Das Evangelium von der Verklärung ist
eingerahmt von Leidensweissagungen Jesu. Er spricht von seinem
Todesschicksal.
Wie
gut können wir Petrus verstehen, wenn er protestiert, wenn er das für
unmöglich hält. - Der, der so viele Menschen heilt und von ihren Leiden
befreit, soll leiden? Und getötet werden? Das darf nicht sein! Das möge
Gott verhüten! Petrus ist total entrüstet. Jesus fährt ihn an: „Weg
mit dir (wörtlich: hinter mich), Satan! Du
denkst nicht, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“
In dieser Stunde tut Jesus etwas Wunderbares:
Er schenkt drei Aposteln die Taborstunde, die Stunde der Verklärung:
Gott offenbart in unüberbietbarer Weise
die Herrlichkeit seines Sohnes. Gottes strahlendes Licht liegt auf ihm.
Es ist wie ein Blitz in der Nacht oder
wie ein Wetterleuchten, das für einen Augenblick die Landschaft erhellt.
So bricht auf Tabor die Herrlichkeit Gottes auf.
Für einen Augenblick ereignet sich Ostern. Die
Herrlichkeit der Auferstehung ist Gegenwart. Für einen Augenblick
leuchtet etwas von dem unfassbaren Geheimnis Jesu auf: Er ist das Licht
vom Licht, der Abglanz des ewigen Vaters. Er ist der erwählte Sohn. Die
drei Apostel bekommen etwas zu spüren und beginnen etwas zu ahnen von
der Ungeheuerlichkeit der Nähe Gottes.
Und wie Petrus das Leiden abwehrt, so
möchte er jetzt die Herrlichkeit Gottes festhalten. Er möchte
Herrlichkeit haben ohne Geduld, ohne Opfer, ohne Leiden, ohne Kreuz.
Geht es nicht uns auch so? - Meinen wir nicht
auch, wir könnten die Herrlichkeit Gottes haben ohne den Weg Jesu
mitzugehen, seinen Leidens- und Kreuzweg?
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir haben gehört: Jesus nahm Petrus, Johannes
und Jakobus mit sich auf einen hohen Berg. - In der Leidensgeschichte
hören wir: Und er ging in einen Garten und nahm Petrus, Johannes und
Jakobus mit sich.
Jetzt
spricht der Vater im Himmel vom geliebten Sohn. - Dann
schreit der Sohn: „Mein Gott, mein Gott, warum...“
Jetzt
leuchtet sein Gewand wie die Sonne. - Dann wird sich die
Sonne verfinstern.
Jetzt
wollen die Jünger Hütten bauen. - Dann werden sie ihn
nicht mehr kennen und fliehen.
Jetzt
befindet sich Jesus in der Gesellschaft von Mose und Elija. -
Dann
werden Verbrecher seine Nachbarn am Kreuz sein.
Liebe Mitchristen!
Tabor und Ölberg sind auch Berge unseres Lebens. Auch wir erleben Höhen und Tiefen.
Wir alle kennen Taborstunden:
Stunden, in denen alles Licht ist, in denen wir glücklich und zufrieden
sind. – Unser Leben kennt Zeiten, wo uns das Glauben leicht fällt, wo
wir die Nähe Gottes erahnen und spüren. Gipfelstunden, wo Gott keine
Frage mehr ist, sondern wo uns ganz gewiss ist: Gott existiert, Gott ist
da. Seine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns. Freude und Dankbarkeit
erfüllen uns dann.
Kein Leben besteht aber aus lauter
Höhepunkten und Sonntagen.
Unser Leben kennt auch den Ölberg. Stunden, in
denen sich alles verfinstert, in denen wir das Gefühl haben, von Gott
und Menschen verlassen zu sein. Krisen, Niederlagen, Scheitern...
Stunden, wo Angst und Sorgen, Traurigkeit und Leid uns das Herz schwer
machen, Stunden und Tage, wo die Frage nach dem Warum sich quälend auf
unsere Seele legt.
