Dem heutigen Evangeliumsabschnitt geht
die Erzählung von der Taufe Jesu im Jordan voraus:
„Du bist mein geliebter Sohn, an
dir habe ich Gefallen gefunden!“
Danach treibt Gottes Geist Jesus in die
Wüste.
Das Markusevangelium berichtet nur ganz
knapp über die vierzig Tage Jesu in der Wüste. Die Versuchung durch den
Satan, die Jesus dort erlebt, wird in einem einzigen Satz erwähnt.
Matthäus und Lukas schildern die Versuchungen Jesu in der Wüste sehr
viel anschaulicher und ausführlicher.
Gott lässt es offenbar zu, dass Jesus
noch einmal in einer harten inneren Auseinandersetzung um seine
Beziehung zum Vater und um Sinn und Inhalt seiner Sendung ringen muss.
Dass auch er lernen muss, an dem festzuhalten, was er bislang selbst von
Gott und seiner Sendung erkannt hat.
Nach seinem Aufenthalt in der Wüste und
nachdem Johannes ins Gefängnis geworfen worden war, kehrt Jesus wieder
nach Galiläa zurück und beginnt öffentlich zu wirken.
Es heißt:
„Er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt,
das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“
Das sind dem Evangelisten Markus zufolge
die ersten Worte, die Jesus spricht, als er beginnt, öffentlich
aufzutreten und zu wirken.
Dieser erste Satz, den Jesus spricht, ist
ein Spitzensatz.
Alles weitere, was Jesus im Anschluss
daran noch sagt und tut, entfaltet in Wort und Tat, was im Kern hier, in
diesem Satz, programmatisch ausgesagt ist.
Es fällt auf, dass Jesu seine
Verkündigung nicht mit einer Forderung, sondern mit einer Feststellung
beginnt: „Die Zeit ist erfüllt“, „das Reich Gottes ist nahe“. Es
wird zunächst nicht etwas verlangt, sondern zugesagt.
Johannes der Täufer hatte noch die Taufe
zur Vergebung der Sünden gepredigt.
Jesus kündet nicht mehr das Gericht an,
sondern die heilende Nähe Gottes.
1.
„Die Zeit ist erfüllt“
Israel hat gewartet über viele
Generationen hin.
In vielen Verheißungen hatte Gott durch
die Propheten gesprochen.
Jetzt ist die Hoffnungsgeschichte Israels
auf den Punkt gekommen, doch nicht nur Israels.
Nach Markus gilt Jesus als die Erfüllung
der Heilsgeschichte und Heilssehnsucht aller Menschen.
2.
„Das Reich Gottes ist
nahe“.
Mit dem Auftreten Jesu ist das Reich
Gottes, das Königtum Gottes, die Herrschaft Gottes nahe gekommen,
zeitlich wie räumlich. Jesus selbst führt sie herbei.
Wer Augen hat und Ohren, kann erkennen:
Schon beginnt das Klima der Herrschaft Gottes sich durchzusetzen: dort,
wo Menschen ihre Selbstherrlichkeit verlassen, wo Menschen sich als
Söhne und Töchter Gottes entdecken und wie Brüder und Schwestern
miteinander leben.
„Reich Gottes“:
Nicht ein Ort oder etwas im Himmel oder aus dem Himmel ist hier gemeint,
sondern ein Geschehen auf Erden zwischen den Menschen.
„Reich Gottes“:
Dieser Ausdruck kennzeichnet das Hauptanliegen Jesu.
Hier liegt der Kern seiner ganzen
Botschaft, ohne den man weder seine Sendung noch seine Tätigkeit richtig
versteht.
Auch seine Jünger sandte Jesus aus mit
dem Auftrag, Kranke zu heilen und den Menschen zu sagen: Gottes
Herrschaft bricht jetzt an. Jetzt bricht es an, das Reich des
himmlischen Vaters, aber erst künftig wird es vollendet.
Die meisten Zeitgenossen Jesu in Israel
meinten, Gott habe in der Vergangenheit machtvoll gehandelt und er werde
am Weltende sieghaft in Erscheinung treten.
Jesus betont demgegenüber: Gottes Wirken
ist auch und gerade in der Gegenwart erfahrbar. Er will in den oft für
bedeutungslos gehaltenen alltäglichen Geschehnissen und menschlichen
Beziehungen entdeckt und angenommen werden.
Deshalb wird Jesus das Alltägliche zum
Gleichnis: die fruchtbringende Saat, das Senfkorn, der Sauerteig, das
Gastmahl, die Lilien auf dem Feld, die Vögel des Himmels, die Freude
über das wiedergefundene Verlorene, gegenseitige Hilfsbereitschaft und
die immer wieder notwendige Aufarbeitung von Konflikten, die Aussöhnung
untereinander, das Vergeben und Verzeihen.
