Evangelium
Sie sollen eins sein, wie wir eins sind: Sie sollen
vollendet sein in der Einheit
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Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
20In
jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und
betete: Heiliger Vater, ich bitte nicht nur für diese
hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich
glauben.
21Alle
sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in
dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt
glaubt, dass du mich gesandt hast.
22Und
ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir
gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind,
23ich
in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in
der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich
gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich
geliebt hast.
24Vater,
ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei
mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit
sehen, die du mir gegeben hast, weil du mich schon
geliebt hast vor Grundlegung der Welt.
25Gerechter
Vater, die Welt hat dich nicht erkannt, ich aber habe
dich erkannt und sie haben erkannt, dass du mich gesandt
hast.
26Ich
habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun,
damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen
ist und ich in ihnen bin.
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Abschnitt, aus dem wir gerade das Evangelium gehört
haben, nennen wir das „Hohepriesterliche Gebet“.
Jesus betet zum Vater. Er bittet den Vater um die
Einheit. So wie er im Vater ist, so sollen alle, die zu ihm gehören auch
im Vater und in ihm sein.
Wie ist das, wenn Jesus zum Vater betet? Sollte der Vater
die Bitte seines Sohnes nicht erhören?
Nun, wenn wir auf unsere Kirche schauen – und auf die
vielen anderen christlichen Kirchen in der Welt, dann mag man doch so
seine Zweifel haben. Anscheinend hat es nicht geklappt mit der Einheit,
oder?
Doch, vielleicht wäre das mit der Einheit schon viel
weiter, wenn wir ihr nicht im Weg stehen würden – mit unseren falschen
Vorstellungen von Einheit – weil wir ja immer meinen, Einheit hieße,
dass es nur Eines geben darf, also nur eine Kirche – und sicher denken
wir dann gleich an unsere römisch-katholische Kirche.
Vielleicht ist Einheit ja auch dann erreicht, wenn
Einigkeit besteht zwischen den unterschiedlichen Kirchen. Dann, wenn wir
uns nicht gegenseitig schief anschauen, sondern lernen, uns gegenseitig
zu akzeptieren und zu respektieren. Und wenn wir aufhören zu denken, die
anderen Kirchen seien weniger „Wert“ als unsere – nur wir sind die
„Wahre“.
Vor einiger Zeit hat unser Papst in einem Interview zum
Thema Einheit zwischen den Kirchen gesagt: „Wenn wir glauben, dass die
Theologen sich einmal einig werden, werden wir die Einheit nach dem
jüngsten Gericht erreichen.“ Weiter sagte er: „Theologen sind hilfreich,
wenn es um die Einheit geht. Aber am hilfreichsten ist der gute Wille
von uns allen, die wir mit offenen Herzen für den Heiligen Geist auf dem
Weg sind.“
Und so besucht er die lutherische Gemeinde in Rom. Er
trifft sich mit Altkatholiken, mit Vertretern der Anglikanischen und
Reformierten Kirchen. Er schließt mit den orthodoxen Kirchen Verträge ab
und, und, und…
Und das alles tut er nicht, um denen zu sagen, was sie
verkehrt gemacht haben, wo sie überall falsch liegen und dass sie nach
Rom zurückzukehren haben, sondern er tut es, weil er sich mit ihnen
verbunden fühlt – durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Er tut das in dem Wissen: das sind unsere Geschwister.
Diese Kirchen haben alle denselben Herrn, eben Jesus Christus. Sie
feiern dieselbe Taufe und halten das Mahl, wie Jesus es im
Abendmahlssaal getan hat. Sie lesen alle aus demselben Neuen Testament.
Und alle beten um denselben Heiligen Geist.
Liebe Schwestern und Brüder!
Da ist ein neuer Blick – ein liebevollerer Blick
füreinander als das früher war. Da ist man nicht mehr Konkurrenz, da
sind wir nicht mehr Rivalen, sondern da sind wir Geschwister.
Da legt man es nicht mehr darauf an, der anderen Kirche
die Mitglieder wegzumissionieren, sondern man achtet die Entscheidung
jedes Einzelnen, die ihn in seine jeweilige Kirche geführt hat.
