Erste Lesung
Sie alle verharrten einmütig im Gebet
Lesung
aus der Apostelgeschichte
Als Jesus in den Himmel
aufgenommen worden war,
12kehrten
die Apostel von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen
Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück.
13Als
sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun
ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philíppus und
Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und
Simon, der Zelót, sowie Judas, der Sohn des Jakobus.
14Sie
alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und
Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Die Lesung aus der
Apostelgeschichte zeigt uns die Kirche ganz am Anfang. Sie zeigt sie uns
sozusagen in ihrem „embryonalen Zustand“.
Die kleine Jüngergemeinde
befindet sich im Saal in Jerusalem, dem sogenannten Obergemach, in dem
Jesus auch der Überlieferung nach das letzte Abendmahl mit den Seinen
gehalten hat.
Namentlich aufgezählt sind
die 11 Apostel ohne Judas. Genannt sind auch die Frauen, die zum
Jüngerinnen- und Jüngerkreis Jesu gehörten. Genannt sind auch die
„Brüder Jesu“, die wir als Verwandte Jesu verstehen dürfen und die sich
offensichtlich dem Jüngerkreis angeschlossen hatten.
Interessant ist, dass
Maria, die Mutter Jesu, nicht einfach dem Kreis der Frauen zugezählt
wird, sondern eine Sonderstellung einnimmt. Sie wird als „Maria, die
Mutter Jesu“ eigens namentlich aufgeführt.
Liebe Schwestern und
Brüder,
diese christus-gläubigen
Menschen im Saal in Jerusalem bilden sozusagen die Keimzelle der Kirche.
Noch ist diese kleine Urgemeinde verängstigt und unsicher. Aber sie
betet, neun Tage lang. Daraus hat sich die kirchliche Tradition der
„Novene“, des neuntägigen Gebetes, gebildet, in welchem Gemeinden,
Gemeinschaften oder auch Einzelne in wichtigen Anliegen neun Tage lang
beten.
Am Pfingsttag bricht dann
der Heilige Geist herein in den Saal von Jerusalem. Er kommt im Zeichen
des Sturmes, des tosenden Orkans, als Symbol unbändiger Kraft; im
Zeichen des Feuers, dem Symbol der glühenden Leidenschaft und
Begeisterung, der Wärme und Geborgenheit; im Zeichen der Zungen als
Symbol des Verstehens und der Eintracht. Der Heilige Geist ist die Seele
der Kirche. Er ist ihr Lebensprinzip.
Aber nicht nur der Kirche
als ganzer oder als Institution oder als Gemeinde bzw. Gemeinschaft,
sondern jedes einzelnen Christen. Jeder einzelne Christ ist
geisterfüllt. Jeder Getaufte trägt in sich den Geist Christi, der ihn
gestalten und durch ihn sich in der Welt auswirken will, damit Kirche
öffentlich und für alle Völker als sichtbares Zeichen des Heils
erkennbar werden kann.
Werfen wir noch einmal
einen Blick in den Saal in Jerusalem, wo die Urgemeinde sich versammelt
hat:
Maria als Mutter Jesu wird
eigens genannt. Daraus hat sich eine liebenswerte Legende gebildet:
Einige Kilometer von Damaskus/Syrien entfernt, gibt es ein christliches
Dorf mit dem Namen Ma-a lula. Dieses Dorf zeichnet sich durch zwei
Besonderheiten aus: Zum einen: Die Christen dort verstehen noch die
Sprache Jesu, das Aramäische, das nach wie vor weitergegeben wird. Und:
Es gibt dort ein griechisch-orthodoxes Frauenkloster, in welchem die
Nonnen in einem wunderschönen gestalteten Schrein eine Ikone verwahren:
Maria mit dem Kind. Die Nonnen behaupten und bekennen: Lukas, der
Evangelist und Verfasser nicht nur des nach ihm benannten Evangeliums,
sondern auch der Apostelgeschichte, habe diese Ikone gemalt.
