ERSTE LESUNG
Barnabas erzählte den Jüngern, wie Saulus auf dem Weg den Herrn
gesehen habe
Lesung aus der
Apostelgeschichte
In jenen Tagen,
26als
Paulus nach Jerusalem kam, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen. Aber
alle fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger war.
27Barnabas
jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln. Er erzählte ihnen,
wie Saulus auf dem Weg den Herrn gesehen habe und dass dieser mit ihm gesprochen
habe und wie er in Damaskus mutig und offen im Namen Jesu aufgetreten sei.
28So
ging er bei ihnen in Jerusalem ein und aus, trat unerschrocken im Namen des
Herrn auf
29und
führte auch Streitgespräche mit den Hellenisten. Diese aber planten, ihn zu
töten.
30Als
die Brüder das merkten, brachten sie ihn nach Cäsarea hinab und schickten ihn
von dort nach Tarsus.
31Die
Kirche in ganz Judäa, Galiläa und Samarien hatte nun Frieden; sie wurde
gefestigt und lebte in der Furcht vor dem Herrn. Und sie wuchs durch die Hilfe
des Heiligen Geistes.
In meiner
Studienzeit in Münster in Westf. hatten wir in unserer
Kapuzinergemeinschaft einen alten weisen Mitbruder, vor dem alle viel
Respekt hatten und zu dem wir mit Ehrfurcht aufschauten. Er hatte in
unserer Ordensprovinz und im Kloster Münster hohe Ämter inne.
Dieser Pater war für seine Dikta (Worte/Aussprüche) bekannt. Manche
Aussprüche von ihm sind mir noch gut in Erinnerung. Einen Ausspruch von
ihm konnte ich aber nie richtig nachvollziehen. Er lautet: „Der Mensch ändert sich nicht.“
Das
schien mir immer zu hart, zu grundsätzlich, zu endgültig.
Natürlich
werden in der Kindheit die Gleise für’s Leben gelegt.
Klar,
dass jeder Mensch seinen Charakter hat, sein Temperament, seine Eigenart
und manchmal auch Unart. Jeder ist wie er ist. Niemand kann aus seiner
Haut herausschlüpfen.
Aber ist
wirklich alles total festgelegt, determiniert? Ist da gar nichts mehr zu
machen? Ist keine Änderung mehr möglich?
Soll und
darf man auf Kurskorrektur, Umkehr und Wandlung bei sich selbst und
anderen nicht hoffen?
„Der Mensch ändert sich nicht.“ – Zeigen die Bekehrungen in
so manchem Heiligenleben nicht das Gegenteil?
Ich denke
an Franz von Assisi, an Ignatius von Loyola, an Theresia von Avila,
Charles de Foucauld und andere, nicht zuletzt auch an den Apostel Paulus
und sein Erlebnis vor den Toren von Damaskus.
Dieses
Erlebnis hat Paulus nicht nur aus dem Sattel des Pferdes geworfen,
sondern auch völlig aus der Bahn gebracht.
Sein
Leben hat dadurch eine ganz neue Richtung bekommen.
Es wurde
geradezu umgekrempelt. Aus Saulus wurde Paulus, aus dem fanatischen
Verfolger ein glühender Nachfolger, aus dem Christenhasser ein
leidenschaftlich Christus Liebender.
Doch ein
Mensch mag sich noch so sehr ändern – wie und wodurch auch immer – er
mag sogar eine Kehrtwende um 180 Grad machen, wie es bei Paulus
offensichtlich der Fall war, die Frage ist, ob auch die Mitmenschen
diese Änderung nachvollziehen und verstehen, sie einordnen und
akzeptieren können.
Denn man
kennt den- oder diejenige ja. Man weiß, wie er oder sie ist. Man hat
seine Erfahrungen gemacht. Und dann hat man eine Einschätzung von dieser
Person, ein Bild, ein Urteil – und das nicht von ungefähr, nicht ohne
Grund.
Und diese
Einschätzung, dieses Bild aufzugeben, es zu revidieren, ist gar nicht so
einfach.