Und wir lernen, nicht mehr von Spaltung zu sprechen,
sondern von Vielfalt. Und das Ziel aller Bemühungen besteht nicht darin,
diese Vielfalt zu beseitigen, sondern diese Vielfalt zu versöhnen – so
dass es keinen Streit mehr gibt, sondern alles das suchen, was verbindet
und vereint.
Es gibt diese schöne Geschichte von John Wesley (1707 -
1788), dem Begründer er evangelisch-methodistischen Kirche.
Er hatte einen Traum. Er kam an das Portal zur Hölle
und fragte: „Was für Leute gibt es denn bei euch? Katholiken?“ Antwort:
„Ja, viele.“ – „Auch Anglikaner?“ Antwort: „Ja, viele.“ – „Auch
Lutheraner, Reformierte, Baptisten, Presbyterianer, Orthodoxe?“ Immer
kam die gleiche Antwort: „Ja, viele.“ – Betrübt ging Wesley weiter und
kam an das Himmelsportal. Er klopfte und stellte die gleichen Fragen:
„Sind hier Katholiken?“ Antwort: „Nein, kein einziger.“ – „Anglikaner?“
„Nein, kein einziger.“ – Lutheraner, Reformierte, Baptisten…?“ Und immer
die gleiche Antwort: „“Nein, kein einziger.“ – Zaghaft fragte er am
Schluss: „Aber doch Methodisten?“ Antwort: „Nein, kein einziger.“ –
Erschrocken wollte Wesley nun wissen: „Ja, was für Leute sind denn im
Himmel?“ Antwort: „Hier gibt es nur Christen.“
Im Himmel sind alle Christen.
Vielleicht müssen wir mehr lernen, die richtigen Fragen
zu stellen – damit auch alle eins sein können – und nicht Fragen
stellen, die uns immer wieder neu voneinander trennen und die Kirchen
von neuem spalten.
Wenn wir fragen: Wer ist Protestant? Dann wird nur ein
Teil die Hand heben. Wenn wir aber fragen. Wer ist getauft? Dann werden
alle Christen die Hand heben.
Wenn wir fragen: Wer ist Katholik? Dann werden wieder nur
einige die Hand heben. Aber wenn wir fragen: Wer ist Christ? Dann werden
wieder alle die Hand heben können.
Fragen wir: Wer betet das Gebet des Herrn, das
Vaterunser? Dann können wieder alle die Hand heben und sich melden.
Und, liebe Schwestern und Brüder, lernen wir doch,
dass mit dem Wort von der „katholischen“ Kirche in unserem
Glaubensbekenntnis ursprünglich überhaupt nicht die römisch-katholische
Kirche gemeint war, - denn die gab es damals noch gar nicht, sondern
dass eine Kirche gemeint ist, die „allumfassend“ ist, also den ganzen
Erdkreis umspannt – dann müssen wir den Kreis schon gar nicht mehr so
eng ziehen.
Denn Herr der Kirche ist und bleibt ja nun mal Jesus
Christus – und sonst niemand. Und wenn einer die Kirche einen kann, dann
ist es Gott selbst.
Jesus betet um die Einheit. Es ist sein Gebet. Und wenn
er den Vater bittet, dann wird der Vater ihn erhören. – Und deshalb
dürfen wir sicher sein: Wir sind auf dem Weg zur Einheit.
Aber wir sollten uns der Erhörung des Gebets Jesu nicht
in den Weg stellen – nur weil wir andere Vorstellungen von der Einheit
haben als der Herr. Denn Gottes Geist weht ja bekanntlich, wie er will –
und nicht wie wir es ihm vorschreiben.
Und so könnte es tatsächlich sein, dass Gott in seinem
Himmel schon längst viel weiter ist, wenn es um die Einheit geht, als
wir uns das hier auf Erden vorstellen. – Denn er ist nicht ängstlich und
kleinlich – sondern sein Herz ist weit und seine Liebe kennt keine
Grenzen.
(Diese Predigt orientiert sich an einer Vorlage von
Richard Baus)
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