Mit dem Palmsonntag beginnt die „Große“
oder „Heilige Woche“. Im deutschen Sprachgebrauch nennen wir sie
gewöhnlich „Karwoche“. – Das Wort kommt vom althochdeutschen „Kara“
und bedeutet Klage, Trauer. – Dabei ist die Karwoche nicht in erster Linie eine
Zeit der Klage und Trauer; sie endet ja auch nicht mit dem Karfreitag oder
Karsamstag, sondert mündet in den Ostersieg Jesu. Es ist vielmehr die Woche in
der die Kirche jährlich das Paschamysterium feiert.
Pascha heißt Übergang oder
Hindurchgang. Wir begehen den Hindurchgang Jesu Christi durch Leiden, Kreuz und
Tod zur Auferstehung und Herrlichkeit. Wir gehen den Weg Jesu mit, der durch
Dunkel zum Licht, durch Leid zur Freude, vom Tod zum Leben führt.
Das Geschehen der heiligen Woche gipfelt auf und
erfährt seine Mitte im „sacrum triduum“, in der „Feier der drei
österlichen Tage“.
Diese heilige Dreitagefeier bildet den Höhepunkt
des ganzen Kirchenjahres.
Wenn man das Geschehen der heiligen
Woche betrachtet, in die wie am Palmsonntag wie durch ein Tor eintreten, dann
kann einem auffallen, dass sie von einer Reihe Gegensätze gekennzeichnet ist.
Ein Gegensatz wie er härter und schärfer nicht
sein kann, ist Jesu festlicher Einzug in Jerusalem – und ein paar Tage später
seine Kreuzigung außerhalb der Stadt. Ein harter Gegensatz sind die jubelnden
Zurufe „Hosanna, dem Sohne Davids“ – dann das schreckliche Gebrüll „Kreuzige ihn!“ Jetzt Zustimmung und übergroße Freude – dann Hass und
Ablehnung. Jetzt Zweige in den Händen – dann den Essigschwamm. Jetzt Hymnen auf
den Lippen – dann Spott und Hohn.
Die Karwoche zeigt die zwei Gesichter der
Menschen. Sind es nicht auch unsere Gesichter? Wie wankelmütig sind wir doch
oft!
Die Menschen, die Jesus zujubeln, die von ihm
etwas erwarten und erhoffen – das sind wir. Und die nach wenigen Tagen schreien
„ans Kreuz mit ihm“, sind wir das nicht auch manchmal?
Ein weiterer Gegensatz: Jesus reitet auf einem Esel. Sein Einzug unterscheidet sich fundamental von den
Triumphzügen der Herrscher seiner Zeit. Jesus reitet nicht hoch zu Ross, auf
einem prächtigen Pferd, dem Symbol militärischer Macht, sondern auf dem
gewöhnlichen Lasttier der armen Leute. Der Esel symbolisiert Sanftmut und
Geduld. Jesus ist ein König, aber kein kriegerischer, kein Furcht erregender. Es
erfüllt sich das Prophetenwort bei Sacharja 9, 9: „Siehe, dein König kommt zu dir, demütig und auf einem Esel reitend.“
Bei seinem öffentlichen
Auftreten hat Jesus den Menschen zugerufen: „Lernt von
mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen!“
Wenn wir in der Karwoche den Weg
Jesu mitgehen, dann sind wir eingeladen, mehr und mehr in seine Haltung
hineinzureifen und in die Gesinnung hineinzuwachsen, die ihm zu eigen war. Wir
sind eingeladen, mehr und mehr seine Konturen anzunehmen.
Im Blick auf den König, der auf dem
Esel reitet, kann ich alle Eigenmacht, alles selbstische Pläneschmieden, alle
Aggressionen gegen Widersacher, allen Leistungsdruck, alles übertriebene Besorgtsein und alle Hast und Unrast von mir abgleiten lassen.
Der Apostel Paulus formuliert es so:
„Seid so gesinnt,
wie es dem Leben in Jesus Christus entspricht.“ (Phil. 2, 5)
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