EVANGELIUM
Der Geist führte ihn in der Wüste umher, und dabei wurde er vom Teufel in
Versuchung geführt
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
1 verließ
Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist
vierzig Tage lang in der Wüste umher,
2 und
dabei wurde Jesus vom Teufel in Versuchung geführt. Die ganze Zeit über aß er
nichts; als aber die vierzig Tage vorüber waren, hatte er Hunger.
3 Da
sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu
Brot zu werden.
4 Jesus
antwortete ihm: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot.
5 Da
führte ihn der Teufel auf einen Berg hinauf und zeigte ihm in einem einzigen
Augenblick alle Reiche der Erde.
6Und
er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir
geben; denn sie sind mir überlassen, und ich gebe sie, wem ich will.
7Wenn
du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören.
8Jesus
antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst
du dich niederwerfen und ihm allein dienen.
9Darauf
führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel
und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier
hinab;
10denn
es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich zu behüten;
11und:
Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen
Stein stößt.
12Da
antwortete ihm Jesus: Die Schrift sagt: Du sollst den Herrn, deinen
Gott, nicht auf die Probe stellen.
13Nach
diesen Versuchungen ließ der Teufel für eine gewisse Zeit von ihm ab.
Drei Versuchungen
widerfahren Jesus in der Wüste. Jede hat es in sich. Und
jede ist heute so aktuell wie damals.
Die erste Versuchung ist:
aus Steinen Brot werden zu lassen, d.h. unsere Bedürfnisse mit Essen und
Trinken zu erfüllen.
Diese
Versuchung ist wahrscheinlich keinem von uns ganz fremd.
Mit Essen
können wir alles zustopfen. Wir essen, um unseren Ärger nicht zu spüren,
um unsere Enttäuschungen zu verdrängen, um den Mangel an Liebe
auszugleichen.
Wir
wollen nicht hinsehen, was in uns ist. Wir wollen unsere
Unzufriedenheit, Zerrissenheit, Angst, Wut und Eifersucht nicht
wahrhaben. So stopfen wir uns immer wieder zu.
Jesus antwortet auf diese Versuchung mit dem Schriftwort:
„Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus
Gottes Mund kommt.“
Gott ist
eine unerschöpfliche Quelle.
Er ist
uns näher als wir uns selbst. Unser Leib ist Wohnstatt seines Geistes.
Wenn wir aus dem göttlichen Grund heraus leben und in seiner Gegenwart,
dann werden wir essen und trinken mit Maß und Ziel, wir werden auch ein
gutes Essen genießen, aber wir werden Essen und Trinken nicht dazu
missbrauchen, unsere Seele zuzustopfen.
Die zweite Versuchung
betrifft die Macht und den Besitz.
Der Satan
verspricht Jesus alle Reiche der Welt, wenn er sich vor ihm niederwirft
und ihn anbetet.
Auch
diese Versuchung kennen wir.
Wie
schnell sind Menschen bereit, ihre Seele zu verkaufen, wenn es um Macht
und Reichtum geht.
Die
Affären in der Politik beweisen es. Macht und Besitz wirken oft wie ein
Sog.
Wir
werden hineingezogen, ohne dass wir es merken.
Wir tun
alles für den Machterhalt und Machtausbau.
Und
werden taub für die Stimme des Gewissens.
Machtgebaren gibt es nicht nur in der Politik und bei den Reichen,
sondern auch in der Kirche.
Machtspiele gibt es auch in der Kurie in Rom, in Generalvikariaten, in
General- und Provinzräten, in Kirchengemeinderäten, Klöstern, in
Familien und am Arbeitsplatz.
Macht und
Reichtum sind nicht die Sache Jesu. Sie sind auch nicht der Weg der
Kirche und der Gemeinde, ebenso wenig Weg dessen, der in der Nachfolge
Jesu steht und sein Jünger oder seine Jüngerin sein will.
Jesus wehrte die Versuchung der Macht ab,
indem er auf die Anbetung Gottes verweist. Nicht Macht und Geld sollen
wir anbeten, sondern Gott, ihn allein. Alles andere ist Götzendienst.
Die dritte Versuchung
besteht in der Sucht nach Geltung und Ansehen.
Der Satan
suggeriert Jesus, er soll seine göttliche Vollmacht missbrauchen, und
zwar soll er vor allen Menschen ein wunderbares Schauspiel inszenieren
und sich vom Tempel herabstürzen.
Auch
diese Versuchung ist uns nicht fremd.
Es ist
die Gefahr, dass wir unsere Fähigkeiten nur dazu gebrauchen, um vor
anderen gut dazustehen, andere zu übertreffen, sie in den Schatten zu
stellen, indem wir uns selbst im Rampenlicht sonnen.
Es ist
die Gefahr, dass wir alles nur dafür tun, unser gutes Image zu pflegen.
Wir denken nur daran, wie wir bei anderen ankommen. Innerlich stehen wir
ständig auf der Bühne und überlegen uns, wie wir am meisten beklatscht
werden könnten.
