ERSTE LESUNG
Der Herr beruft
Abraham, den Vater des Gottesvolkes
Lesung aus dem
Buch Genesis
In jenen Tagen
1sprach
der Herr zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus
deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.
2Ich
werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß
machen. Ein Segen sollst du sein.
3Ich
will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen.
Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.
4aDa
zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte.
Heute, liebe
Schwestern und Brüder, möchte ich in der Predigt einmal nicht auf das Evangelium
eingehen, wie es gewöhnlich geschieht, sondern auf die erste Lesung. Erinnern
Sie sich noch? In der Bibel ist die Stelle überschrieben mit „Abrahams
Berufung“.
Ein bekannter
Text. Was kann und will er uns sagen?
Mir sind beim
Lesen und Betrachten zwei Dinge aufgefallen:
Das
erste ist die
große Herausforderung oder sogar Zumutung, die in Gottes Ruf an Abraham liegt.
„Zieh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft
und aus deinem Vaterhaus!“
Abraham
soll wegziehen, ausziehen. Er soll das Bisherige, das Gewohnte, das Vertraute
verlassen, seiner Heimat Ade sagen und aufbrechen, losziehen in ein Land, das er
nicht kennt, einer ungewissen Zukunft entgegen. Unglaubliches wird da von
Abraham gefordert!
Wie mag Abraham
sich da gefühlt haben? Was mutet Gott ihm zu? Warum kann er nicht zu Hause in
seiner gewohnten Umgebung bleiben, wo er sich auskennt und eingerichtet hat? Und
in seinem Sippenverband, der ihm Sicherheit gibt, ihm Schutz und Hilfe bietet?
Außerdem, im
nächsten Satz nach unserem Lesungsabschnitt wird gesagt, dass Abraham 75 Jahre
alt war.
Udo Jürgens hat
zwar einmal gesungen „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an…“, aber mit 66
und erst recht mit 75 ist man kein „junger Hüpfer“ mehr und auch nicht mehr „im
besten Alter“. Da reißt man keine Bäume mehr aus. Mann tritt eher kürzer und
macht weniger.
Ist es,
so gesehen,
nicht sehr merkwürdig, liebe Schwestern und Brüder, dass Abraham auf Gott hört?
Dass er gehorcht, und zwar ohne Bedenken, ohne Widerrede, ohne „Wenn“ und Aber“.
Da ist kein Aufbegehren und kein Hinauszögern. Es heißt einfach nur: „Und
Abraham zog fort.“
Ist das
nicht verrückt?
Abraham wagt den Aufbruch, den Auszug.
Warum? Weil da
nicht irgendwer sagt: „Zieh weg, brich auf!“ Weil Gott es sagt, weil Gott
es will. Abraham horcht und gehorcht, ja noch mehr: er glaubt und vertraut.
Das
hebräische Wort
für „glauben“ heißt eigentlich „sich stützen auf“, „sich festmachen in“. Sehen
Sie: alle Unsicherheit überwindet Abraham, weil er weiß, auf Gott kann ich mich
stützen, auf ihn kann ich mich verlassen. Gott führt und leitet.
Seither,
liebe Schwestern und Brüder,
gilt Abraham als das Ur-bild des Glaubens und auch als Stammvater der drei
großen monotheistischen Religionen, die deshalb auch „abrahamitische Religionen“
genannt werden.
Abraham
glaubte Gott.
Er tut, was Gott ihm sagt. Allerdings ist dieses Vertrauen auf Gott keine
Garantie vor Krisen und Gefahren. Das bewahrt ihn nicht vor Schwierigkeiten. Im
Gegenteil: Abraham bleibt nichts erspart. Er gerät in Angst und Not, er erlebt
Anfechtungen und Zerreißproben, er kennt Umwege und Irrwege, er macht schlimme
Fehler und lädt Schuld auf sich. Aber Abraham erfährt immer wieder auch, dass
Gott da ist, dass er mitgeht, dass Gott treu ist. In ihm macht er sich in allen
Höhen und Tiefen immer wieder fest und glaubt und vertraut, in Licht und
Dunkelheit, in guten und in bösen Tagen.
Liebe
Mitchristen!
Ist der Glaube
Abrahams auch unser Glaube? Glaube ich, dass Gott mich liebt und führt?
Wir müssen nicht
nach Kanaan ziehen oder heutzutage nach Kanada oder Australien auswandern. Wir
müssen nicht unbedingt einen Wohnungswechsel vornehmen oder eine
Ortsveränderung, obwohl das auch mal dran sein und gut sein kann und für manche
auch unausweichlich ansteht, ob sie wollen oder nicht.
