Meinem Empfinden und meiner Überzeugung
nach haben wir vorhin in der zweiten Lesung und soeben im Evangelium
einige der schönsten Sätze der Bibel gehört, Aussagen, die zum Kern
unseres Glaubens gehören.
In
der Lesung: „Wir wollen einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott“ Und:
„Gott ist die Liebe.“ Im Evangelium: „Wie mich der Vater
geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“
Finden Sie nicht auch, dass hier - wie in
einem Brennpunkt – die ganze frohe Botschaft enthalten ist? Leuchtet
hier nicht wirklich die Mitte unseres Glaubens auf?
Und hat sich Gott nicht in der Tat immer
wieder den Menschen so gezeigt und so sich ihnen zugewandt?
Ist er ihnen nicht immer wieder
entgegengekommen?
Hat er nicht immer wieder seine Hand
ausgestreckt?
Hat er dem Volk Israel nicht immer wieder
sein Heil angeboten und seinen Bund mit ihm erneuert?
Ist das nicht auch das tragende Motiv für
die Menschwerdung, ja für das gesamte Christusereignis? Das tragende
Motiv: seine Liebe, sein Heilswille, sein Erbarmen?
Und das Faszinierende, Großartige dabei:
Gottes Liebe ist bedingungslos. Sie hängt nicht - wie bei uns Menschen
oft - von Voraussetzungen und Umständen ab. Gott liebt uns nicht wegen
irgendwelcher Qualitäten oder Tätigkeiten oder Tüchtigkeiten.
Seine Liebe ist vor allem, was wir
bringen, leisten und vorweisen können. Sie ist vollkommene Überraschung,
reines Geschenk
Niemand kann sie sich verdienen; keiner
braucht es auch.
Niemand kann sie machen. Sie kommt nicht
aus uns. Sie kommt zu uns. Und Gott hat nicht nur
Liebe. Gott ist Liebe. Sein Wesen ist Liebe.
„Nicht darin besteht
die Liebe Gottes, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns
geliebt hat“,
heißt es (heute) im 1. Johannesbrief.
Liebe Schwestern und Brüder!
Oft fällt es uns leichter an Gottes
Gerechtigkeit und sein Gericht zu glauben, als an seine grenzenlose
Liebe, wirklich glauben und sie auch anzunehmen und daraus zu leben. Wie
unglaublich scheint uns das. Oft zweifeln wir daran, ohne Vorleistung
und Bedingung, ja selbst im Versagen, geliebt zu sein.
Vielfach ist das Gottesbild verzerrt zum
Aufpassergott, Gebote- und Verbotegott. Ängste vor Höllenstrafen sind
auch heute gar nicht so selten und plagen gerade die Sensiblen.
Liebe Schwestern und Brüder! „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch
offenbart, dass er seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat...“
Wir haben es heute wieder gehört: Gott
ist bereit, für uns alles hinzugeben, alles für uns einzusetzen. Nichts
ist ihm zu viel. Ganz weit ist er gegangen in seiner Liebe. Ganz viel
hat er sie sich kosten lassen: seinen eigenen Sohn.
Und
von ihm, dem Sohn, heißt es: „Da er die Seinen
liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung“.
Die Menschen, die Jesus begegnet sind,
haben etwas gespürt von der rettenden, heilenden, Leben spendenden Kraft
und Liebe Gottes: der blinde Bartimäus, der Zöllner Zachäus, Maria von
Magdala, der reumütige Schächer und viele andere.
Und Franziskus brauchte nur auf die
Krippe oder das Kreuz zu schauen, dann sah er die überströmende,
überfließende Liebe Gottes, „die alles Begreifen übersteigt...“.
Jesu ausgestreckte Arme am Kreuz sind
Zeichen seiner Liebe! Sein durchbohrtes Herz ist Zeichen seiner Liebe!
„Eine größere Liebe hat niemand“,
sagt Jesus (heute) im Evangelium, „als wer sein
Leben hingibt für seine Freunde.“
Das einzige, was Gott von uns will,
liebe Mitchristen, ist die Bereitschaft, seine Liebe
aufzunehmen, sich ihr zu öffnen, sie hereinzulassen in unser Leben und
IHM zu vertrauen.
Doch Gott zwingt sich nicht auf. Er geht
nicht mit Gewalt vor.
Der Mensch kann sich verweigern, sich
verschließen. Er kann die ausgestreckte Hand Gottes übersehen oder auch
zurückweisen. Er kann das Rufen Gottes überhören. Er kann blind und taub
sein für Gottes Werben und Einladen. Und er kann es auch ganz bewusst
ignorieren und ausschlagen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Auf einem Flurkreuz habe ich gelesen:
„Das tat ich für dich - was tust du für
mich?“
Ja, wie weit bin ich - angesichts der
großen Liebe Gottes - bereit zu gehen in meiner Liebe? Bin ich mir
bewusst, dass Gottes Liebe Gegenliebe will? Höre ich, wie seine Liebe
meine Liebe ruft? Erwidere ich seine Liebe? Bin ich bereit, Antwort zu
geben?
In
Portiunkula bei Assisi
gibt es die Tränenkapelle. Franziskus war betroffen und überwältigt vom
Erbarmen und von der Liebe Gottes. Es wird erzählt: Eines Tages sei er
weinend vom Gebet gekommen. Da begegnete ihm ein Bauer und fragte: „Bruder Franz, warum weinst du?“ Franziskus erwiderte:
„Die Liebe
Gottes wird nicht geliebt.“
Die Geschichte sagt, da habe auch der
Bauer angefangen zu weinen.
„So sehr hat Gott die Welt geliebt...“
An einer anderen Stelle heißt es:
„Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen
auch wir einander lieben.“
„Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“
Dazu
muss man nicht in die Ferne schweifen.
Liebe üben!
Damit fängt man am besten dort an, wo man buchstäblich zu Hause ist. Da,
im oft zermürbenden Alltag, im täglichen Miteinander, da, wo’s die
Reibungen und Spannungen gibt, da, wo die Konflikte entstehen, da, wo’s
manchmal knistert und funkt und vielleicht auch mal kracht, da, wo der
andere einem aufregt und nervt...
Auf
dem Blatt eines Abreißkalenders habe ich einmal folgenden Spruch
gelesen: „Geduld ist die Alltagsform der Liebe,
Verzeihen die Höchstform.“
Wo wir Geduld haben und einander
ertragen, wo wir verzeihen und barmherzig sind, da erfüllen wir den
Auftrag Jesu: „Liebt einander!“
Wo wir das versuchen und uns täglich
darum mühen, da fallen Strahlen der Liebe Gottes in unsere Lebenswelt.
„Seien wir ein Fenster, durch das ein unendlich Größerer mit seiner
Liebe hindurchschimmert!“
(A. Kner)
Vergessen wir es nicht: Es
ist Liebe zu Gott, wenn wir die Schwester, den Bruder lieben!
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