Zweite Lesung
Ein Engel zeigte mir die
heilige Stadt, wie sie aus dem Himmel herabkam
Lesung
aus der Offenbarung des
Johannes
10Ein Engel
entrückte mich im Geist auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die
heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam,
11erfüllt von der
Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein
kristallklarer Jaspis.
12Die Stadt hat
eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf
die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne
Israels.
13Im Osten hat
die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und
im Westen drei Tore.
14Die Mauer der
Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf
Apostel des Lammes.
22Einen Tempel
sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über
die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm.
23Die Stadt
braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit
Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm.
Evangelium
Der Heilige Geist wird
euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe
+
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
In jener Zeit sprach Jesus
zu seinen Jüngern:
23Wenn
jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben
und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen.
24Wer
mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört,
stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
25Das
habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin.
26Der
Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden
wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich
euch gesagt habe.
27Frieden
hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt
ihn gibt, gebe ich ihn euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage
nicht.
28Ihr
habt gehört, dass ich zu euch sagte: Ich gehe fort und komme wieder zu
euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater
gehe; denn der Vater ist größer als ich.
29Jetzt
schon habe ich es euch gesagt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es
geschieht, zum Glauben kommt.
Da haben wir vorhin eine
Lesung aus der Offenbarung des Johannes gehört. Darin wird das neue
Jerusalem beschrieben – die neue Stadt, die vom Himmel herab auf die
Erde kommt. Eine Stadt, die vollkommen erbaut ist. Und die glänzt durch
ihr kostbares Baumaterial und ihr Ebenmaß. – Etwas überrascht jedoch: Es
gibt dort keinen Tempel, kein Gotteshaus, keine Synagoge, keine Kirche.
Und man mag sich fragen: Wie geht das: Eine Stadt Gottes – ohne Haus
Gottes? Ist das nicht enttäuschend, wo uns doch Kirchen so wichtig sind?
Liebe Schwestern und
Brüder!
Ich sage jetzt mal ganz
mutig: Genau das ist es: Enttäuschend! – Ja, unser Christentum will
ent-täuschen… Es will nämlich von der Täuschung befreien, Gott sei nur
dann groß und mächtig, wenn unsere Kirchen groß und prächtig sind. –
Unser Glaube will uns von der Täuschung befreien, wir Christen hätten
nur dann Einfluss, wenn wir großartige Bauwerke haben und wenn unsere
Kirchenleitungen sich wie Mächtige und Herrscher aufführen, wenn wir uns
hofieren und bedienen lassen. Und wenn die Äußerlichkeiten, der Prunk
und Protz wichtiger werden als das Innere.
Nein, so will es wohl die
Lesung deutlich machen, nicht an den Tempeln und Kirchen wird man Gott,
den Herrn, erkennen, sondern an seinen Menschen. Denn dort will er
wohnen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Das Johannesevangelium
bringt es auf den Punkt. Da lässt der Evangelist Jesus zu den Jüngern
sagen: Wer mich liebt und wer an meinem Wort festhält, den wird der
Vater lieben – und wir werden kommen und bei ihm wohnen.
Ist das nicht erschreckend
und aufregend zugleich? Ein Gott, der gar nicht in Tempeln wohnen will,
sondern in den Menschen Wohnung nehmen will… Ein Gott, der deshalb gar
keinen Tempel braucht, sondern der Menschen bevorzugt. Menschen, die so
leben, dass man an ihnen erkennen kann: Da ist Gott. Wo diese sind und
leben, da ist auch Gott gegenwärtig.
Ein Gott, der in Menschen
wohnen will, damit sie zu „Geistlichen“ werden. Geistliche, so sagte
ich. Und ich meine damit jetzt nicht Priester oder Bischöfe, sondern ein
„Geistlicher“ kann jeder Mensch sein, jeder, egal ob Mann oder Frau,
jeder. Die einzige Voraussetzung, um ein „Geistlicher“ sein zu können,
ist, dass da jemand in seinen Gedanken, in seinem Herzen, in seinem
ganzen Leben Platz hat für Gott. – In wem Gott wohnen darf, der ist ein
geistlicher Mensch.
Aber wenn Gott in den
Menschen wohnt, dann muss es dort auch neue Wohnverhältnisse geben. Dann
muss auch Platz sein für ihn, damit Gott sich nicht als Gast, nicht als
Besucher fühlt, mit dem man sich am Sonntagmorgen mal eine Stunde
beschäftigt – und man dann hofft, dass er bald wieder weggeht, damit man
weitermachen kann wie bisher – ohne Gott.
Nein, wenn er bleiben
soll, dann muss er auch Raum haben. Dann muss Gott auch in das Leben der
Menschen hineindürfen, so dass er dieses Leben auch verändern und
verwandeln kann.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Damit Gott in einem
Menschen wohnen kann, muss dort Raum sein für den Frieden Gottes.
Für jenen Frieden, der die Menschen verwandelt, der sie friedlich und
friedfertig macht und zu versöhnten Menschen. Denn diese können eine
ganze Welt verändern, sie zur Welt Gottes machen.
Damit Gott in einem
Menschen wohnen kann, muss dort auch Platz sein für Barmherzigkeit,
die aufrichtet und Leben neu möglich macht, weil im Licht dieser
Barmherzigkeit nicht mehr das zählt, was war, sondern was sein kann –
mit diesem Gott und durch diesen Gott. Barmherzigkeit, die niemanden
abschreibt oder fallen lässt, wenn er mal nicht fehlerfrei und perfekt
gewesen ist, sondern die dem Verlorenen nachgeht – solange, bis er es
findet.
Und damit Gott in einem
Menschen wohnen kann, muss dort auch die Liebe mit einziehen dürfen,
jene göttliche Liebe, die immer wieder neu nach uns Menschen fragt, weil
wir so wichtig sind für diesen Gott. Für Gott gibt es nichts Wichtigeres
als den Menschen. Denn er selbst ist ja Mensch geworden.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Menschen, in denen Gott
wohnen darf, die werden selbst zu einer neuen Schöpfung, zum Tempel
seiner Herrlichkeit… Und diese Menschen kann man spüren, wenn sie uns
begegnen, denn sie tun gut. Sie sind ein Segen für andere. Menschen,
die nicht um ihrer selbst willen leben, sondern – wie der Herr auch – um
der anderen Menschen willen. Menschen, die diesen Gott nicht für sich
allein haben wollen, damit sie ihn festhalten können, sondern die Gott
in sich wohnen lassen, damit sie ihn zu anderen bringen können, damit
sie ihn zur Welt bringen können, zu einer Welt, die ihn braucht, damit
sie durch ihn menschlicher und göttlicher werden kann.
Diese Predigt stützt sich
auf eine Vorlage von Richard Baus
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