Buddha
entschlief mit 80 Jahren sanft in den Armen seines Lieblingsjüngers. Konfuzius starb mit 73 Jahren im Kreis der Freunde und wurde prunkvoll
beerdigt. Mohammed erwartete mit 63 Jahren den Tod im Haus seiner
Lieblingsfrau Aischa, seinen Kopf in ihren Schoß gebettet...
So ein friedvolles Ende
wünscht sich wohl jeder. - Im krassen Gegensatz dazu steht das Ende Jesu: Er
stirbt noch jung, qualvoll leidend, am Schandpfahl hingerichtet wie ein
Verbrecher.
Jesus durchkreuzt alle bisherigen Gottesbilder. Er
durchkreuzt das hehre Ideal, Religion habe nichts mit dem Leiden zu tun, sondern
mit dem Wahren, Guten, Schönen und Erhabenen.
An Jesu Tod
ist nichts Erhebendes und Schönes. Sein Tod bewirkt Spott und Verachtung. Sein
Todesschrei drückt tiefste menschliche Verlassenheit aus.
Würden wir Jesus nicht gern anders sehen?
Einzig und allein
als Wohltäter der Armen und Kranken, als Wundertäter, als Kämpfer für Gott und
sein Reich, als Bringer einer neuen religiösen und sozialen Ordnung?
Den aktiven, tatkräftigen Jesus, der etwas bewegt und auch
bei den Menschen Bewegung hervorruft, den können wir gut achten, so
wie wir ja auch den Menschen Achtung zollen, die etwas Positives in ihrem
Leben zustande bringen.
Doch der „andere“ Jesus, den, der am Schandpfahl sterben
muss, ignorieren wir ihn nicht lieber? Ein am öffentlichen Galgen Gekreuzigter,
der Verachtung durch jedermann preisgegeben – und wir Christen tragen seinen
Namen?
Kurz nach ihrer Ankunft im Kloster hängt eine
Postulantin das Kruzifix in ihrer Zelle ab. Begründung: Der Anblick einer
ans Kreuz genagelten Leichenfigur sei ihr zuwider. Zu ihrer Verblüffung äußert
die Novizenmeisterin Verständnis.
„Kreuze ohne Christus, ohne Corpus liegen im Trend... Ist der
Anblick des Gekreuzigten den Menschen von heute überhaupt noch zumutbar?“
Diese Feststellung und diese Frage las ich gestern in einer Zeitung. Gesundheit
und Leidvermeidung um jeden Preis kennzeichnen die Mentalität vieler in unserer
Spaßgesellschaft. Man sehnt sich nach einer „weichen Spiritualität“, Religion
„light“! Alles Unangenehme wird ausgeblendet, folglich auch das Leid. Kein
Wunder, wenn Kreuze aus Kindergärten, Schulen, Krankenzimmern und Gerichtssälen
entfernt werden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Das christlichste aller Zeichen ist das Kreuz.
Was bedeutet es für uns, dass in unserem
christlichen Glauben ein grausam Gemarterter, ein Gekreuzigter in der Mitte
steht?
Immer wieder gibt es - auch in der Ansicht gläubiger
Christen – die Vorstellung von einem grausamen Gott, eines Gottes, der in
unnachsichtiger Gerechtigkeit ein Menschenopfer verlangt, das Opfer seines
eigenen Sohnes. Ein grausame Bild von Gott.
Wie soll man es in Einklang bringen mit der biblischen
Botschaft von der Liebe Gottes?
Der Gekreuzigte, den wir aus dem Neuen Testament kennen,
widerspricht gänzlich solchen weit verbreiteten Ansichten.
J. Ratzinger sagte einmal:
„Das Kreuz steht nicht da
als Versöhnungsleistung, die die Menschheit dem zürnenden Gott anbietet, sondern
als Ausdruck jener törichten Liebe, die sich weggibt, in die Erniedrigung
hinein, um so den Menschen zu retten.“
Damit steht das Kreuz quer
zu den Vorstellungen der meisten großen Religionen. Dort versuchen die Menschen
durch Sühneleistungen den Zorn Gottes zu dämpfen, ihre Schuld wieder gut zu
machen und ihr Verhältnis zu Gott in Ordnung zu bringen.
