Erste Lesung
Gib uns Wasser zu trinken! (Ex 17, 2)
Lesung
aus dem Buch Éxodus
In jenen Tagen
3dürstete
das Volk nach Wasser und murrte gegen Mose. Sie sagten: Wozu hast du uns
überhaupt aus Ägypten heraufgeführt, um mich und meine Söhne und mein
Vieh vor Durst sterben zu lassen?
4Mose
schrie zum Herrn: Was soll ich mit diesem Volk anfangen? Es fehlt nur
wenig und sie steinigen mich.
5Der Herr antwortete
Mose: Geh am Volk vorbei und nimm einige von den Ältesten Israels mit;
nimm auch den Stab in die Hand, mit dem du auf den Nil geschlagen hast,
und geh!
6Siehe,
dort drüben auf dem Felsen am Horeb werde ich vor dir stehen. Dann
schlag an den Felsen! Es wird Wasser herauskommen und das Volk kann
trinken. Das tat Mose vor den Augen der Ältesten Israels.
7Den
Ort nannte er Massa und Meríba, Probe und Streit, weil die Israeliten
gehadert und den Herrn auf die Probe gestellt hatten, indem sie sagten:
Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?
„Durst ist schlimmer als
Heimweh.“ Und Heimweh ist schon schlimm genug. Den Durst zu
löschen ist ein urmenschliches Bedürfnis. Dazu braucht es – ob für
Pflanzen, Tiere oder Menschen – vor allem eines: Wasser. Ohne Wasser
kein Leben. Ohne Wasser geht alles ein, verdorrt oder verschmachtet.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Die Israeliten haben den
Auszug aus Ägypten hinter sich. Gott hat sie wunderbar herausgeführt und
befreit. Ihr Weg ging aber nicht geradewegs ins Gelobte Land, sondern
zunächst in die Wüste. In der Wüste sind Brunnen und Wasserquellen
überlebenswichtig.
In der ersten Lesung heute
machen die Israeliten allerdings die Erfahrung, dass es kein Wasser
gibt. Alle – Frauen, Kinder, Männer, Tiere – befinden sich in sengender
Hitze ohne Wasser. Eine lebensbedrohliche, eine Existenz gefährdende
Situation! Um nicht zu verdursten, brauchen sie unbedingt und ganz
dringend Wasser.
Wie reagiert das Volk?
Dieses Volk, das aus unerträglicher Sklaverei gerettet wurde? Dieses
Volk auf dem Weg der Verheißung in ein neues Land? Dieses von Gott
geliebte Volk?
Was machen sie? Sie wenden
sich in ihrer Not nicht an Gott. Sie beten und rufen nicht zu ihm. Sie
bitten nicht um Wasser. Sie suchen nicht einmal danach. Sie murren
vielmehr und klagen gegen Mose. Sie meutern und rebellieren gegen ihren
Anführer – und indirekt gegen Gott.
Aber hat Gott ihnen nicht
schon mehrmals in so mancher Notlage wunderbar geholfen? Direkt nach
der Rettung am Schilfmeer (Ex 15), in einer Situation, wo es nur
Bitterwasser gab, ungenießbar, nicht zu trinken. Da murrt das Volk gegen
Mose. Doch Gott schafft Abhilfe. Das bittere Wasser wird süß.
Wenig später (Ex 16) fühlen
sich die Israeliten so ausgezehrt, dass sie Angst haben, vor Hunger zu
sterben. Sie bereuen ihren Aufbruch aus Ägypten. Sie sehnen sich zurück.
Die Vergangenheit wird verklärt, die Unterdrückung vergessen. Dort lebte
man zwar in Knechtschaft, hatten aber wenigstens genug zu essen. Und
Durst mussten man an den Ufern des Nils auch nicht leiden. – Auch
diesmal erbarmt sich Gott. Er schickt Wachteln und Manna, Brot vom
Himmel – jedoch nicht ohne die eindringliche Mahnung, sich seiner
Führung endlich ohne Vorbehalt anzuvertrauen.
Dessen ungeachtet wiederholt
sich jetzt (Ex 17) in Massa („Versuchung“) und Meriba („Streit“) das
Murren. Die Auflehnung ist dieses Mal so groß, dass Mose sogar um sein
Leben fürchtet. „Es fehlt nur wenig und sie steinigen mich!“
Die Erzählung gipfelt auf in
der Frage, die ganz am Schluss der heutigen Lesung steht: „Ist Gott
in unserer Mitte oder nicht?“ Von wegen Vertrauen in Gottes
Gegenwart, seine Nähe und seine Hilfe! „Ist Gott in unserer Mitte
oder nicht?“ Eine Frage, die große Zweifel und tiefe Glaubensnot
erkennen lässt.