So war es
auch im Fall des Saulus, der zu einem Paulus geworden war. In der ersten
Lesung, die wir gehört haben, heißt es:
„Alle
fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger
war.“
Wen
wundert’s? Man hatte viel von ihm gehört – und das war gar nichts Gutes.
Man hatte ganz schlimme und schreckliche Erfahrungen mit diesem Mann
gemacht. Für die jungen Christengemeinden war er eine große Bedrohung.
Man hatte Angst vor ihm.
Paulus
hielt die Christen für eine Sekte mit einer gefährlichen Irrlehre. Ein
gekreuzigter Messias war für ihn unvorstellbar.
Und diese
Sekte galt es im Namen Gottes und um der Wahrheit willen auszurotten.
Darum wütete er gegen die Jesusleute, suchte sie ausfindig zu machen,
drang in ihre Häuser ein, verhaftete sie, ließ sie auspeitschen und
brachte sie ins Gefängnis.
Doch dann geschah es – bei der Jagd auf die Christen in Damaskus. Vor
den Toren der Stadt umstrahlte Paulus plötzlich ein Licht und er hörte
eine Stimme: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“
Dieses
Erlebnis änderte sein Leben total. Nun verkündet der Neubekehrte
unerschrocken und kraftvoll, dass Jesus der Messias ist.
Das aber
geht gar nicht lange gut. Die gesetzestreuen Juden wollen ihn töten. Dem
entgeht er nur durch den beherzten Einsatz von Christen, die ihm in
letzter Minute zur Flucht verhelfen.
Was dann
folgt, haben wir vorhin in der ersten Lesung gehört.
Paulus
geht nach Jerusalem. Dort wiederholt sich, was ihm bereits in Damaskus
widerfahren ist. Die Christen dort bezweifeln seine Bekehrung.
Misstrauen schlägt ihm entgegen.
„Alle
fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger
war.“
Wie soll
man einem glauben, der von heute auf morgen das Gegenteil von dem
vertritt, was bis dahin sein Leben ausmachte? Ist sein Bekenntnis zu
Christus nur eine clevere Masche? Will er sich auf diese Weise in die
christliche Gemeinden einschleichen?
Doch
Paulus findet einen Fürsprecher: Barnabas.
Dieser
Barnabas imponiert mir. Er springt über seinen Schatten. Er traut sich
etwas zu tun, wozu ganz viel Mut gehörte.
Er nimmt
sich des Paulus an. Er traut einem Mann, der bei den Christen in einem
äußerst schlechten Ruf stand und mit dem niemand etwas zu tun haben
wollte. Er bringt ihn zu den Aposteln und tritt für ihn ein. Er bezeugt
seine Bekehrung und seinen Eifer für Jesus.
Barnabas
vertraut auf Gott und seinen heiligen Geist: einen Geist der Wandlung
und nicht der Erstarrung, einen Geist nicht des Misstrauens, sondern der
Treue. So – durch die mutige Vermittlung des Barnabas – findet Paulus
den Weg in die Gemeinde.
Da machen
auch die Gemeindemitglieder einen entscheidenden Schritt. Leicht ist er
ihnen sicher nicht gefallen.
Trotz der
schrecklichen Erfahrungen, die sie mit Paulus gemacht haben, trotz der
noch frischen Wunden und schmerzhaften Verletzungen, lassen sie sich auf
Paulus ein. Sie überwinden ihr Misstrauen und schenken ihm Gemeinschaft.
Es heißt
im heutigen Lesungsabschnitt: „Paulus ging bei ihnen ein und aus.“
Das bedeutet doch: Sie verkehren, reden, leben miteinander. Ein Feind
wird zum Bruder in Christus.
Das
wiederum gibt Paulus Kraft für seine Sendung.
„Und
er trat unerschrocken im Namen des Herrn auf.“
So wächst
Gemeinschaft und Solidarität, die sich auf der Stelle bewährt, als
Paulus selbst in Gefahr kommt. Als Gegner treten Griechisch sprechende
Diasporajuden auf. Aus dem Verfolger Saulus wird ein verfolgter Paulus,
dem das gleiche Schicksal wie Stephanus droht. Doch dem beugen aktive
„Brüder“ vor, die Paulus in Sicherheit bringen, zunächst nach Cäsarea
hinab und von dort in seine Heimatstadt Tarsus.
