„Durst nach Leben“,
so prangte es vor Jahren auf einer Mineralwasserreklame!
Als ob der Lebensdurst von Menschen so leicht zu löschen
wäre!
Wie viele können sich alles leisten und kaufen und
trocknen trotzdem innerlich aus, verdursten seelisch!
Kein Angebot der Welt erfüllt uns ganz. Keine Mahlzeit
sättigt uns für immer. Kein irdisches Glück genügt uns.
In allem ist etwas zu wenig.
In uns allen steckt die
Sehnsucht nach erfülltem Leben, nach Sinn und Ziel, nach Glück und
Gelingen, nach Liebe und Leben.
Wir schauen immerfort aus
nach Mehr, nach Größerem.
Oft ist diese Sehnsucht
zugedeckt vom Grauschleier des Alltags.
Manchmal ist sie tief
verschüttet. Oft wurde sie enttäuscht und betrogen.
Und doch: sie ist nicht
klein zu kriegen, sie ist nicht tot zu kriegen.
Leergebrannt, enttäuscht,
unerfüllt, war auch die Frau im Evangelium, die Samariterin
„Fünf Männer hast du
gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann!“
Aber das sagt Jesus erst
mehr gegen Ende des Gesprächs.
Die Begegnung zwischen
ihm und der Frau beginnt ganz anders. Jesus kommt nicht mit einem
Transparent: „Auch du brauchst Jesus“.
Nein, er selbst zeigt
sich durstig, bedürftig. Er sagt: „Gib mir zu trinken!“
Mehr noch: Jesus, der
Jude, bittet die Samariterin um einen Schluck Wasser.
Die samaritische Frau ist
völlig überrascht.
Sie spürt: sie wird
gebraucht. Sie fühlt sich ernst genommen. Und das setzt ein Gespräch in
Gang, das immer mehr in die Tiefe geht,
vom Wasserschöpfen aus
dem Brunnen hin zu ihrem tiefen Durst nach Leben,
der bisher so oft
ungestillt blieb, fast immer ungestillt.
Sie beginnt zu ahnen:
Ob er vielleicht der
Messias ist, der, auf den sich meine ganze Lebenshoffnung richten kann,
der meinen tiefen Lebensdurst stillen kann?
Es ist unglaublich,
wie behutsam Jesus das Gespräch führt!
Schon wie er das Gespräch
beginnt:
Da steht nicht ein Jude
einer Samariterin gegenüber, nicht der überlegene Mann einer
unbedeutenden Frau,
sondern ein dürstender
Mensch einem dürstenden Menschen.
Und die Frau gerät völlig
aus dem Häuschen.
Im griechischen
Originaltext wird das noch deutlicher, wie sie es förmlich
herausstottert:
„Wie, du, ein Jude,
von mir verlangst du zu trinken, einer samaritischen Frau?“
Sie spürt, da ist einer,
der sie ganz und gar ernst nimmt.
Da, wo das Gespräch am
schwersten wird,
wo sie dann doch nicht in
der Lage ist, die ganze Wahrheit über ihr Leben zu sagen,
wo sie höchstens einen
kleinen Zipfel davon herauslässt: „ich habe keinen Mann“,
da holt Jesus die ganze
Wahrheit ans Tageslicht.
Er tut es ohne jeden
Vorwurf.
Er will nicht in alten
Wunden herumrühren.
Er möchte die Frau nicht
beschämen.
Er möchte ihr zu ihrer
Wahrheit verhelfen.
Sie muss dieser Wahrheit
ins Auge sehen, ihren Schattenseiten, ihren Enttäuschungen, ihrer
ungestillten Sehnsucht.
Leben kann nur geheilt
werden, wenn Verletzungen, Enttäuschungen,
wenn das Dunkle im
Menschen ans Licht gehoben, angeschaut und angenommen wird.
„Herr, ich sehe, du
bist ein Prophet.“
Die Frau spürt: In der
Nähe dieses Menschen braucht sie nichts mehr zu kaschieren.
Sie braucht ihr
zwiespältiges Leben nicht mehr zu verbergen.
Sie erfährt ihre
Offenheit, ihr Stehen zur Wahrheit als Befreiung.
Ein Wandlungs- und
Heilungsprozess beginnt.
Und auf einmal kann der
Lebensquell in ihr wieder aufbrechen und neu anfangen zu sprudeln.
Leider haben wir die
Geschichte früher oft sehr moralisiert.
Diese Frau sei so ein
richtiges Flittchen, ein Luder.
Und als Jesus sie damit
zu konfrontieren beginnt, sei sie in eine unverbindliche theologische
Diskussion ausgewichen:
„Unsere Väter haben
auf diesem Berg Gott angebetet, ihr aber sagt, in Jerusalem sei der Ort,
wo man anbeten muss...“
Mir scheint das eine verhängnisvolle Fehlinterpretation
zu sein. Die Frau bleibt meines Erachtens haargenau beim Thema.
Die Frage ist:
Wo finde ich Gott?
Wo finde ich eine letzte
Erfüllung meines Lebens?
Wofür und für wen lohnt
sich dieses Leben?
Und Jesus sagt ihr:
Ja, es geht um Anbetung.
Es geht um eine personale Hingabe an Gott. Es geht darum, sein Herz zu
verschenken.
Aber das ist nicht an
einen Ort gebunden, sondern es geschieht im Geist und in der Wahrheit.
Es geschieht, wo Menschen
sich Gott öffnen, Gott Raum geben, Raum geben dieser Sehnsucht nach dem
lebendigen und lebenspendenden Gott.
Es geschieht, wo sie im
Innern auf die Stimme dessen hören, der sagt: „Ich bin es, ich, der mit dir redet.“
Und da öffnet sich der
Frau in der Begegnung mit Jesus eine letzte Hoffnung:
All das Unerfüllte, all
die Enttäuschungen, die heimlich geweinten Tränen, die Demütigungen...
Gott hat das wahrgenommen.
Er wird die ungestillte
Sehnsucht erfüllen, über alles menschliche Erwarten hinaus.
Jesus
erweist sich in dieser Erzählung als ein unglaublich sensibler
Wegbegleiter.
Er zeigt sich als einer,
der voller Sympathie auf ein Menschenleben sieht, in dem so viele
Hoffnungen verschüttet waren.
Er bringt den Lebensquell
wieder zum Sprudeln.
So geht er mit uns
Menschen um, auch heute!
Und das tut einfach nur
gut.