Unter dem Titel
„Besatzungszeit“ hat Gudrun Beckmann-Kircher ein aufrüttelndes Gedicht
veröffentlicht:
„Ich bin ein besetztes
Land.
Fremde Worte nisten in
meinem Hirn:
Liedfetzen,
Reklamesprüche, Gedankenmüll.
Feindliche Töne dringen
in mein Ohr
und schlagen sie
nieder,
die elektrischen
Piepser und technischen Gerätschaften.
Unter den Schutthaufen
der allumfassenden Geschwätzigkeit
ersticken sie meine
Gedanken.
Wie gern lauschte ich
dem leisen Säuseln des Windes!"
Gudrun Beckmann-Kircher,
Aus: Zwischen Stille und Geschwätzigkeit @ Verlag SCHNELL, Warendorf
2009. Mit freundlicher Genehmigung.
Wenn meine Lebensfelder
von fremden Mächten überrollt und okkupiert werden; wenn feindliche
Aggressoren mein Lebenshaus besetzen und mir die Freiheit nehmen – dann
bleiben mir zwei Möglichkeiten: Ich kann mich in mein Schicksal ergeben
und kapitulieren, oder ich kann zum Widerstandskämpfer, zum Rebellen
werden. Für diese zweite Möglichkeit bietet sich in jedem Jahr die
Fastenzeit als Übungszeit an:
Wenn ich gegen die vielen
fremden, oberflächlichen und lauten Worte ankämpfen will, die auf mich
eindringen – dann kann ich mich ins Trainingscamp der Bibel
begeben und dort Worte finden, die trösten und befreien, die Tiefgang
haben, die mich ermutigen und stark machen.
Wenn ich mich wehren
möchte gegen die feindlichen Töne, die mir den inneren Frieden rauben –
dann nehme ich im Trainingscamp der Gottesdienste, der Lieder
und Gebete manche Töne wahr, die in mir nachklingen, die mich zur
Ruhe bringen, die mir guttun und innere Harmonie schenken.
Wenn ich mich zur
Rebellion gegen den Lärm und die Geschwätzigkeit um mich herum
entschließe – dann werde ich im Trainingscamp der Stille lernen,
den eigenen Gedanken zu trauen und eine klare Linie für mein Leben
finden.
Ob ich ein besetztes Land
bleibe und mich kampflos den Besatzungsmächten ergebe – das liegt an
mir. Wenn ich mich für den Widerstand entscheide, ist die Chance groß,
dass ich meine Freiheit wiedergewinne – und dass ich auch dem leisen
Säuseln des Windes wieder lauschen kann …
Wolfgang Raible
|