einem seiner Briefe: „Klagt uns unser Herz
auch an, Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles.“
In diese Richtung geht nun
auch die Antwort des Petrus:
„Herr, du weißt alles...“
Du weißt um mein Versagen, meine Schwäche, meine Feigheit, meine Schuld. „Du weißt aber auch, dass ich dich liebe!“
Petrus ist zutiefst betroffen und erschüttert. Aber er
geht aus dieser Erschütterung als ein verwandelter, neuer Mensch hervor.
Er erfährt, wie sich ihm in der Begegnung mit dem Auferstandenen neue
Möglichkeiten auftun, neuer Lebensraum.
Er empfängt seinen Lebensauftrag:
„Weide
meine Schafe!“
Nicht Johannes, der Jünger der ungebrochenen Treue,
sondern Petrus, der allermenschlichste der Jünger bekommt das Hirtenamt. Er kann
mit den Schwachen fühlen. Er kann die ihm Anvertrauten lieben wie Christus ihn
geliebt hat. Er, der sich selbst gehalten weiß von der Treue Gottes, kann
trösten, stärken und aufrichten.
Am Schluss dieses denkwürdigen Gespräches, dieses Dialoges
der Liebe fordert Jesus Petrus auf: „Folge mir nach!“
Schon einmal, am Anfang
seines Weges mit Jesus, hat er dieses Wort gehört. Er hatte alles verlassen.
Begeistert und mit großen Erwartungen war er Jesus gefolgt.
Nun hört er den Ruf neu: „Folge mir nach!“
Nun kann er ihm neu folgen, sich neu auf Jesus einlassen und sein Leben wirklich
für ihn einsetzen.
„Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“
Es genügt nicht die leidenschaftliche Liebe des Anfangs,
die Begeisterung der ersten Stunde. Es geht um Treue. Es geht um
die beständige und leidensfähige Liebe.
Sind für mich Freundschaft, Liebe, Treue wirklich
hohe Werte? Bin ich bereit, diesen Werten meinen Eigensinn, meine eigenen
Interessen, meinen Egoismus zu opfern?
„Liebst du mich?“
Diese Frage, die Jesus stellt, ist Herzensfrage
an jeden Jünger. Jesus richtet diese Frage auch an jeden von uns.
Wie groß ist meine Liebe zu Jesus? Wie zeigt sich
meine Liebe zu ihm? Wie groß ist meine Bereitschaft, mich von Jesus „gürten“
und „führen“ zu lassen?
„Liebst du mich?“
Die Frage richtet Jesus an jeden einzelnen immer
wieder, täglich. Und die Antwort? Kann ich auf die Frage wie Petrus antworten?
Vielleicht kann ich nicht sagen: „Du weißt, dass ich dich liebe!“,
sondern muss ehrlicherweise sagen: „Du weißt, dass ich dich lieben möchte!“
Wichtig ist jedenfalls, dass meine Beziehung zu ihm von der Liebe geprägt
ist und dass meine Liebe ihm auch dann gehört, wenn mich andere, z. B. auch
Amtsträger, enttäuschen.
Vergessen wir auch nicht, dass es Liebe zu Gott ist, wenn
wir die Schwester, den Bruder lieben. Jesus sagt: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr
einander lieben!“
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