Exerzitien mit P. Pius

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Karfreitag - Im Kreuz ist Heil

 

Im Jahr 1856 machten Archäologen auf dem Hügel Palatin in Rom nach der Entfernung von Trümmerschutt eine sowohl seltsame als auch sensationelle Entdeckung. Sie stießen bei Ausgrabungen eines ehemaligen Wachlokals für Soldaten auf eine Kritzelei an einer Wand, ein Graffiti, das wohl mit einem Nagel oder einem Messer in den Wandverputz eingeritzt worden war. Und sie erkannten eine Kreuzesdarstellung aus dem frühen zweiten Jahrhundert (ca. 125 n. Chr.).

 

Noch mehr staunten sie als sie bemerkten, dass die Figur am Kreuz mit einem Eselskopf dargestellt ist. Daneben steht ein junger Mann, der zum Gekreuzigten mit dem Eselskopf aufblickt und grüßend, betend die Hand zu ihm erhebt. Darunter steht mit ungelenken Buchstaben in griechischer Sprache geschrieben: „Alexamenos sebete theon“, zu deutsch: „Alexamenos betet (seinen) Gott an“.

 

Diese in Stein geritzte Karikatur, dieses „Spottkreuz“, ist die älteste bildliche Darstellung des Gekreuzigten, die wir kennen.

 

Für Menschen, die sich ihre Götter als kraftvoll, mächtig, stolz und unbesiegbar vorstellten, war der Gottessohn, an den die Christen glaubten, blanker Unsinn, eine Eselei, eine Zumutung, eine Figur, über die man mitsamt ihren Verehrern nur spotten konnte.

Ein Gott, der sich kreuzigen lässt: was für ein Esel! Und noch ein größerer Esel, wer an einen solchen Gott glaubt!

 

Mit diesem Graffiti sollte der Glaube des Alexamenos, der Glaube der Christen, lächerlich gemacht werden. Christus am Kreuz, was für ein lächerlicher Gott, total schwach und ohnmächtig, ein „Esel“ eben.

 

Liebe Mitchristen!

In den letzten Jahren ist das Kreuz wieder in die Diskussion gekommen. Nicht wenige wollen das Kreuz abgehängt sehen.

Immer wieder gibt es Proteste und Prozesse gegen das Zeichen des Kreuzes in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen.

Das Kreuz wird geschmäht und verachtet. Muslimische Jungs in Berlin lachen, wenn sie in einer Kirche „diesen Typ da am Kreuz“ sehen. Das Kreuz wird missbraucht. Für viele ist es nicht mehr als ein Schmuckstück. Vielleicht haben auch wir uns schon viel zu sehr an den Anblick des Kreuzes gewöhnt. Vielleicht machen wir auch das Kreuzzeichen viel zu oft gedankenlos und oberflächlich.

 

Mit der Widersprüchlichkeit des Kreuzes, liebe Schwestern und Brüder, wurde allerdings schon der Apostel Paulus bei seinen Missionsreisen konfrontiert. „Das Kreuz“, so schreibt er an die Gemeinde in Korinth, „ist für die Heiden eine Torheit (absoluter Schwachsinn, der Gipfel der Sinnlosigkeit) und für die Juden ein Skandal (Ärgernis, Gotteslästerung), für die Berufenen aber… Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“

 

Juden verstanden den Tod am Kreuz als größte Schmach und Entwürdigung, als Zeichen der Gottverlassenheit, als Strafe Gottes:

„Verflucht ist, wer am Holz hängt“ (Dtn 21, 23).

Römern galt diese Bestrafung ebenfalls als äußerst ehrlos und entwürdigend, so dass freie römische Bürger nicht auf diese Weise hingerichtet werden durften.

 

Und doch ist für Paulus das Wort vom Kreuz, die Verkündigung des Kreuzes, die Zusammenfassung der gesamten christlichen Heilsbotschaft. In seinem Brief an die Korinther bekennt er: „Ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus und zwar als den Gekreuzigten“ (1Kor 2, 2). Das Geheimnis der Erlösung ist für Paulus ohne das Kreuz nicht denkbar.