Für mich
werden aus den Geschehnissen, die die Apostelgeschichte in der heutigen
Lesung berichtet, drei Dinge deutlich:
Erstens: Dass es für einen Menschen, der eine Umwandlung erfahren hat, der sich
verändert hat, gar nicht so einfach ist, einen neuen Anfang zu machen
und durchzuhalten. Da gibt es in seiner Umgebung unter Umständen
erheblichen Widerstand, Argwohn und Misstrauen. In einer solchen
Situation braucht es eine klare Entscheidung, eine feste Überzeugung und
einen langen Atem, um dem eigenen Weg und der neuen Lebensausrichtung
treu zu bleiben.
Zweitens:
Es braucht Menschen wie Barnabas, die vermitteln, sich verbürgen und
Vertrauen schenken. Es braucht im Leben immer wieder die Unterstützung
und Solidarität anderer.
Drittens:
Sowohl in Damaskus als auch in Jerusalem muss auch die Christengemeinde
ihre Einstellung und Sichtweise gegenüber Paulus verändern. Doch es ist
gar nicht einfach.
An den
Sinneswandel eines Feindes und Verfolgers zu glauben, braucht Zeit.
Misstrauen abbauen braucht Zeit. Vertrauensbildende Maßnahmen brauchen
Zeit. Es dauert, bis Vertrauen wächst.
Als es
für Paulus selbst lebensgefährlich wird, weil ehemalige
Gesinnungsgenossen aus dem Judentum ihm nach dem Leben trachten, und als
dann Mitchristen sowohl in Damaskus als auch in Jerusalem ihm zur Flucht
verhelfen, da ist der Bann gebrochen.
„Der Mensch ändert sich nicht.“
Paulus
scheint ein Paradebeispiel für das Gegenteil zu sein. In seinem Leben
hat sich in Folge des Damaskusereignisses viel geändert. Eine
unglaubliche Wandlung hat sich da vollzogen.
Allerdings schreibt Paulus sich diese Wandlung nicht selbst zu.
Es
ist nicht sein Werk oder sein Verdienst. Immer wieder bekennt er: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin.“
Andererseits, auch das stimmt: Ein Stück weit ein Eiferer, ganz
entschieden, sehr radikal und kompromisslos, manchmal auch ein wenig
fanatisch ist Paulus auch als Völkermissionar und Verkünder des
Evangelium noch geblieben. „Leidenschaft für Gott“ kennzeichnet
sein Leben vor und nach seiner Bekehrung.
Auch die
Christen in Damaskus und Jerusalem mussten ihr Bild revidieren, das sie
von Saulus hatten. Leicht war es nicht.
Auch als
Paulus sich schon zu Christus bekannte, fürchteten sie sich immer noch
und trauten ihm nicht über den Weg.
Barnabas
ging mit gutem Beispiel voran. Mutig setzte er sich für Paulus ein. Er
öffnete ihm Türen und half auch den christlichen Gemeinden Misstrauen
abzubauen, so dass sie bereit waren, den ehemaligen Todfeind aufzunehmen
und ihn als „Bruder in Christus“ anzunehmen.
Ich
möchte für mich und uns alle hoffen und erbitten, nicht stehen zu
bleiben und zu erstarren, sondern ein Leben lang beweglich zu bleiben,
sich noch ändern, wandeln, umdenken und umkehren zu können.
Ich kann
aus mir keinen anderen Menschen machen.
Aber ich
kann mich öffnen für Gottes Gegenwart, für sein Wort, für seinen Geist,
für seine Liebe, für sein Licht und seine Kraft, für seinen Frieden.
Ich kann
bitten: Wandle mich in deiner Liebe um. Gib mir einen neuen Sinn, einen
neuen Geist, ein neues Herz! Bilde mein Herz nach deinem Herzen!
Mach mich
immer mehr eins mit dir! Lass mich immer mit dir verbunden sein und
bleiben – wie die Rebe mit dem Weinstock. Und hilf mir, zu leben aus
deinem Geist und zu handeln in deiner Liebe. Und so Frucht zu bringen
für Zeit und Ewigkeit.
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