Jesu Reich-Gottes-Botschaft ist heute
trotz veränderter Lebensverhältnisse gleich aktuell: Jeder Augenblick
meines Lebens, jeder Ort meines Aufenthalts, jedes Tun und Erleiden,
jede Begegnung und jede Einsamkeit können Anbruch der Herrschaft Gottes,
können zum Heil für mich und andere Menschen sein.
Wenn es zutrifft, dass es in meinem Leben
„mehr als alles geben muss“, wenn ich spüre, dass „in allem
etwas zu wenig ist“, wenn es stimmt, dass jemand „der ein Wofür
zu leben hat, fast jedes Wie ertragen kann“, dann hat dies alles mit
dem zu tun, wovon die Botschaft vom Gottes Reich spricht.
Jesus verbindet seine „gute Nachricht“
(Evangelium) mit dem Aufruf:
3.
„Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“
Jesus ruft die Menschen zur Umkehr und
zum Glauben.
Doch Jesus wiederholt nicht nur, was
Johannes vor ihm schon gefordert hatte, sondern verknüpft die Umkehr mit
der Gottesherrschaft in der Gegenwart seiner Person.
Auf die kommende Gottesherrschaft muss
man sich einstellen.
Man muss sich ihr öffnen. Sie kommt nicht
gegen den Willen der Menschen und nicht ohne ihr Zutun.
Es ist wichtig, zu beachten, dass es sich
bei dem, was Jesus da fordert: Umkehr und Glaube, dass es sich bei
dieser Forderung um eine Reaktion handelt, um eine Antwort. Die
Forderung steht nicht an erster Stelle!
Jesus sagt zuerst: „Das Reich Gottes
ist nahe!“
Das heißt: Gott kommt euch entgegen! Er
sucht euch! Er liebt Euch!
Jesus ermöglicht die Erfahrung des
Geliebt- und Angenommenseins in der Begegnung mit den Menschen
Er tut es z. B. in der Tischgemeinschaft
mit Zöllnern und Sündern, in der Zuwendung zu Kranken, Unterdrückten und
Entmutigten.
Jesus lässt in der Begegnung mit ihm
Menschen erfahren, dass sie ja sagen können zu sich selbst, zu anderen
und zu Gott.
Und erst als Antwort auf derartig gute
Erfahrungen erwartet er die Liebe zu Gott und zum Nächsten.
In diesem Sich-Einlassen auf Jesus und
seine Botschaft besteht Umkehr, Glauben und Nachfolge!
Auch wenn die Initiative von Gott ausgeht
und ohne ihn nichts geschehen kann, so müssen doch Menschen seinem
Heilswirken die Tür öffnen, es annehmen, sich einlassen und mittun!
Es gilt, Gott „Herr“ sein zu lassen im
eigenen Leben und seinem Willen Vorfahrt zu geben, dann zeigt sich die
heilende und befreiende Macht der Gottesherrschaft.
Wörtlich bedeutet „Umkehr“ ð
„Um-denken“, „Um-sinnen“!
Die äußere Umkehr setzt einen inneren
Schritt voraus, dem viele kleine Schritte im Alltag folgen müssen.
Umkehr ist der Heilsweg, den Jesus weist.
Umkehr ist die Wende des Daseins, überprüfbar und ablesbar in allen
Bereichen des alltäglichen Lebens.
Aber wie oft nehme ich mir ernstlich vor
umzukehren?
Wie viele Versuche habe ich schon
unternommen?
Und muss ich nicht doch immer wieder
feststellen, dass ich trotz allem guten Willen und trotz all meiner
Bemühungen der Alte geblieben bin? Wie fest sind meine Prägungen aus den
früheren Jahren!
Beim besten Willen und bei aller
Bereitschaft, ist eine Veränderung von mir wirklich zu
bewerkstelligen und zu machen?
Ein Wandel kommt, wenn er kommt, von
Gott. Aber genau dies ist Gottes Herrschaft. Sie ist nicht etwas zu dem
ich (der Mensch) mich entschließe, sondern ein Geschehen, das Gott
bewirkt. Er ergreift die Initiative.
Schauen wir noch einmal genau auf das,
was Jesus sagt.
Er sagt nicht „Kehre um“, sondern „kehrt
um“. Mehrzahl!
Damit es leichter fällt, gibt es eine
Glaubensgemeinschaft, die denselben Weg geht, die ermutigt und gegen
Verzagtheit und Resignation, die im Alltag aufkommen können, ankämpft.
Jesus verkündete das Evangelium
Gottes und sprach: „Die Zeit ist erfüllt, das
Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“
Jesus erinnert uns in seinem Wort, dass
Gott selbst hinter uns steht.
Er hat den wesentlichen Schritt bereits
getan.
An uns ist es, Jesu Weg mitzugehen und
auf seinem Weg zu bleiben.
Auf diesem Weg ist er das Wort, auf das
wir hören und dem wir folgen.
Er ist das Licht das uns erleuchtet. Er
ist die Kraft, die uns erfüllt und stärkt. Er ist der Beistand, der uns
nicht verlässt. |