Auch im
Religiösen liegen der Stolz und die Überheblichkeit nicht fern.
Es ist
die Gefahr, sich selbst zu inszenieren oder sich besser zu dünken als
andere, sich über andere zu stellen, sich etwas einzubilden auf
Frömmigkeitsübungen, gute Werke, Gebetseifer, Fasten, Opfer usw. und
damit auf andere herabzuschauen und hart und unbarmherzig zu werden.
Jesus weist diese Versuchung zurück mit dem Wort:
„Du
sollst den Herrn deinen Gott nicht auf die Probe stellen.“
Bei allen drei Versuchungen
beruft sich Jesus auf Worte seiner hebräischen Bibel, das Alte Testament. Der Wille
Gottes zeigt sich ihm im Wort Gottes. Mit Hilfe des Wortes Gottes trotzt
er dem Bösen.
Jesus ist versucht worden wie wir. Aber er widersteht. Er bleibt seiner
Berufung treu. Er bewährt sich als Sohn Gottes. Als solcher wurde er ja
unmittelbar zuvor bei der Taufe im Jordan vom Himmel ausgerufen. „Du bist mein geliebter Sohn!“
Auch wir erleben immer wieder Versuchungen
und werden auf Bewährungsproben gestellt.
Wir tun
gut daran, das Böse nicht zu unterschätzen, sondern es ernst zu nehmen,
denn auch das Böse hat – genauso wie das Gute – seine Auswirkung.
Oft kommt
der Versucher raffiniert daher, subtil, verkleidet, schleicht sich ein,
verlockt, um seine zerstörerische Kraft zu entfalten.
Sogar
unter dem Mantel der Frömmigkeit kann das Böse erscheinen, bestens
getarnt als kleiner fieser Teufel des Moralisierens, der Enge, der
Härte, der Kontrolle, der Kritiksucht, der Verleumdung, der
Rechthaberei, der giftigen Worte, der Unbarmherzigkeit, des
Pharisäismus.
Der Blick auf Jesus,
der versucht worden ist wie wir, kann uns helfen, die Verführungskünste
des Satans zu durchschauen, ihnen nicht auf den Leim zu gehen, sondern
Paroli zu bieten, indem wir uns - wie Jesus - auf Gottes Wort stützen,
Gott selbst zu Hilfe rufen und uns von seinem Geist ergreifen lassen.
Dem Willen Gottes Vorfahrt geben,
Gott Herr sein lassen, auf ihn hören und seinem Wort im Glauben folgen.
Das ist
ein steter Kampf, ein immer neues Ringen.
Auch Jesus blieb nicht verschont davon. Eine neue teuflische Versuchung war es, als
Petrus sich ihm in den Weg stellte und sagte „das möge Gott verhüten,
dass der Messias leiden muss.“
Da
reagierte Jesus ganz energisch: „Weg mit dir,
Satan, du denkst nicht, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“
Und am
Ölberg musste sich Jesus in einem harten Kampf noch einmal in
Todesangst und Blutschweiß durchringen zum Willen des Vaters.
Auch wir stehen
immer wieder im Kampf zwischen Gut und Böse. Das ist nie ein für alle
Mal ausgestanden. Der Sieg ist nie endgültig errungen. Es gibt immer
wieder neue Anfechtungen. Wir müssen uns stets aufs Neue entscheiden.
Das können schreckliche Zerreißproben sein und unsere ganze Kraft
fordern.
Dem Bösen widersagen,
die schlimmen Wege verlassen, eingeschliffene ungute Verhaltensmuster
aufgeben, aus falschen Abhängigkeiten und verkehrte Neigungen sich
lösen, umsinnen, umkehren, sich hinkehren zum Guten, wie es jetzt ja in
der Fastenzeit angesagt ist, das vermögen wir nicht aus uns selbst. Das
geht nur mit Gottes Hilfe.
Ein gutes Mittel sind Stoßgebete.
Schon
beim Anflug einer Anfechtung z.B. beten: „O Gott komm mir zu Hilfe!
Herr eile mir zu helfen!“ Schon die Wüstenväter, z.B. Cassian, haben
damit gute Erfahrungen gemacht.
Oder: „Führe uns nicht in Versuchung!“, die Vaterunser-Bitte.
In jeder
Eucharistiefeier wiederholen wir diese Bitte.
Diese
Bitte ist sehr missverständlich. Ich glaube nicht, dass Gott uns in
Versuchung führen will. „Gott führt niemanden in Versuchung“,
heißt es im Jakobusbrief.
Und
weiter: „Jeder wird von seiner eigenen
Begierde, die ihn lockt und fängt in Versuchung geführt.“
Ich versteh die Vaterunser-Bitte so:
Führe uns
in der Versuchung! Oder: Führe uns durch die Versuchung, dass wir sie
bestehen, dass wir uns bewähren.
Gib uns
Kraft, wenn wir versucht werden! Steh uns bei, schenke uns deine Nähe!
Schließlich: Führe uns heraus aus der Versuchung in die Freiheit der
Kinder Gottes, in das Licht deiner Gnade!
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