Die
Frage ist: Wo
gilt es für mich vielleicht im übertragenen Sinn „auszuziehen“, loszulassen,
aufzubrechen? Wo sitze ich fest, habe mich behaglich eingerichtet, bin nicht
mehr beweglich und offen für Neues. Wo habe ich meine Meinung und lasse nichts
anderes gelten? Vielleicht auch jetzt in der Fastenzeit, ausziehen aus
verkehrten Gewohnheiten, aus falschen Abhängigkeiten, die selbstherrlichen Wege
verlassen und lernen, Gottes Wege zu gehen. die eigenmächtigen Gedanken aufgeben
und lernen, Gottes Gedanken zu denken, die ichbezogenen Ziele loslassen und
lernen, die Absichten Gottes zu verfolgen. Seinem Willen Vorfahrt geben! Nicht
„weiter so!“, sondern umsinnen, umdenken, umkehren, aufbrechen aus alten
Gleisen, Neuland betreten, es voll Vertrauen wagen andere, neue Wege gehen
Abraham
zieht fort.
Wohin er gehen soll, sagt Gott ihm nicht.
Aber bei
allem, was er mitnimmt (seine Frau Sara, seinen Neffen Lot, sonstiges Hab und
Gut), etwas ganz wichtiges hat er noch ihm Gepäck, nämlich eine Verheißung
Gottes, eine ganz großartige Zusage. Und für die lohnt es sich aufzubrechen und
loszugehen: „Ich werde dich zu einem großen Volk
machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein…
Gesegnet sei, wer dich segnet… Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde
Segen erlangen.“
Fünf Mal kommt
das Wort „segnen“ in diesen zwei Versen vor.
Und das
ist das zweite,
was mir bei dieser Lesung aufgefallen ist, liebe Schwestern und Brüder: Abraham
geht zwar in eine ungewisse Zukunft, er tut es auf Gottes Wort hin, aber mit
einer Verheißung, mit der Zusage, gesegnet zu sein und selbst für andere ein
Segen zu werden, und nicht nur für wenige, sondern viele, für alle Völker der
Erde.
Der Berufung
Abrahams unmittelbar voraus geht der Turmbau von Babel. Die
Menschheitsgeschichte schien sich aufzulösen und unterzugehen in Chaos und
Verwirrung. Aber mit Abraham beginnt von Gott etwas ganz Neues. Gott denkt
Gedanken der Rettung und des Heiles. Mit Abraham nimmt die Heilsgeschichte ihren
Anfang.
„Ein
Segen sollst du sein!“
– Liebe Schwestern und Brüder!
Das sagt
Gott nicht nur zu Abraham. Das sagt Gott auch zu uns: „Sei behütet! Sei gesegnet! Und sei ein Segen!“
Segnen,
lateinisch „bene-dicere“, heißt wörtlich übersetzt: „Gutes sagen“,
„Gutes wünschen“: Schutz und Hilfe, Kraft und Beistand,
Trost und
Zuversicht.
Die
Kirche kennt
zig, ja hunderte Segensfeiern: den Reisesegen, den Krankensegen, die
Kindersegnung, den Blasiussegen, den Primizsegen, die Gräbersegnung, die
Fahrzeug- und Wohnungssegnung und vieles mehr. Das Bedediktionale ist voll von
Segensformen. Zum Geburtstag wünschen wir einander „viel Glück und viel Segen“
und zum Neuen Jahr ebenso.
Am Schluss von
jedem Gottesdienst erhalten wir den Segen.
Aber auch Sie
alle können und dürfen segnen. Vielleicht tun wir es viel zu wenig: Eltern ihre
Kinder, Großeltern ihre Enkel, Partner sich gegenseitig und wir uns selbst, wenn
wir fortgehen und wiederkommen, vor großen Aufgaben und Herausforderungen. Mit
Weihwasser und einem Kreuzchen auf der Stirn.
Lernen und
erfahren das eigentlich unsere Kinder heute noch?
Bei persönlicher
Post, sei es Brief, Email, oder WhatsApp, schicke ich dem Empfänger gerne
Segensgrüße am Ende des Schreibens und mache viele gute Erfahrungen damit. Ich
finde: Segnen ist was Schönes. Und Segen tut gut.
Ja, es stimmt: „An Gottes Segen ist alles gelegen!“
Menschenskind,
was hat Abraham für einen Schatz, wenn er den Segen Gottes im Gepäck trägt! –
Und was haben wir für einen Schatz, wenn wir segnen und Segen empfangen und
selbst ein Segen sind?
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