Gott scheint dann weit weg zu sein. Und beten
fällt uns schwer.
Am Ende der Verklärung auf Tabor heißt
es, dass sie vom Berg herabstiegen. Und dieser Abstieg ging bis in den
Karfreitag und das Grab.
Die Taborstunde, die die Jünger erleben
dürfen, wird am Ölberg abgelöst vom Schlaf der Müdigkeit, von Verrat,
von Flucht, von Enttäuschung und Dunkelheit.
Das Kreuz verhüllt Jesu Herrlichkeit,
löscht sie aber nicht aus.
Am Ostermorgen
erstrahlt sie neu und die Apostel erkennen Jesus an seinen verklärten
Wunden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Jünger und wir müssen lernen:
Jesus ist unser Heiland geworden, nicht in dem er Leiden und Tot
beiseite gewischt hat, sondern indem er es selber auf sich genommen hat.
Die Jünger und wir müssen lernen:
Gott erspart uns die Durststrecken nicht, die Schattenseiten, die
leidvollen Zeiten. Sie gehören zum Ernst unseres Lebens. Aber er tut
etwas, was ihn uns ganz nahe bringt: er durchleidet das Leben mit uns.
Gott ist in Jesus mit uns auf dem Weg. Er ist uns auch nahe in den
Stunden der Angst, der inneren Leere, in den Krisenzeiten und den
dunklen Stunden unseres Lebens.
Die Jünger und wir müssen lernen:
Gott bewahrt nicht vor allem Leid, aber in allem Leid.
Die Jünger und wir müssen lernen:
dass wir nicht für das Dunkel und für den Tod bestimmt sind, sondern für
das Licht und das Leben bei Gott.
Liebe Schwestern und Brüder!
Seit Christus liegt über dem Kreuzweg und
jeder Leidensgeschichte das Licht vom Berg der Verklärung, der Glanz
der Hoffnung, die Sonne des Ostermorgens und leuchtet in unser Leben und
in die Dunkelheiten unserer Nächte.
Schauen wir heute auf den Herrn in seiner Verklärung,
damit wir nicht irre werden und nicht davonlaufen, wenn wir ihn sehen in
seinem Leiden und Sterben.
Lassen wir uns mitnehmen auf den Tabor,
damit wir nicht ohne Hoffnung sind, wenn Leid und Not, Trübsal und
Finsternis über uns kommen.
Schauen wir
auf den verklärten Herrn und erkennen wir, was letztlich auf uns
zukommt, was Ende unseres Weges ist und Ziel unseres Lebens mit
Christus: die Herrlichkeit der Auferstehung, Wohnen in seinem Licht,
Leben in seinem Leben.
Die uns umgreifende, manchmal
beglückende, oft aber auch quälende und bedrückende Wirklichkeit ist
nicht alles und vor allem nicht das Letzte.
Bitten wir den Herrn,
dass er uns in jeder Dunkelheit an das Licht seiner verklärten Gestalt
erinnert.
Bitten wir den Herrn,
dass er – wie zu den angstvollen Jüngern – auch zu uns herantritt, uns
berührt und zu uns spricht: „Richtet euch auf
und fürchtet euch nicht!"
Bitten wir den Herrn,
dass er uns aus dem Wort Gottes und aus den Sakramenten Kraft und
Freude, Hoffnung und Mut zuströmen lässt.
Bitten wir den Herrn,
dass er uns in den Niederungen des Alltags begleitet und uns zur Seite
steht, damit wir in den Tiefen unseres Lebens nicht verzagen, sondern
mutig das Leben wagen aus der Kraft des Glaubens
Taborstunden
sind eher Ausnahmen, wichtige Ausnahmen, die uns Hoffnung geben. Der
tägliche Weg aber läuft mehr im Tal, in den Niederungen eines oft rauen
und grauen Alltags.
Bitten wir den Herrn,
dass wir allezeit mit ihm auf dem Weg bleiben und ihn in Treue gehen. |