Wer kennt
ihn nicht, den rechten „Schächer“ – auch wenn das Wort veraltet ist und
in unserem Sprachgebrauch praktisch nicht mehr vorkommt? „Schächer“
bedeutet so viel wie „Räuber“ oder „Verbrecher“.
Einer
alten Überlieferung nach soll der rechte Schächer Dismas geheißen haben.
Zusammen mit Gestas, dem linken Schächer, und Barabbas war er
eingesperrt worden. Barabbas wurde von Pilatus auf Verlangen des Volkes
an Stelle Jesu freigelassen (vgl. Lk 23, 18 - 19). Die beiden anderen
Schächer wurden – wie Jesus – zum Tod am Kreuz verurteilt und zusammen
mit Jesus zur Hinrichtung geführt (siehe Lk 23, 32).
Alle drei
synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) berichten in ihren
Leidensdarstellungen Jesu (Passion) von zwei Schächern die mit Jesus
gekreuzigt wurden, der eine rechts, der andere links von Jesus (vgl. Mk
15, 7).
Auffallend ist, dass sich bei Matthäus und Markus beide Schächer
dem Spott und der Verhöhnung durch das Volk anschließen, bei Lukas aber
nur einer, nämlich der linke. Der Schächer zur Rechten Jesu
enthält sich des Hohnes. Ja, er erkennt die eigene Schuld, sieht Jesu
Unschuld und bittet ihn reumütig um Gnade und Rettung.
Bei
Matthäus lesen wir: „Ebenso (wie die Hohepriester, Schriftgelehrten
und Ältesten) beschimpften ihn auch die beiden Räuber, die man zusammen
mit ihm gekreuzigt hatte“ (Mt 27, 42 - 44).
Lukas
differenziert: Während der linke Schächer Jesus verhöhnt, indem er sagt:
„Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch
uns“, weist der andere ihn zurecht mit den Worten: „Nicht einmal
du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns
geschieht recht. Wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat
nichts Unrechtes getan“ (Lk 23, 40 - 41).
Dann
wendet er sich an Jesus und bittet: „Jesus, denke an mich, wenn du in
dein Reich kommst!“ Daraufhin verheißt ihm Jesus die Aufnahme ins
Paradies: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,
42 - 43). – Es ist das zweite von den letzten sieben Worten, die Jesus am
Kreuz spricht.
Das Neue
Testament berichtet nichts weiter über diesen „rechten Schächer“. Die
Frage, die jedoch schon oft gestellt wurde, ist, wie kommt es bei ihm zu
Einsicht, Reue und Umkehr? Ist es einfach Gnade Gottes? Warum hat dann
aber der andere nicht auch diese Gnade erhalten? Oder hat den Schächer
zur rechten Jesu – schon beim Tragen des Kreuzes und dann neben ihm am
Kreuz hängend – die Haltung Jesu, die Art und Weise des Duldens und
Ertragen seiner Leiden und Schmerzen, beeindruckt und nachdenklich
gemacht? Oder war es Jesu erstes Wort am Kreuz „Vater vergib ihnen,
denn sie wissen nicht, was sie tun“, das ihn zur Selbsterkenntnis
und zur Erkenntnis Jesu und zur Bitte um sein Gedenken im Reich Gottes
gebracht hat?
Die
Tatsache, dass da einer, der so viel Böses, so viel Hass und Gewalt am
eignen Leib erlebt und auf grausame Weise hingerichtet wird, dass dieser
seinen Peinigern und Henkern verzeiht, das mag ihn stutzig und
betroffen gemacht und zu Reue und Umkehr bewegt haben.
Oder war
dieser Mensch gar nicht durch und durch schlecht?
Hatte er
vielleicht doch einen guten Kern? Hat er in seinem Leben nicht nur viel
Böses, sondern auch Gutes getan?
In diese
Richtung gehen mehrere apokryphe Evangelien, die in der Lebensgeschichte
des rechten Schächers, diese ausschmückend, den Grund für seine Rettung
in der Stunde seines Todes sehen.
Im
sogenannten „Arabischen Kindheitsevangelium“, verfasst im 6. Jahrhundert
in Syrien, heißt es an der Stelle, wo über die Flucht von Maria und
Josef und dem Jesuskind nach Ägypten berichtet wird:
„Sie
machten sich auf den Weg und kamen in eine Wüstenregion, wo Räuber ihr
Unwesen trieben. Daher beschlossen Josef und Maria, die Gegend bei Nacht
zu durchqueren. Plötzlich sahen sie am Wegrand zwei Räuber liegen und
bei ihnen eine Menge weiterer Räuber, die schliefen. Die beiden Räuber
hießen Titus und Dumacos (hier anstatt Dismas und Gestas). Titus sagte
zu Dumacos: ‚Ich bitte dich: Lass sie gehen, damit sie an unseren
Gefährten unbemerkt vorbeiziehen können.‘ Als Dumacos sich weigerte,
sagte Titus erneut: ‚Nimm von mir 40 Drachmen und nimm auch dies als
Unterpfand.‘ Und er nahm seinen Gürtel und verschloss seinen Mund, um
ihn zum Schweigen zu bringen.
Als
Maria sah, mit welcher Güte dieser Räuber sie behandelte, sagte sie:
‚Gott, der Herr, wird dich in seiner Rechten halten und dir die
Verzeihung deiner Sünden gewähren.‘ Der Herr Jesus sagte darauf zu
seiner Mutter: ‚In 30 Jahren, o Mutter, werden die Juden mich in
Jerusalem kreuzigen, und diese beiden Räuber werden zusammen mit mir
gekreuzigt werden, Titus zu meiner Rechten und Dumacos zu meiner Linken.
Dann wird Titus mir in das Paradies vorausgehen.‘“
Den
apokryphen “Pilatus-Akten“ zufolge wurde der rechte Schächer mitsamt
seinem Kreuz vom Erzengel Michael im Paradies empfangen.
In einer
wiederum syrischen Schrift aus dem 4. Jahrhundert wird allerdings von
der Auffindung des Kreuzes des rechten Schächers neben dem Kreuz Jesu
berichtet, das dann nach Zypern und später nach Bologna überführt worden
sein soll, wo bis heute Reliquien des Kreuzes des rechten Schächers
verehrt werden.
Mit
diesem Kreuz führt er auf Auferstehungsikonen auch die Schar der
alttestamentlichen Heiligen an und geht ihnen voran ins Paradies.
Dismas,
der rechte Schächer, ist bis heute Schutzpatron der Sterbenden und der
zum Tod Verurteilten.
Im
Mittelalter standen an Galgenbergen häufig Bildnisse des rechten
Schächers, wo Verbrecher vor ihrer Hinrichtung noch ein letztes Gebet
sprechen konnten.
Der
rechte Schächer ist übrigens auch der Grund, warum Christus auf Ikonen
sein Haupt stets nach rechts geneigt hält. So ist er gewissermaßen in
jeder Darstellung des Gekreuzigten präsent, wenn auch nicht immer
sichtbar.
Das
Gedächtnis des heilige Dismas ist am 25. März, allerdings so gut wie nie
begangen, weil die Kirche am gleichen Tag auch das Hochfest der
Verkündigung der Geburt Jesu an Maria feiert.