Demgegenüber gleicht die Theologie vom Kreuz einer Revolution:
Nicht der Mensch ist es, der zu Gott geht, um ihn durch
Opfer, Buße und Sühne zu besänftigen, sondern Gott selbst kommt zum Menschen, um
ihn mit sich zu versöhnen. Christus ist unser Friede und unsere Versöhnung.
So gesehen ist das Kreuz
das Zeichen der Liebe Gottes, einer Liebe, die ganz, ganz weit geht, die sich
ganz und gar gibt, einer Liebe, die radikal für andere da ist.
Damit hat der Kreuzestod Jesu nichts mit einem zürnenden
und auf Sühne bedachten Gott zu tun. Ganz im Gegenteil: Gott ist vielmehr
der, der sich selbst der Verachtung – am Kreuz – aussetzt . Er ist der,
der sich erniedrigt. Er ist der, der selbst angreifbar und verletzbar wird.
Er ist der, der durch das Kreuz hinabsteigt in die
Verachtung, in das Leid und in die Not all derer, die immer wieder, auch heute
noch aufs Kreuz gelegt werden, verhöhnt, getreten, geschlagen.
Jesu qualvolles Leiden ist leidenschaftliches Mitleiden.
Und es ist ein Leiden und Sterben pro nobis, „für uns“.
Das Kreuz ist das Zeichen unzerstörbarer Liebe.
Das Kreuz ist das Äußerste der sich entäußernden Liebe
Gottes,
einer Liebe, die Hoffnung schenkt über den Tod
hinaus.
Liebe Schwestern und Brüder!
An keinem anderen Tag des Kirchenjahres steht das Kreuz so
sehr im Mittelpunkt wie am Karfreitag.
Die Liturgie dieses Tages macht deutlich, dass das Kreuz
die Mitte der göttlichen Offenbarung ist.
Wir wollen uns nachher Zeit nehmen, das Kreuz zu verehren.
Sie alle sind eingeladen, nach vorne zu kommen und z. B.
sich vor dem Kreuz zu verneigen oder das Knie zu beugen, ein andächtiges
Kreuzzeichen zu machen oder auch die Fußwunde Jesu zu berühren. Man kann
dabei ein Gebet sprechen z. B.: „Ich bete dich an, Herr Jesus Christus und
preise dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“. Oder:
„Ich danke dir, Herr Jesus Christ, weil du für mich gestorben bist.“ Oder
einfach: „Gekreuzigter Herr Jesus Christus, erbarme
dich meiner.“
Die persönliche Kreuzverehrung
mag uns sinnenfällig helfen, das Geheimnis des Kreuzes zu erahnen:
Dein Kreuz – mein Heil; dein Leiden – meine Hoffnung; dein Tod – mein Leben.
Von dem frühere Bischof von Erfurt, Hugo Aufderbeck stammt
das Wort: „Wir müssen dem Gekreuzigten ganz nahe kommen – voller Dank, voller
Reue, voller Liebe.“ Ein bedenkenswerter Satz.
Er gilt, meine ich, nicht nur heute ganz wörtlich und
hautnah, wenn wir nachher das Kreuz verehren. Das ist ein Lebensprogramm.
Der Blick aufs Kreuz kann uns Hoffnung geben: Leid und Not
und Tod haben nicht das letzte Wort, in seinem Leben nicht und auch nicht in
unserem.
Der Blick aufs Kreuz verheißt uns kein Leben ohne Leid. Es
gibt kein Leben ohne Leid. Aber vom Kreuz herab schaut der uns an, dem
kein menschliches Leid fremd ist, der Not und Tod selber erfahren hat. Kein
Elend und keine Gottverlassenheit, die er nicht ausgehalten, keine Sündenschuld,
die er nicht auf sich geladen und getragen hat.
Sein Blick sagt uns: „Ich kenne deine Ängste. Ich lass
dich nicht allein. Hab keine Angst. Ich geh mit dir durch das Dunkel zum Licht,
durch die Angst zur Freude, durch den Tod zum Leben.“
Das Kreuz ist für uns Christen
nicht mehr Schandpfahl, sondern Hoffnungszeichen, Siegeszeichen, Zeichen unserer
Erlösung.
Und so singen und beten wir mit
Recht:
„Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz
ist Hoffnung.“
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