Jeden Tag begegnen wir
Türen. Täglich durchschreiten wir Türen und Tore. Wir gehen durch sie
ein und aus. Wir öffnen sie und schließen sie. Ohne Türen können wir uns
unser alltägliches Leben gar nicht vorstellen. Sie gehören einfach
wesentlich zu unseren Häusern, Gärten und Wohnungen.
Eine Tür ist die
Verbindungsstelle zwischen zwei Räumen, zwischen drinnen und draußen.
Aber eine Tür verbindet nicht nur, sie trennt auch. Eine verschlossene
Tür, verriegelt, vielleicht mehrfach gesichert, wirkt ablehnend und
abweisend. Durchgang verboten! Draußen bleiben! Kein Zutritt! Eine
offene Tür dagegen wirkt einladend. Sie hat etwas Freundliches an sich.
Türen sind Symbole für
Situationen in unserem Leben:
Es gibt Türen, die mir
andere Menschen zuschlagen, aber auch Türen, die ich selbst zuschlage,
absichtlich oder versehentlich. Manchmal gelingt es, eine verschlossene
Tür wieder zu öffnen. Oft fehlt aber auch die Kraft oder der Mut. Manche
Türen bleiben eine Zeit lang oder auch immer verschlossen.
Geradezu lebenswichtig
sind Türen, die mir offen gehalten werden. Das sind Menschen, die mir
das Gefühl geben, dass ich bei ihnen zu Hause sein darf, selbst dann,
wenn es mir nicht gut geht oder ich vielleicht sogar unausstehlich bin.
Menschen können wir Türen
sein: verschlossen, ablehnend, abweisend. Aber auch: freundlich, offen
füreinander, einladend. Wir leben von offenen Türen zeitlebens.
Ganz am Anfang unseres
Lebenssteht schon ein wichtiges Türerlebnis: die Geburt aus dem
Mutterschoß. Wir sind eingetreten in dieses Leben. Welche Welt hat mich
empfangen? Eine friedliche oder feindliche, eine bergende und fröhliche
oder eine traurige und zurückstoßende?
Das Leben kennt auch eine
letzte Tür: den Tod.
Manchmal geht diese Tür
langsam zu, ganz langsam und leise. Manchmal geschieht es schnell und
unerwartet.
Manchmal kommt der Tod
und ist wie eine Tür, die plötzlich zugeschlagen wird. Buchstäblich von
einer Sekunde zur anderen ist die Verbindung abgerissen. Eben noch hat
er gelebt, der geliebte Mensch. Eben noch hat man sich mit ihm verbunden
gefühlt, hat ihn bei sich gewusst. All das ist mit einem Mal vorbei.
Kein Anschauen mehr! Kein Gruß! Kein Lächeln! Keine Tränen! Kein
Händedruck und keine Umarmung!
Ja, der Tod ist wie eine
zugeschlagene Tür! Eine Macht, die Menschen voneinander trennt, die
Verbindungen durchschneidet und auseinanderreißt!
Tod als letzte Tür meines
Lebens. Wohin öffnet sich diese Tür? Ins Nichts? Ist dann alles Aus? –
Oder in die Vollendung? Gibt es Licht und Freude, Glück und Leben
jenseits des Todes?
Wir können nur glauben.
Dem Wort und der Zusage dessen vertrauen, der von sich selbst sagt: „Ich
bin die Tür.“
In ihm, in Jesus haben
Menschen immer wieder eine offene Tür gefunden. Bei ihm haben sie
erfahren, angenommen zu sein. Durch ihn haben sie Befreiung erfahren,
Befreiung von dämonischen Mächten, von Krankheiten, von Zwängen, von
Verachtung, ja Befreiung selbst vom Tod.
Die Evangelien sind voll
von solchen Menschen. Einige kennen wir mit Namen: den Zöllner Zachäus
z. B. oder Maria Magdalena.
Menschen, die immerzu
verschlossene Türen erlebt haben, sie haben bei Jesus gespürt: Er hat
eine Tür offen gehalten. Er lässt uns nicht draußen. Er weist uns nicht
ab. Er wendet sich uns zu. Er schenkt uns seine Freundschaft.
„Herr, zu wem sollen
wir gehen?“
fragt Petrus einmal. Und bekennt dann selbst: „Du hast Worte des
ewigen Lebens!“ (Joh 6, 68)
Das Johannesevangelium
bündelt all diese Erfahrungen, wenn Jesus von sich sagt: „Ich bin die
Tür, wer durch mich eingeht, wird gerettet werden.“ (Joh 10, 9)
Selbst dem Schächer am
Kreuz hat Jesus noch eine Tür geöffnet, die Tür zur seligen Gemeinschaft
mit ihm: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“
IHM vertrauen wir, dem
der Vater im eigenen Tod die Tür des Lebens geöffnet hat. IHM vertrauen
wir, der durch seinen Tod unseren Tod überwunden und Leben für alle
erworben hat.
„Ich lebe“,
sagt der Auferstandene, „und auch ihr werdet leben!“ – „Im
Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, euch eine Wohnung
zu bereiten.“
Liebe Schwestern und
Brüder!
Der Tod ist für uns als
Christen keine unüberwindbare und undurchdringliche Mauer, an der alles
aus und vorbei ist, sondern Tor und Durchgang zum Leben; nicht Ende,
sondern Wende; nicht Schlusspunkt, sondern alles verheißender
Doppelpunkt.
„Ich bin die Tür“,
sagt Jesus, „wer durch mich eintritt, wird
gerettet werden. Er wird Leben haben, Leben in Fülle.“
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wenn wir Eucharistie
feiern, will Gott uns einen Vorgeschmack dieser Tür zum Leben schenken.
Denn diese Feier nimmt uns hinein in das Gesetz des Weizenkorns, hinein
in das Geheimnis von Sterben und Auferstehen, von Tod und Leben.
Sie verbindet uns und
schenkt uns Gemeinschaft mit dem, der die Tür zum Leben ist, die Tür von
der Trauer zur Freude, vom Dunkel zum Licht, von der Mühsal und Not zu
Hoffnung und Glück.
Versuchen wir jeden Tag
so zu leben und so zu wirken, dass wir einmal das beseligende Wort hören
dürfen, das uns die Tür öffnet zur Gemeinschaft mit Gott: „Komm, du guter und treuer Diener, tritt ein, nimm teil
an der Freude und am Festmahl deines Herrn!“