„Habt keine Angst!“
– Wörtlich übersetzt: „Nicht erschüttert werden soll euer Herz!“
Dieser Aufruf, liebe
Schwestern und Brüder, steht am Beginn des heutigen Evangeliums. Er
wird verstärkt durch einen zweiten Aufruf unmittelbar danach: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“
Worte des Trostes, Worte
der Ermutigung, Worte, die zum Glauben und zum Vertrauen aufrufen.
Damals gesprochen zu den Jüngern, von denen Jesus Abschied nimmt. Er hat
bereits sein Leiden und seinen Tod vor Augen. Sie sind verunsichert,
verwirrt, verzagt. Sie haben Angst. Sie fragen wie es weitergehen soll
und was kommen wird.
Heute, liebe Schwestern
und Brüder, dürfen wir die Worte Jesus auf uns hin hören,
hineingesprochen ebenfalls in eine Situation der Bedrängnis, der
Unsicherheit und Angst, hervorgerufen durch die Corona-Pandemie. Eine
gewaltige Erschütterung, die alle Lebensbereiche erfasst hat und die
ganze Welt in Atem hält.
Eine heftige
„Vollbremsung“ und wochenlanger Stillstand auf fast allen Ebenen.
Zwar gibt es jetzt die
ersten Lockerungen, aber vieles ist noch ungewiss und ein Ende ist noch
nicht in Sicht. Vermutlich wird uns das Corona-Virus mit seinen
gravierenden Folgen noch eine ganze Zeit lang beschäftigen.
Liebe Mitchristen!
Eine Frage, die sich mir
stellt, lautet: Wird uns diese schlimme – und so noch nie dagewesene –
Krise zum Nachdenken bringen? Wird das Anhalten, der Shutdown, das
Herunterfahren aller Betriebsamkeit auch zum Innehalten führen, zur
Besinnung, zum Umdenken und zur Umkehr?
Papst Franziskus
hat es
in einer Predigt vor Ostern meines Erachtens sehr schön und treffend auf
den Punkt gebracht:
„Herr…, in unserer
Welt, die du noch mehr liebst als wir, sind wir mit voller
Geschwindigkeit weitergerast und hatten dabei das Gefühl, stark zu sein
und alles zu vermögen. In unserer Gewinnsucht haben wir uns ganz von den
materiellen Dingen in Anspruch nehmen und von Hast und Eile betäuben
lassen. Wir haben vor deinen Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns
von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir
haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwerkranken Planeten
gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir
in einer kranken Welt immer gesund bleiben…“
Ja, waren wir nicht in
der Gefahr einem Allmachtswahn zu verfallen? Alles im Griff! Wir machen
das! Bis ein klitzekleiner, unsichtbarer Virus kommt und alles
durcheinander bringt und alles lahm legt.
Vor ein paar Wochen habe
ich in der FAZ folgende Anzeige der Bundesregierung gelesen: „DANKE
für so wenig Kontakt wie möglich --- Jetzt zählt das WIR.“ WIR war
großgeschrieben.
Und wenn der ganze Spuk
vorbei ist, habe ich mich gefragt, zählt dann wieder das Ego? Wird dann
wieder das ICH groß geschrieben. Geht es hinterher weiter mit Gieren,
Geizen und Gewinnmaximierung, koste es, was es wolle? Und der Mensch
bleibt auf der Strecke? Geht es nachher weiter mit dem unerbittlichem
Streben nach Profit, nach Prestige und Positionen, auf Teufel komm raus.
Und oft kommt er dann auch raus.
Ob wir etwas aus dieser
Krise lernen? Oder ist nachher ganz schnell alles wieder beim Alten,
dahinter wie davor?
Liebe Schwestern und
Brüder!
Ich glaube nicht, dass
die Corona-Pandemie eine Strafe Gottes ist. Gott ist kein Sadist. Er
will nicht Untergang und Verderben, sondern Segen und Heil. Die Krise
ist meines Erachtens ein Fingerzeig. Die Frage ist, ob wir ihn
wahrnehmen? Ein Weckruf. Ob wir ihn hören und aufwachen? Eine
eindringliche Mahnung. Ob wir sie zu Herzen nehmen?
Jede Krise ist auch eine
Herausforderung und eine Chance, die Chance, Prioritäten neu zu setzen,
nach dem rechten Maß und nach dem Ziel zu fragen. Was zählt? Was ist
wichtig? Was ist richtig? Was gibt dem Leben Sinn? Vieles in unserer
Gesellschaft und auch in der Kirche gehört auf den Prüfstand.
Peter Rosegger sagt es
in einem bekannten Gedicht so:
Ein bisschen mehr
Friede und weniger Streit,
ein bisschen mehr Güte
und weniger Neid,
ein bisschen mehr
Liebe und weniger Hass,
ein bisschen mehr
Wahrheit, das wär doch was.
Statt so viel Hast ein
bisschen mehr Ruh‘,
statt immer nur Ich,
ein wenig mehr Du,
statt Angst und
Hemmungen ein bisschen mehr Mut
und Kraft zum Handeln,
das wär gut.
Kein Trübsinn und
Dunkel, mehr Freude und Licht,
kein quälend
Verlangen, ein froher Verzicht,
und viel mehr Blumen,
so lange es geht,
nicht erst auf
Gräbern, da blühn sie zu spät.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wir haben nicht alles in
der Hand. Und nichts ist selbstverständlich. Das Leben ist ein Geschenk.
zerbrechlich und endlich. Bewusster leben, achtsamer, dankbarer!
Mitfühlen, Rücksicht nehmen, solidarisch sein, Geduld haben, helfen, wo
Hilfe nötig ist. Das wären meines Erachtens hoffnungsvolle Ziele, auch
für die Zeit nach Corona.
Und natürlich die
Hoffnung auf den Herrn setzen! Auf Gott vertrauen, gerade auch in
stürmischen und schwierigen Zeiten. Im Psalm 27 heißt es: „Hoffe auf
den Herrn und sei stark! Hab festen Mut und hoffe auf den Herrn.“.
„Nicht erschüttert
werden soll euer Herz! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“
ruft Jesus heute im Evangelium den Seinen damals und uns heute zu. –
Sich also fest machen in Gott! Tragenden Grund finden in IHM! Halt
finden in IHM!
Und nicht vergessen, es
sich immer wieder bewusst machen: „Gott ist mit uns am Abend und am
Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag!“ (D. Bonhoeffer).
In IHM dürfen wir aufatmen. Beim IHM uns
geborgen wissen. Amen