Wir westlich geprägten
Christen werden sagen: Selbstverständlich hat Lukas diese Ikone nicht
gemalt. Und doch sagt die Legende die Wahrheit. Zwar hat Lukas die Ikone
nicht mit einem Pinsel gemalt, aber er hat uns als einziger
Schriftsteller des Neuen Testamentes im übertragenen und geistlichen
Sinn ein Marienbild hinterlassen.
Dieses Bild trägt zwei
markante Züge: Im lukanischen Kindheitsevangelium ist immer wieder davon
die Rede, dass Maria alle Geschehnisse und Worte bewahrte und in ihrem
Herzen überdachte (vgl. Lk 2, 19.51b). – Demnach wäre Maria die Erste,
von der wir Bibellesung und Bibelarbeit im Sinne meditativen Umgehens
mit der Heiligen Schrift lernen können.
Noch wichtiger ist für uns
das zweite Charakteristikum Marias: Maria bildet im Kreis der Urgemeinde
gleichsam die Mitte, das Herz der Urgemeinde. Sie steht für
Mütterlichkeit und das weibliche Element in der Kirche. Gerade heute, in
der Situation, in der Kirche sich befindet, wäre die Besinnung darauf
ganz, ganz wichtig. Wenn z.B. darüber nachgedacht wird, wie die Kirche
mit gescheiterten Ehen und wiederverheiratetet Geschiedenen umgehen
soll. Vielleicht könnte Maria als die Mitte der Urgemeinde uns auch
einen Denkanstoß geben in der Frage, wie wir mit dem Problem des Amtes
für Frauen umgehen sollen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Im Saal in Jerusalem
zeigen sich die ersten Anfänge der Kirche. Einige Elemente sind
verbindlich und unverzichtbar für die Kirche aller Jahrhunderte: die
Gemeinschaft, das gemeinsame Gebet, das Warten auf den Heiligen Geist,
verbunden mit der Bereitschaft, seinem Willen zu folgen. Verbindlich und
unverzichtbar für die Kirche aller Zeiten ist selbstverständlich auch
Maria in ihrer Sonderstellung als Herz der Kirche.
Liebe Schwestern und
Brüder,
Wir in unserer Kirche
haben zahllose Gremien und führen auf allen Ebenen unzählige Sitzungen
durch. Zweifellos muss vieles davon sein. Es braucht Besprechungen,
Beratungen, Organisation und ein gewisses Management. Aber wie steht es
mit dem Gebet? Dem persönlichen und dem gemeinschaftlichen? Kommt es
nicht viel zu kurz? – Und warum? Trauen wir dem Gebet etwa wenig oder
gar nichts zu? Fehlt es uns an Glaube? – Oder halten wir Gott für einen
weit Entfernten, ein höchstes Wesen irgendwo hoch oben, der sich für uns
und die Welt gar nicht interessiert und der auch gar nicht willens ist,
helfend einzugreifen? – Oder fürchten wir vielleicht, das machtvolle
Wirken von Gottes heiligem Geist könnte unsere Pläne und fixen Ideen
durcheinanderwirbeln?
Jedenfalls: Kirchliche
Probleme lassen sich nicht mit bloßem Diskutieren, Dialogisieren,
Beraten und Managen lösen, und schon gar nicht durch Anleihen bei den
Methoden von Parteien und Großunternehmen. Wo Kirche, statt die
Erleuchtung und Dynamik von Gottes Heiligem Geist zu erbitten, unter den
Schutzmantel weltlicher Macht schlüpft, da beweist sie nur ihren
Unglauben.
Lösungen für unsere
kirchlichen Probleme können wir nur finden, wenn wir uns unablässig, als
Einzelne und als Gemeinden, betend dem Sturm und Feuer des Heiligen
Geistes aussetzen. – Tun wir das? Tun wir es genügend? Oder sitzen wir
ganz viel und beten zu wenig?
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