Im Kinzig- und
Harmersbachtal gibt es viele, sehr unterschiedliche
Kreuzesdarstellungen.
Kreuze an Straßen und
Wegen, vor Bauernhöfen und in Kapellen, auf den Friedhöfen und in den
Kirchen.
Wahrscheinlich haben auch
Sie zu Hause in ihrer Wohnung zumindest in einem Zimmer ein Kreuz
hängen.
Viele haben auch an ihrem
Halskettchen ein Kreuzchen hängen.
Oft ist das Kreuz auch
nur Schmuckstück.
Ob es noch Kreuze in den
Klassenzimmern der hiesigen Schulen, in den Kindergärten und Rathäusern
gibt?
Auch in der bildhaften
Kunst gibt es viele Kreuzesdarstellungen von Lukas Cranach über Matthias
Grünewald und Rembrandt bis zur weißen Kreuzigung von Marc Chagall. Sehr
unterschiedlich.
In der Romanik ist Jesus
am Kreuz meistens als Sieger und König dargestellt; in der Gotik mehr
als der Mann der Schmerzen, als leidender Christus. So hat jede Epoche
ihr Bild vom Gekreuzigten.
Mir ist die Frage
gekommen: Was für ein Bild für den Karfreitag würde sich Jesus heute
aussuchen, wenn er wählen könnte?
Vielleicht gar keines der
herkömmlichen?
Vielleicht würde er uns
ein aktuelles Foto vor Augen halten?
Eines von den
Terroropfern in Paris und Brüssel zum Beispiel? Wahllos ermordete
Menschen, schuldlos umgekommen in einem Konzertsaal, in der U-Bahn, auf
dem Flughafen.
Vielleicht würde er uns
das Bild von dem syrischen Jungen zeigen, der am 3. September tot am
Strand von Bodrum lag?
Ein Bild, das um die Welt
ging und viele berührt und erschüttert hat.
Vielleicht wäre es auch
das Erschrecken eines Passagiers in der Germanwings Maschine, die ein
kranker Pilot vor genau einem Jahr in den französischen Alpen zum
Absturz brachte.
Oder würde uns Jesus
vielleicht das Bild aus einer Krebsklinik hinlegen? Oder aus einem
Kinderhospiz? Oder ein Bild von verzweifelten Flüchtlingen, die in
Idomeni festsitzen?
Oder wäre es das Bild von
einem Familiendrama? Von einer Babyleiche im Kühlschrank total
überforderter Eltern?
Wir könnten vieles
aufzählen. Es gäbe eine lange Liste von Unglück, Leid und Not, das
Menschen treffen kann, zu dem Menschen aber auch fähig sind. Wieviel
Leid müsste nicht sein? Wieviel Leid, Gewalt und Grausamkeit fügen sich
Menschen gegenseitig zu?
Liebe Schwestern und
Brüder!
Jesu Tod war kein
Missgeschick, kein Zufallsereignis. Jesus war kein Opfer menschlichen
Versagens. Er kam nicht bei einem Terrorangriff, einem Familiendrama
oder als Flüchtling ums Leben.
Er musste sterben, weil
seine Art von Gott zu reden, nicht ins Schema der „Religionswächter“
passte. Sie waren ja überzeugt, Gott einen Dienst zu tun, wenn sie
diesen „Freund der Zöllner und Sünder“, diesen „Sabbatschänder“ und
„Gotteslästerer“ zum Schweigen brächten
und aus der Welt schafften.
Sein Reden klang in ihren
Ohren oft wie ein Hohn. Sein Verhalten und Tun war in ihren Augen oft
unerhört und anmaßend.
Behauptete er doch
tatsächlich, Gott sei in den Armen und Kleinen da, Gott hätte unbändiges
Interesse an den Verlorenen und Abgeschriebenen. Kein Kind sei ihm egal.
Zugunsten Kranker, Gestrandeter und sogar für Sünder dürften heiligste
Gebote relativiert und übertreten werden, nur um diesen Außenseitern,
diesen Verachteten, diesem Gesindel und Abschaum der Gesellschaft, die
doch selbst schuld waren an ihrem Elend, einen völlig unverdienten
Ausweg aus ihrer Situation zu ermöglichen, ihnen Licht und Leben, Heil
und Segen zu schenken.
Jesus wich seinen
Widersachern immer wieder aus und verbarg sich, wenn sie ihn zum
Beispiel steinigen und umbringen wollten. Aber er gab nicht klein bei.
Er bot ihnen immer wieder auch die Stirn. Er führte mit ihnen heftige
Streitgespräche. Die Konflikte mehrten sich. Die Situation spitzte sich
immer mehr zu.
Jesus ahnte, dass ihm das
Schicksal vieler Propheten nicht erspart bleiben würde. Mehrfach sagte
er sein Todesschicksal voraus.
Und so hat er, als seine
Stunde gekommen war aus freiem Willen, aus Liebe, für uns und um unseres
Heiles willen das Kreuz auf sich genommen, hat Hohn und Spott ertragen,
hat Todesangst erlitten und ist in die äußerste Gottverlassenheit
hineingegangen.
Im letzten Atemzug jedoch
hat er sich ganz Gott, seinem Vater, anvertraut. „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.“
Sein Tod aber war nicht
das Ende. Gott hat ihn auferweckt. Christus hat den Tod besiegt.
Karfreitag und Ostern gehören zusammen.
Doch die Welt, liebe Schwestern
und Brüder, ist noch längst kein Paradies.
Wir leben in einer Welt
voll Unglück, Angst und Not. Da herrschen noch Terror und Gewalt, Folter
und Missbrauch. Egoismus und Sadismus feiern Triumphe.
Doch all das, so sahen es
schon die ersten Christen, all das hat Jesus ans Kreuz mitgenommen. All
die eingangs aufgezählten Bilder und alle andere Pein und Qual hat neben
ihm am Kreuz Platz. – Auch unsere Schuld hat er – aus Liebe – auf sich
genommen und uns, so glauben wir, so beten und bekennen wir, durch sein
heiliges Kreuz erlöst.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Bei vielen Bildern vom
gekreuzigten Gottessohn liegt auf seinem Antlitz eine große Ruhe und ein
tiefer Friede.
Einzig diese Ruhe und
dieser Friede kann uns Hoffnung geben in einer Welt voller Grausamkeit
und Gewalt – uns und all den Gequälten, Leidgeplagten und zu Tode
Gekommenen.
Für alle gilt:
„Im Kreuz ist Heil,
im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.“
(Manche Gedanken und
Formulierungen verdanke ich einer Predigtvorlage von Hans Brunner)