Zu den
Worten, die am meisten missverstanden, ja missbraucht werden, gehört das
Wort „Liebe“.
Philosophen und Psychologen reden davon, Schlager und Filmtitel, Romane
und Gedichte – und natürlich die Bibel.
Im
Evangelium heute sagt Jesus: „Ein neues Gebot
gebe ich euch: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“
„Ein neues Gebot“,
nennt es Jesus. Doch was ist daran neu?
Gab es
das Gebot der Liebe nicht schon vor Jesus? Steht es nicht schon im
Ersten Testament, sowohl das Gebot der Liebe zu Gott als auch das Gebot
der Nächstenliebe?
Worin
besteht also das Neue an diesem Gebot?
Neu
und herausfordernd ist nicht das „Liebt einander“, sondern der
Nachsatz: „Wie ich euch geliebt habe.“
In diesem
Zusatz macht Jesus seine Liebe maßgebend.
Jesu
Liebe, die Liebe, die er uns erwiesen hat, soll Maßstab und Richtschnur
für unsere Liebe sein.
„Liebt
einander. wie ich euch geliebt habe!“
Nicht allgemeine Nächstenliebe ist damit gemeint im Sinne von
„Seid
nett zueinander“, auch nicht, was man üblicherweise unter Humanität
versteht, auch nicht nur „rechte Lebensführung“, sondern mehr, viel
mehr: „Wie ich euch, so ihr einander“.
„Wie ich euch“.
– Wie aber hat Jesus geliebt?
Wir
können sagen: Er war ganz für andere da.
Das
kleine Wörtchen „für“ ist in seinem Leben ein Hauptwort.
Sein
Leben war Solidarität und Hingabe von der Krippe bis zum Kreuz. Er gab
sich hin in seinem Leben und in seinem Sterben.
Der
Apostel Paulus bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben.“
Und Jesus
selbst sagt: „Eine größere Liebe hat niemand als wer sein Leben
hingibt für seine Freunde.“
Noch vom
Kreuz herab hat er aber auch für seine Feinde gebetet und dem reumütigen
Schächer das Paradies geöffnet.
Jesus hat
seine Liebe auch und gerade denen erwiesen, die damals nichts galten,
die verachtet waren, den Zöllnern und Sündern, den Kindern und Frauen,
den Krüppeln und Aussätzigen, den Armen und Kranken.
„Liebt
einander wie ich euch geliebt habe.“
Jesus
spricht diese Worte, nachdem er an den Jüngern einen großen,
zeichenhaften Liebesdienst vollzogen hat:
Er wusch
ihnen die Füße, und zwar allen, auch dem Judas, der ihn kurz darauf
verraten hat.
„Lieben wie er“
meint kein romantisches Gefühl.
Es heißt
vielmehr: im Anderen das Ebenbild Gottes erkennen und sich für ihn klein
machen, ohne die eigene Würde zu verlieren, die unverlierbar in Gott
gründet.
„Lieben wie er“
heißt, sich voreinander in den Staub knien, um dem anderen, ob Freund
oder Feind, Gottes hingebungsvolle Liebe erfahrbar zu machen.
Jesu
Liebesbeweis erschöpft sich nicht in der Fußwaschung.
Seine
ausgespannten Arme am Kreuz sind Zeichen seiner Liebe. Sein durchbohrtes
Herz ist Zeichen seiner Liebe.
„Liebt
einander wie ich euch geliebt habe.“
Wer kann
so lieben? Ist das nicht zu viel verlangt? Sind wir da nicht
hoffnungslos überfordert?
„Lieben wie er“:
Ist das nicht eine Zumutung? Ja, es ist wohl die größte Zumutung des
Christseins.
Wer sich
nämlich – wie Jesus – liebend zwischen Erde und Himmel ausspannt, bleibt
selbst nicht verschont.
„Lieben wie er“
bedeutet, zum Weizenkorn zu werden.
Es
bedeutet, sich loszulassen um des Anderen willen. Sich loslassen im
Vertrauen auf den, der durch alle Tode des Lebens hindurch Leben
schenkt.
„Lieben wie er“.
Gar nicht so leicht. Alles andere als einfach.
Auch wenn
es nicht immer gelingt, auch wenn wir immer wieder dahinter
zurückbleiben, dieses neue Gebot Jesu bleibt uns Christen aufgegeben. Es
kann und darf uns nicht gleichgültig sein. Es ist ja gleichsam das
Testament Jesu, sein Vermächtnis.
Wenn wir
dieses Vermächtnis ernst nehmen, dann können wir nicht anders, als seine
Liebe zu leben versuchen über alle Lieblosigkeit, allen Hass und Neid
und Streit hinweg.
Prüfstein
dieser Liebe sind nicht schöne Predigten, auch nicht kluge Gedanken oder
gescheite Erklärungen. Prüfstein ist der Alltag. Prüfstein ist die
praktisch gelebte Liebe inmitten der Mühsale und Belastungen des
täglichen Lebens, inmitten der unausweichlichen Spannungen und
Konflikten des Alltags.
„Liebe ist nicht nur ein Wort“,
heißt es in einem neuen geistlichen Lied, „Liebe, das sind Worte und Taten.“
Zum
Schluss sagt Jesus heute im Evangelium:
„Daran
werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander
liebt.“
Ist die
Liebe das Markenzeichen von uns Christen? Ist es unser
Erkennungszeichen?
Über die ersten Christen in der Verfolgungszeit sagten ihre heidnischen
Mitbürger: „Seht, wie sie einander lieben!“
„Liebt
einander wie ich euch geliebt habe.“
Jesus
traut uns zu, dass wir, die wir seinen Namen tragen, nicht nach den
Maßstäben dieser Welt handeln, sondern uns an ihm ein Beispiel nehmen.
Jesus
traut uns zu, dass wir, die wir zu ihm gehören, uns an dem orientieren,
was er gesagt und getan und uns vorgelebt hat.
Er traut
uns zu, Geduld zu üben, auch da wo es schwer fällt.
Er traut
uns zu, einander zu ertragen und anzunehmen, auch da, wo uns jemand
nicht so liegt.
Er traut
uns das Verzeihen zu, nicht nur 7 mal, sondern 77 mal, jedes Mal, sogar
dort, wo wir nicht schuld sind.
Nicht
mehr „wie du mir, so ich dir“, vergelten, sich rächen,
heimzahlen, sondern „wie ich euch, so ihr einander“.
Jesus
traut uns zu, dass wir lieben, wie er geliebt hat, unabhängig davon ob
jemand reich ist oder arm, angesehen oder verachtet, unabhängig davon ob
jemand schön ist oder nicht, intelligent oder nicht, gesund oder nicht,
unabhängig davon ob wir von jemandem profitieren oder nicht, ob uns
jemand nützlich ist oder nicht.
Und wenn
es schwer wird? Wenn wir an unsere Grenzen stoßen?
Dann ist
es gut, wenn wir uns selber unter den Regenbogen der Liebe Gottes
stellen, uns seiner Liebe öffnen, seine Liebe in uns aufnehmen, uns
davon erfüllen und durchdringen lassen.
Gott hat
uns zuerst geliebt. Seine Liebe ist ausgegossen in unseren Herzen durch
den Geist, der uns gegeben ist.
Wenn es schwer wird, dann dürfen wir um den Beistand und die Kraft von
oben bitten. „Entzünde in uns das Feuer deiner
Liebe!“
Inspiriere und motiviere uns zu lieben, wie du uns geliebt hast. |