 

Gott geht uns nach bis in die tiefste Verlorenheit und stirbt für uns am Kreuz. Für uns – aus Liebe! Kann Gott seine Liebe mehr und deutlicher unter Beweis stellen? „Gott ist verrückt vor Liebe“, sagt Ernesto Cardenal. Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben.

Jesu ausgespannte Arme am Kreuz sind Zeichen seiner Liebe. Sein durchbohrtes Herz ist Zeichen seiner Liebe. Wenn wir wüssten, wie sehr Gott uns liebt, wir würden weinen vor Freude.

 

Das Kreuz, Zeichen der Schmach, wurde zum Zeichen der Erlösung.

Aus dem Zeichen des Ärgernisses wurde das Zeichen des Heils, aus Fluch wurde Segen. Der Schandpfahl wurde zum Siegeszeichen des neuen Lebens.

 

Das Kreuz, liebe Mitchristen, ist und bleibt das zentrale Symbol unseres Glaubens. Es bezeugt keine Droh-, sondern eine Frohbotschaft. Denn das Kreuz zeigt in einer einmaligen, unersetzlichen und nicht überbietbaren Weise die Liebe Gottes. Wie weit ist Gott gegangen in seiner Liebe!

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für uns dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“

 

Noch einmal zurück zum „Spottkreuz“, das bei Ausgrabungen in Rom gefunden wurde. Die Geschichte ist nämlich noch nicht zu Ende.

Einige Jahre später stießen Forscher bei Ausgrabungen in einem benachbarten Raum des gleichen Gebäudes auf den Sockel einer Statue, ein Standbild des Kriegsgottes Mars. Und sie fanden auf dem Sockel mit anderer Handschrift und jetzt in lateinischer Sprache zwei Worte eingeritzt: „Alexamenos fidelis“, zu deutsch: „Alexamenos ist treu“. Gemeint ist wohl: „Alexamenos bleibt gläubig“.

 

Man kann davon ausgehen, dass Alexamenos diese zwei Worte als Antwort auf den Spott seiner Kameraden in den Sockel eingeritzt hat. Der Spott an der Kasernenwand hat ihn nicht davon abgehalten, Jesus zu lieben und zu ehren. Was für die Spötter der Grund für Verachtung war, war für Alexamenos der Grund für Treue und Hingabe.

 

„Alexamenos ist treu“, das war seine Reaktion auf ihr „Spottkreuz“.

Nur zwei Worte, aber was für ein Bekenntnis! Welch ein Glaubensmut! Alexamenos, der junge Christ, machte keinen Hehl aus seinem Glauben. Er stand zu Jesus. Er bekannte sich zu Jesus, dem Gekreuzigten. Und er nahm es in Kauf für seinen Glauben belächelt, verspottet und angefeindet zu werden.

 

„Alexamenos ist treu“. Ein erschütterndes Glaubenszeugnis aus der Anfangszeit des Christentums. Wer weiß, vielleicht hat Alexamenos dafür sogar den Tod riskiert.

 

Für Alexamenos und die frühen Christen war das Kreuz keine Eselei, keine Dummheit, auch kein Schrecken oder Fluch, sondern Zeichen der Erlösung, Zeichen des Heils, Zeichen des Sieges.

Der am Holz des Kreuzes starb, war für sie kein Esel, sondern der Heiland, der Retter, der Erlöser der Welt. Sie glaubten: Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben. Für uns – aus Liebe!

 

Und vielleicht hat Alexamenos schon so ähnlich gebetet wie wir heute noch: „Wir danken dir, Herr Jesus Christ, weil du für uns gestorben bist.“ Und: „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welt erlöst.“ Oder:

„Dein Kreuz, o Herr, verehren wir, und deine Auferstehung preisen wir. Denn durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.“

 

Mit Sicherheit hat Alexamenos auch fest daran geglaubt, dass der Vater Jesus nicht im Tod gelassen, sondern ihn zu neuem Leben auferweckt hat. Und er hat gewusst, dass dies auch der Weg für uns ist: durch die Leiden dieser Zeit zur ewigen Osterfreude. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das Ziel ist: Leben im Leben Gottes, Leben in seinem Licht, Leben in seinem Frieden.

 

Und so bekennen wir mit Alexamenos und den Christgläubigen aller Zeiten: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!“

„Christus ist Sieger, Christus ist König, Christus ist Herr in Ewigkeit!“

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