Doch hätte das Volk – auf
Grund vorausgehender Erfahrungen von Hilfe und Errettung – nicht wissen
können, dass Gott auch in ausweglosen und Existenz bedrohenden
Situationen da ist, dass sie sich auf ihn verlassen können, dass er
nicht zugrunde gehen lässt, nicht Untergang und Verderben will, sondern
Heil und Leben? Hätte das Volk Israel nicht wissen können, dass
Gottes Fürsorge nicht nachlassen würde?
Undankbar, so scheint es,
sind die Menschen – und sehr vergesslich. Vergessen die Rettung aus
Ägypten und aus dem Roten Meer. Vergessen die bereits erlebten Wunder
auf dem bisherigen Wüstenzug. Vergessen der brennende Dornbusch und die
Zusage: Ich bin da. Und ich werde da sein für euch!
Die Israeliten hätten sich
in ihrer Not direkt an Gott wenden können. Sie hätten zu ihm beten, ihn
beschwören und inständig seine Hilfe anrufen können. Sie hätten sich
mündig zeigen und Verantwortung übernehmen können für ihr Schicksal.
Stattdessen murren sie, begehren auf, konfrontieren Mose mit ihrem Ärger
und machen ihn für die Misere verantwortlich. Aber was kann er dafür?
Eines fällt auf: Kein
Donnerwetter, kein Strafgericht von Seiten Gottes! Gott hat nicht genug
an diesem Volk. Er schreibt es nicht ab. Er lässt es nicht fallen. Gott
hat Geduld. Er erbarmt sich. Er beweist seine Treue gegen ihre Untreue.
Und er erweist sich von Neuem als Retter. – Er gibt Mose Anweisungen,
der Not abzuhelfen. Am Berg Horeb, wo Gott sich Mose im brennenden
Dornbusch gezeigt und ihm den Gottesnamen offenbart hat (vgl. Ex 3, 14),
da, wo Gott Israel immer wieder nahekommen und seine Gebote übermitteln
wird (Horeb und Sinai sind identisch!), da soll Mose mit seinem Stab auf
den Felsen schlagen. Und es geschieht, was kein Mensch erwarten konnte:
Aus dem harten, trockenen Felsen sprudeln lebensrettende Wasser.
Wie gesagt: Obwohl das
Gottesvolk auf wunderbare Weise aus Ägypten befreit und am Schilfmeer
vor seinen Verfolgern errettet wurde, obwohl es auch während der
Wüstenwanderung – von Gott geführt – immer wieder seine Hilfe erfahren
und seine wunderbare Macht erleben durfte, trotz all dem ließ jede neue
Herausforderung, jede neue Krisensituation und jede neue Enttäuschung
die vielfach erlebte Zuwendung und Hilfe Gottes vergessen und schürte
Zweifel, Misstrauen und Verzagtheit.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Diese Erzählungen sind
Mahnung und Zuspruch auch an uns, wenn wir unser eigenes Leben als Wüste
empfinden und Angst haben, darin verloren zu gehen. – Gerade dann
fordert uns der Psalmbeter (siehe Antwortpsalm!) auf: „Verhärtet euer
Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa!“ Denn:
„Dort haben euere Väter mich versucht, sie haben mich auf die Probe
gestellt und hatten doch mein Tun gesehen“ (Ps 95, 7.8 - 9).
Verhärtet nicht euer Herz! Verschließt es nicht! Vielmehr: Hört auf die
Stimme des Herrn! Glaubt an ihn! Vertraut ihm! Er will nicht Untergang
und Verderben, sondern Segen und Heil.
Die Erfahrung der Güte und Treue
Gottes in der Vergangenheit kann und soll die Zuversicht wecken auf
sein Da-Sein und Mit-Sein auch in der Gegenwart und auf sein Da-Sein,
sein Mitgehen und seine Treue auch in kommenden Zeiten.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Auch uns, die wir getauft
sind, auch uns, die wir an Gott glauben und uns zu Christus bekennen,
bleiben Wüstenerfahrungen nicht erspart. Auch wir kennen Durststrecken
in unserem Leben. Auch wir kennen Situationen, in denen wir uns von Gott
verlassen fühlen, wo wir fragen: Wo ist Gott? Warum hilft er nicht?
Situationen, in denen wir haltlos umherirren und uns starke
Glaubenszweifel plagen. Die heutige Lesung kann uns Mut machen und
Hoffnung geben, auch in dunklen Stunden, in Angst und Not, an Gottes
Gegenwart und Liebe zu glauben, „der den Fels zum Wasserteich wandelt
und Kieselgestein zu quellendem Wasser“ (Ps 113, 8).
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