In anderen Ländern hat man von uns Deutschen nicht selten
den Eindruck: „Sie leben, um zu arbeiten.“ – Außerhalb
Deutschlands, besonders in den südlichen Ländern, ist die Einstellung
zur Arbeit etwas anders: „Wir arbeiten, um zu
leben.“
So kann es nicht verwundern, dass vieles
auch im Bereich der Kirche und Seelsorge bei uns in Deutschland mit
Arbeit zu tun hat: Jugendarbeit, Missionsarbeit, Altenarbeit,
Ministrantenarbeit usw.
Viel Bereitschaft, viel Eifer und Mühe
werden heute in der Kirche und für die Kirche aufgebracht: Synoden,
Konferenzen, Sitzungen, Tagungen, Jahresprogramme. Es fehlt wahrhaftig
nicht an Einsatz. Viel Zeit und Kraft wird investiert. Nicht selten
gehen Priester, Seelsorger, Hauptamtliche und Ehrenamtliche in ihrem
kirchlichen Engagement so auf, dass die Arbeit über ihre physischen und
psychischen Kräfte hinausgeht.
Trotzdem macht sich an vielen Orten
Resignation breit. Trotz aller Mühe bleibt oft der Erfolg aus. Und die
Enttäuschung ist groß.
Arbeiten wir vielleicht doch noch zu
wenig?
Aber was machen wir nicht alles? Was wird
nicht alles in Gang gesetzt? Wie viele Programmpunkte und Aktivitäten
allenthalben?
Da rackert man sich ab und strampelt sich
ab… Doch – wie es scheint – umsonst, vergeblich, ohne Erfolg. Die Schar
der Treuen wird eher kleiner. Die Kirchenaustritte nehmen zu. Die
Kirchenbänke werden immer leerer.
Aber nicht nur, was den Arbeits- und
Organisationsaufwand anbelangt, sondern auch was die Geldmittel
betrifft, müssten unsere Kirchen und Gemeinden in Deutschland zu den
lebendigsten auf der ganzen Welt zählen.
In dieser Situation der Erfolglosigkeit
trotz aller Anstrengung, der Enttäuschung und Resignation trotz aller
Kraftakte und allem Arbeitsaufwand, da kann uns das heutige Evangelium
eine Hilfe sein und einen geistlichen Fingerzeig geben.
„Ich gehe fischen“,
sagt Petrus. Die anderen: „Wir kommen mit.“
Die Elf haben wohl endgültig alle
Hoffnung aufgegeben. Die Sache mit Jesus war gescheitert. Die
Katastrophe des Karfreitags liegt hinter ihnen. Sie sind nach Hause, ins
abgelegene Galiläa, an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt und gehen wieder
ihrem früheren Beruf nach. Von irgendetwas muss ja leben.
Jesus, ihr Leben mit ihm, ihre
Freundschaft mit ihm scheint passe zu sein. Das war’s dann. Der Alltag
hat sie wieder.
Liebe Mitchristen!
Geht es uns nicht ähnlich? Wenden wir uns
nicht ebenso intensiv dem Alltäglichen zu? Übersehen und vergessen wir
bei aller Arbeit und bei allem Tun, bei allem in Beschlag-genommen-Sein
von Aufgaben und Pflichten nicht den, der uns gerufen hat, dessen Namen
wir als Christen tragen?
Kann nicht selbst Arbeit in der Kirche in
leeren Aktionismus, in ruhelose Betriebsamkeit ausarten und zur Routine
werden? Wie schnell vergessen wir, worum es eigentlich geht? Es läuft ja
ganz gut. Alles ist so schön eingespielt?
Liebe Schwestern und Brüder!
Was uns heute fehlt, das ist kein Mehr an
Organisation. Das sind nicht noch mehr Veranstaltungen oder zusätzliche
Termine, kein schnelleres Laufen, noch mehr Betrieb. – Wir müssen uns
vielmehr auf die Mitte besinnen, die der Herr ist, sich seiner Gegenwart
bewusst sein. Es gilt immer wieder die Verbindung zu ihm zu suchen.
Sonst mühen wir uns umsonst. Sonst bauen wir an hohlen Fassaden. ER,
nicht unser Tun und Planen und Schaffen und Machen ist die Lebenskraft
der Kirche. ER ist ihre Mitte und ihr Herz.
„Aber in dieser Nacht fingen sie nichts“,
heißt es im Evangelium. Auch das Altvertraute funktioniert nicht mehr.
Ohne Jesus blieben die Netze leer. Null
Erfolg. Alles vergeblich.
Doch Jesus steht am Ufer und wartet. Er
ist mit den Seinen. Er ist mit seiner Kirche. Er sorgt sich um sie.
„Meine Kinder“,
so spricht er die Jünger an. Keine Vorwürfe! Keine Vorhaltungen!
Liebevoll wendet er sich ihnen zu.
Seine Frage, ob sie etwas zu essen haben,
können sie nur verneinen. Sie haben nichts. Nicht einen einzigen Fisch.
Leere Hände. Die Enttäuschung ist ihnen ins Gesicht geschrieben, die
Trauer an den Augen abzulesen.
Da hat – zwischen Nacht und Tag – die
Gestalt am Ufer ein Wort für sie: „Werft die Netze auf der rechten
Seite des Bootes aus!“
Kein Fischer wird ernsthaft glauben, dass
der Fang auf der einen Seite des Bootes erfolgreicher ist als auf der
anderen. Und doch hören sie auf sein Wort. Sie tun, was er sagt,
entgegen aller eigenen Erfahrung. Sie wagen das Ungewöhnliche, das an
und für sich Widersinnige. Und sie haben Erfolg. 153 Fische. (So viele
Fischarten gab es nach damaliger Kenntnis.) Was für ein Fang! Das pralle
Leben. Die Fülle des Lebens wird den Jüngern da plötzlich in die Hände
gelegt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Auch für uns gilt und ist entscheidend:
Das Wort des Herrn hören und danach
handeln. Seinen Willen tun. Seinen Eingebungen folgen. Und ganz auf die
Macht des Herrn vertrauen. Nicht die Segel streichen! Nicht den Kopf
hängen lassen! Auf sein Wort hin noch einmal hinausfahren, die Netze
wieder auswerfen.
„Sie warfen das Netz aus und konnten es
nicht wieder einholen, so voller Fische war es.“
Der Jünger, den Jesus liebte, erfasst als
erster, was hier vor sich geht. Es wird ihm klar: „Es ist der Herr!“
Er ist da. Er ist bei ihnen.
Liebe Mitchristen!
Seit Ostern wissen wir, dass auch in
unserer Nacht des Umsonst, der Vergeblichkeit, dass in den Tagen der
leeren Hände und Herzen, dass an den Tiefpunkten unseres Dasein einer am
Ufer steht und auf uns wartet.
Seit Ostern wissen wir, dass es einen
gibt, der uns nicht im Stich lässt, der bei uns ist, mit uns geht, uns
versteht, uns den Weg weist und uns Mut macht zum Leben.
Im Brot, im Mahl, schenkt er uns seine
Gegenwart, sich selbst.
Mit dem Jünger, den Jesus liebte, wollen
auch wir bekennen:
„Es ist der Herr!“
Er
nährt uns. Er stärkt uns. Er ruft uns ihm zu folgen. Er ist der
Beistand, der uns nicht verlässt.