ZWEITE LESUNG
Wer in der Liebe bleibt, bleibt
in Gott, und Gott bleibt in ihm
Lesung
aus dem ersten Brief
des Johannes
11Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.
12Niemand hat
Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe
ist in uns vollendet.
13Daran
erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt: Er hat uns von
seinem Geist gegeben.
14Wir
haben geschaut und bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als den Retter
der Welt.
15Wer
bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott, und er bleibt in
Gott.
16Wir
haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen.
Gott
ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in
ihm.
Eine Geschichte
erzählt von Fischen, die zueinander sprachen: „Man behauptet, dass unser
Leben vom Wasser abhängt. Aber wir haben noch nie Wasser gesehen. Wir
wissen nicht, was Wasser ist.“ – Da sagten einige, die klüger waren als
die anderen: Wir haben gehört, dass draußen im Meer ein gelehrter Fisch
lebt, der alle Dinge kennt. Wir wollen zu ihm gehen und ihn bitten, uns
das Wasser zu zeigen.“ – So machten sie sich auf und schwammen zu dem
gelehrten Fisch. Als dieser sie angehört hatte, sagte er: „Oh, ihr
dummen Fische! Im Wasser lebt und bewegt ihr euch. Aus dem Wasser seid
ihr gekommen und zum Wasser kehrt ihr zurück. Ihr lebt im Wasser, aber
ihr wisst es nicht.“
Wie den Fischen im
Wasser,
geht es so nicht auch manchen Menschen? Sie sagen zu denen, die an Gott
glauben: „Ihr behauptet, dass das Leben des Menschen von Gott abhängt.
Aber wir haben Gott noch nie gesehen. Wir wissen nicht, wer Gott ist.
Und wir wissen auch nicht, wo Gott ist.“ – Und unseres Antwort?
Den Fischen, die nach dem
Wasser fragten, das sie noch nie gesehen hatten, antwortete der gelehrte
Fisch: „Im Wasser lebt und bewegt ihr euch…Ihr lebt im Wasser, aber ihr
wisst es nicht.“
Auf Gott übertragen
könnte unsere Antwort die sein, die bereits der Apostel Paulus den
Athenern gab: „In IHM (Gott) leben wir, in IHM bewegen wir uns und in
IHM sind wir“. Ob wir es wissen oder nicht, es ist so. Der Mensch lebt
in Gott. Gott ist in allen Menschen. Und alle Menschen sind in Gott.
In der zweiten Lesung
aus dem ersten Johannesbrief haben wir die Antwort ein wenig anders
formuliert gehört, aber ebenfalls ganz klar und deutlich: „Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, bleibt
in Gott, und Gott bleibt in ihm.“
Liebe und Gott
werden hier gleichgesetzt. Sie sind identisch. Das eine gibt es nicht
ohne das andere. Die Liebe gehört zu Gott wie das Wasser zum Fisch. –
Und der 1. Johannesbrief fügt hinzu: So soll es auch beim Menschen sein:
Die Liebe gehört zum Menschen und der Mensch gehört zur Liebe.
Ich weiß:
Dieser Satz klingt recht einfach. Er klingt fast so banal wie ein
Schlagertext. Aber er ist es nicht. Denn Liebe meint hier mehr als das,
was in Schlagern besungen wird. Liebe ist etwas anderes als
Verliebt-Sein. Liebe ist auch mehr als ein wohliges Gefühl oder der
Austausch von ein paar Nettigkeiten.
„Wer in der Liebe
bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“
– welche Liebe damit gemeint ist, steht im Johannesbrief ein paar Zeilen
vorher. Da heißt es: „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch
offenbart, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit
wir durch ihn leben“ (1 Joh 4, 9).
Liebe hat also etwas
mit Hingabe zu tun.
Wer liebt, steht für den anderen ein. Wer liebt, hat Geduld mit dem
anderen. Wer liebt, ist bereit zur Vergebung. Wer liebt, fragt nicht
nur: Was hab ich davon und was springt für mich dabei
heraus, sondern wer liebt, wirklich liebt, denkt auch an den anderen,
wünscht und gönnt dem anderen Gutes und ist darauf bedacht, dass auch er
auf seine Kosten kommt.
„Wer in der Liebe
bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“
Gibt es Gott? Und: Wo ist
Gott? So fragen viele. Wo Menschen in der Liebe leben, da ist Gott,
antwortet der 1. Johannesbrief. Das klingt so einfach wie das mit den
Fischen und dem Wasser.
In der Tat:
Glaube muss nicht kompliziert sein. Aber erfahrbar – in der Liebe! Ein
gern gesungenes Lied von Taize sagt es so: „Ubi
caritas et amor, deus ibi est. – Wo die Güte und die Liebe, da ist
Gott.“
(Den „roten Faden“
sowie einige Gedanken und Formulierungen verdanke ich einer
Predigtvorlage von Alfons Gerhardt)
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